Frage an Özcan Mutlu von Ina E. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Mutlu,
wie stehen Sie zu der Speicherung von Daten von Privatbürgern durch nationale und internationale Regierungsorganisationen? Was gedenken Sie zum Schutz der Privatsphäre zu tun?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ina Elsagir
Sehr geehrte frau Elsagir,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Wir Grüne haben uns von Anfang zu diesem wichtigen Thema klar positioniert. Wir fordern, dass Standortdaten nicht länger anlasslos gespeichert werden dürfen. Denn damit lassen sich hochsensible Bewegungsprofile von Millionen von Menschen nachzeichnen. Darüber hinaus muss auch die Menge an gespeicherten Informationsfeldern drastisch reduziert werden. Zudem bedarf es klarer Vorgaben zur maximalen Speicherdauer dieser Daten auf wenige Tage oder Wochen. Datenschutz muss immer der Maxime der Datensparsamkeit folgen. Wir brauchen endlich gesetzlich klar verankerte Maximalfristen und stärkere Auskunftsrechte für die Nutzerinnen und Nutzer.
Der NSA-Skandal hat uns die unfassbaren Ausmaße gezeigt: Bei der Aufarbeitung des NSA-Skandals verweigert die Merkel-Koalition ihre Pflichten gegenüber den BürgerInnen. Es scheint ihnen wichtiger zu sein, die Aktivitäten der Geheimdienste zu decken, als ihrer verfassungsgemäßen Aufgabe nachzukommen: den Schutz der BürgerInnen zu garantieren. Wir werden dies ändern.
Wir Grüne fordern, dass die Seilschaften der Geheimdienste eine umfassende Aufklärung nicht behindern dürfen. Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag soll den Skandal gründlich durchleuchten. Schon jetzt ist klar, dass eine Totalüberwachung des Internets die Grenzen eine legitimen Sicherheitspolitik und Terrorismusbekämpfung übersteigt. Das müssen die USA endlich auch von deutscher RegierungsvertreterInnen hören.
Es ist notwendig, die Internetfreiheit politisch zu sichern. Sie ist durch Monopole und Oligopole bei zentralen Diensten wie Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken bedroht, aber auch durch staatliche Überwachungsphantasien wie etwa die Vorratsdatenspeicherung.
Die Netzinfrastruktur soll allen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Wir wollen kein 2-Klassen-Internet und daher den Grundsatz der Netzneutralität gesetzlich verankern. So stellen wir sicher, dass Daten im Internet ohne Benachteiligung oder Bevorzugung gleichberechtigt übertragen werden - ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Zieles, der Finanzkraft ihrer EmpfängerInnen oder AbsenderInnen, ihres Inhalts, verwendeter Anwendungen oder eingesetzter Geräte. Verletzt wird die Neutralität des Internets auch, wenn Anbieter oder staatliche Stellen Inhalte des Internets sperren, filtern oder die Nutzung drosseln, so dass weniger rentable Inhalte plötzlich schlechter zugänglich sind oder politisch unliebsame Inhalte verschwinden.
Die zunehmende Verschmelzung von Infrastrukturanbietern und Inhalteanbietern sehen wir kritisch, da sie die Netzneutralität gefährdet, den Wettbewerb einschränkt und Nutzungsfreiheiten senkt. Wir setzen uns dafür ein, dass Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt im Rahmen ihrer Kompetenzen möglichen Missbräuchen nachgehen.
Darüber hinaus wollen wir die Netzneutralität gesetzlich festschreiben. Weltweit häufen sich - gerade in autoritären Staaten und Diktaturen - staatliche Eingriffe in die Internetfreiheit. Der Export von Know-how, Technik und Software zur Zensur und Überwachung des Internets in diese Länder muss ein Ende haben. Hier wollen wir eine effektive Ausfuhrkontrolle sicherstellen. Freier und offener Netzzugang ist zum Menschenrecht geworden. Es braucht weltweite transparente Übereinkünfte über Regeln, die das Internet dauerhaft frei und offen halten. Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft gehören dabei an einen Tisch, um zu einem globalen Kodex zur Sicherung der Freiheits- und Bürgerrechte im Internet zu kommen.
Auch online wird gemobbt, abgezockt und betrogen, werden Straftaten mit Hilfe der neuen Möglichkeiten des Internets begangen. Freiheit in einer digitalisierten Welt bedeutet sowohl Schutz des Individuums als auch Durchsetzung seiner Rechte. Dies muss effektiv, aber auch strikt bürgerrechtskonform geschehen. Dem Aufbau von Sperr- oder Zensurinfrastrukturen treten wir seit jeher klar entgegen. Stattdessen müssen verbotene Inhalte gelöscht und Straftaten wie die Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern oder rassistische Gewaltaufrufe konsequent verfolgt werden.
Zur besseren Rechtsdurchsetzung bedarf es Ermittlungsbehörden, die fit für das digitale Zeitalter gemacht werden. Um dabei effektiv handeln zu können, müssen dafür auch grenzüberschreitende Kooperationen gestärkt werden. Dies ist Teil unseres Ziels, eine globale Internet-Governance-Struktur einzuführen, die möglichst alle Interessen und Akteure berücksichtigt.
Herzliche Grüße
Ihr Özcan Mutlu