Frage an Olaf Böttger von Julia R. bezüglich Soziale Sicherung
Wenn der Wortlaut der neuen Globalrichtlinie über die "Hilfen zur Weiterführung des Haushalts" ernst gemeint ist – und davon sollten wir bei Erlassen Ihres Senats ausgehen – dann gibt es zukünftig Haushaltshilfe nach § 70 SGB XII nur noch für sozialhilfeberechtigte Menschen mit schwerer Demenz oder einer geistigen Behinderung.
Menschen, die nur körperbehindert oder blind sind und deshalb mehr oder weniger umfangreich Unterstützung im Haushalt benötigen, erhalten diese Hilfe dann nicht mehr.
Diesen Menschen will der Senat mit der neu gefassten Globalrichtlinie in Zukunft ausschließlich nur noch die so genannte „kleine Haushaltshilfe“ nach § 27 SGB XII gewähren. Absatz 3 in diesem Paragraf lautet: „Hilfe zum Lebensunterhalt kann auch Personen geleistet werden, die ein für den notwendigen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen oder Vermögen haben, jedoch einzelne für ihren Lebensunterhalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können. Von den Leistungsberechtigten kann ein angemessener Kostenbeitrag verlangt werden.“
Die Hamburger Sozialbehörde will auf Kosten schwerbehinderter Menschen Geld sparen.
Für viele dieser Menschen, einige kenne ich persönlich, ist damit ein selbstbestimmtes Leben in Hamburg nicht mehr möglich. Konkret: Studieren für Behinderte wird extrem erschwert, sowie die einfache Entscheidung eines behinderten Menschen, einen Spaziergang durch den Park zu machen, da Sie die benötigte persönliche Assistenz streichen wollen.
Als Hamburger Wählerin bitte ich Sie persönlich inständig, sich für die Rechte ALLER Menschen in Hamburg einzusetzen, um dem Fortschritt unserer demokratischen Gesellschaft nicht im Wege zu stehen.
Was werden Sie für die behinderten Menschen in Hamburg tun?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Liebe Frau Radlof,
entschuldigen Sie bitte, dass es etwas gedauert hat mit meiner Antwort, aber wir alle sind derzeit ziemlich im Stress wegen des Wahlkampfes. Sollte noch etwas offen geblieben sein, dann fragen Sie bitte noch einmal nach.
Zur Frage, "Was werden Sie für die behinderten Menschen in Hamburg tun?"
Das Ziel, Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen in die Mitte der Gesellschaft zu integrieren, liegt uns als Christdemokraten aus sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen besonders am Herzen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention macht dazu verschiedene Vorgaben, die es umzusetzen gilt.
Dazu gehört insbesondere das Recht von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, Kitas und allgemeine Schulen zu besuchen. Unter der CDU-Regierung wurde die weitgehende Inklusion der Kinder ab 3 Jahren bis Schuleintritt in die Kitas verwirklicht. Behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder haben ab dem vollendeten dritten Lebensjahr bis zur Einschulung einen Anspruch auf Eingliederungshilfen in einer Kita.
In der laufenden Wahlperiode hat die Schwarz-Grüne Koalition das Recht auf den Besuch einer allgemeinen Schule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Schulgesetz verankert. Das bedeutet, dass die Eltern von behinderten, schulpflichtigen Kindern seit dem Schuljahr 2010/2011 ein Wahlrecht haben, ob ihre behinderten Kinder am gemeinsamen Schulleben einer allgemeinen Schule teilnehmen oder auf Wunsch eine Sonderschule besuchen. Es gilt zunächst für die 1. und 5. Klassen.
Zum Schuljahresbeginn 2010/2011 konnten 79 weitere Schulen von Schülern mit Behinderungen ausgewählt werden und die Zahl der Schüler an Sonderschulen in den Klassestufen 1 und 5 ging um etwa ein Drittel zurück. Im kommenden Schuljahr besteht die Wahlfreiheit in den Klassen 1, 2, 5 und 6.
Wir werden uns auch nach der Wahl dafür einsetzen, dass die Umsetzung schrittweise weiter aufwächst. Dabei stehen für uns zwei Aspekte im Vordergrund. Zum einen müssen die Schulen zwingend angemessen unterstützt werden, unter anderem durch sonderpädagogisches Fachpersonal. Hier werden wir zusätzliche Ressourcen einsetzen. Zum anderen sollen Eltern auch weiterhin die Möglichkeit haben, für ihr Kind eine Beschulung in einer Sonderschule zu wählen. Diese Wahlfreiheit wollen wir erhalten, damit für jedes Kind individuell die beste Entscheidung getroffen werden kann.
Für eine bessere Teilhabe hat sich der CDU-geführte Senat in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Projekten, Kooperationen, Fördermaßnahmen und Vereinbarungen massiv für den Vorrang von ambulanten Wohnformen und für die Förderung der Beschäftigung von behinderten Menschen außerhalb von Werkstätten in regulären Arbeitsverhältnissen eingesetzt.
So erstellen seit 2009 Fallmanagerinnen bzw. Fallmanager im neu eingerichteten Fachamt Eingliederungshilfe des Bezirksamts Wandsbek auf Antrag für die Leistungsberechtigten individuelle Gesamtpläne für ambulante Eingliederungshilfe. Mit Hilfe der individuellen Maßnahmen der Eingliederungshilfe ist es gelungen, sowohl den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen gerechter zu werden und dabei im Verhältnis zu stationären Maßnahmen auch noch die Kosten zu senken.
Der Haushalt für Leistungen der Eingliederungshilfe ohne Blindengeld und Blindenhilfe ist von 2001 bis 2009 um 19 % auf 331,1 Millionen angewachsen. Die Haushaltspläne des SPD-Bürgermeisterkandidaten Olaf Scholz, dass die Ausgaben künftig nur noch um 1% jährlich ansteigen dürfen und höhere Ausgaben durch andere Sparmaßnahmen gedeckt werden müssen, gefährden den notwendigen Ausbau der Angebote für Menschen mit Behinderungen im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.
Hätte die CDU dieses vermeintliche SPD-Wunderkonzept in den vergangenen 4 Jahren angewendet, stünden heute pro Jahr 90 Millionen Euro weniger für Kitas (= Einschränkung der frühkindlichen Inklusion ab 3 Jahren) und konkret 42 Millionen Euro weniger für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zur Verfügung. An den Schulen würden sogar 182 Millionen Euro fehlen und somit den wahlweisen Besuch von Kindern mit Behinderungen auf Regelschulen nach § 12 Schulgesetz zumindest erheblich erschweren bis unmöglich machen.
Die schrittweise Entwicklung der Inklusion und der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wird mehr Zeit, Sorgfalt aber auch Ressourcen benötigen, als dies zuletzt der Fall war. Dafür werden wir uns einsetzen.
Ein wichtiges Ziel der Behindertenpolitik der CDU ist aber auch eine zunehmende Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im regulären Arbeitsmarkt. Damit noch mehr Menschen mit Behinderungen einen Ausbildungsplatz und eine reguläre Beschäftigung erhalten, werden wir die Arbeitgeber weiterhin auf die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung durch das Integrationsamt hinweisen. Wir hoffen und erwarten, dass die Unternehmen bei der Auswahl ihres Personals vermehrt auf die Finanzhilfen zurückgreifen und fachlich geeignete Arbeitnehmer mit Behinderungen beschäftigen.
Zudem werden wir weiter diverse Integrationsfachdienste finanzieren, die mit spezifischen fachlichen Schwerpunkten die Arbeitgeber zu den Rechten und Pflichten zum SGB IX beraten, etwa zu den Themen Besetzung freier Stellen, Pflicht zur Organisation betrieblicher Rahmenbedingungen, Betriebliches Eingliederungsmanagement, Integrationsvereinbarung, berufliche Rehabilitation und Qualifizierungsbedarfe sowie betriebliche Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Generell muss aber auch der langfristige Minderleistungsausgleich eingeführt werden, damit Inklusion auch im regulären Arbeitsmarkt gelingen kann.
Unter den CDU-geführten Senaten hat sich Hamburg insbesondere im Rahmen der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung zu einer Vorreiterin der Inklusion, der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und beruflichen Alltagsleben entwickelt.
Der Erlass des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen in 2005 und die Einführung einer Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen als zentrale Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um Behinderungen und zugleich als unabhängige Vermittlerin zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung sind Meilensteine zur Verbesserung der Situation der Menschen mit Behinderungen.
Ein weiteres Ziel, das wir verfolgen, ist die Barrierefreiheit von Gebäuden und des ÖPNV. Barrierefreiheit ist eine wichtige Voraussetzung, damit sich alle Menschen in Hamburg wohlfühlen, frei bewegen und am öffentlichen Leben teilnehmen können. Zum barrierefreien Ausbau von U- und S-Bahnhöfen gibt es eine mit den betroffenen Interessensverbänden abgestimmte Prioritätenliste, die wir kontinuierlich umsetzen wollen. Soweit es der Haushalt zulässt, sollen die öffentlichen Mittel für barrierefreies Bauen und barrierefreie Umgestaltungen in den Bildungseinrichtungen erhöht werden
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ist in Deutschland am 26. März 2009 in Kraft getreten. Seither dienen die darin niedergeschriebenen Vorgaben als verbindliches Recht für Politik, Verwaltung und Gerichte und als Handlungsmaßstäbe in allen Politikfeldern
Die UN-Behindertenrechtskonvention symbolisiert nachdrücklich den Wandel von einer Politik der Fürsorge hin zu einer Politik der Rechte. Um die Rechte der UN-Konvention schrittweise umzusetzen, soll für Hamburg ein umfassender Landesaktionsplan aufgestellt werden. Unter Mitarbeit des Landesbeirats zur Teilhabe behinderter Menschen und der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen sollen in unterschiedlichen Handlungsfeldern - von einer unabhängigen Lebensführung über Bildung, Arbeit und Beschäftigung bis zur Gesundheitsversorgung - gesetzgeberischer Handlungsbedarf und sonstige Umsetzungsmaßnahmen für die gewünschte Teilhabe geprüft werden.
Viele Grüße
Olaf Böttger