Frage an Nils Wiechmann von Julian H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Wiechmann,
mit Interesse habe ich die Beiträge bzgl. des Ausbaus der Stromnetze verfolgt.
Ich stimme Herrn Rosenbaum zu, dass erneuerbare Energien ohne ein entsprechend modernisiertes Stromnetz in Deutschland in ihrem Wachstum behindert werden. Es ist nun mal Tatsache, dass aktuell keinerlei effiziente Speichermöglichkeiten für Strom vorhanden sind und der durch Wind-, Solar- oder Wasserenergie produzierte Strom unmittelbar verwendet werden muss.
Der Ausbau und die Modernisierung des Stromnetzes ist somit unumgänglich, allerdings stellt sich mir die Frage, wie dies finanziert werden soll?
Vor Allem im Hinblick darauf, dass Ihre Partei Kernenergie ablehnt und einen sofortigen Wechsel zu erneuerbaren Energien fordert. Dieser sofortige Wechsel hätte zur Konsequenz, dass die Stromnetze innerhalb kürzester Zeit ausgebaut und modernisiert werden müssten, was meiner Meinung nach in der momentanen Lage und aus finanzieller Hinsicht nicht realisierbar ist.
Prinzipiell bin ich auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien, allerdings sollte der Wechsel kontinuierlich voranschreiten und nicht so radikal vonstatten gehen, wie Sie es fordern.
Mit freundlichen Grüßen
Haupt
Hallo Herr Haupt,
auch ich stimme mit Ihnen absolut darin überein, dass wir für den Ausbau der Erneuerbaren Energien auch massive Verbesserungen unseres Stromnetzes benötigen, denn nur mit starken und intelligenten Stromnetzen können die erneuerbaren Energien ihre Potenziale voll ausspielen.
Bis 2030 wollen wir den Strombedarf in Rheinland-Pfalz zu 100 % aus erneuerbaren Energien decken und zudem müssen wir den CO2-Ausstoss in Rheinland-Pfalz bis 2050 durch entschiedene Maßnahmen in allen Handlungsfeldern um 90 % senken. Unsere Ziele sind ambitioniert, aber erreichbar, wenn wir jetzt Ernst machen mit einer Politik, die sich am gesellschaftlich Notwendigen und an zukunftsfähigen Innovationen orientiert, anstatt an den kurzsichtigen Interessen einflussreicher Energiekonzerne.
Leider läuft die Netzausbauplanung zurzeit höchst intransparent. Berechnungen über den Bedarf an neuen Leitungen können weder von der Regierung noch vom Parlament oder von unabhängigen Wissenschaftlern nachvollzogen werden. Auch die Ausbauzahlen der Deutschen Energieagentur (dena) sind aufgrund der fehlenden Transparenz und des Einflusses der Industrie als Grundlage für die gesamtgesellschaftliche Anstrengung beim Netzausbau angreifbar.
Wir GRÜNE wollen mit mehr Wettbewerb neue Anreize für den Netzausbau setzen! Schwarz-Gelb setzt beim Netzausbau weiterhin allein auf die Netzbetreiber und auf altbekannte Instrumente, die bereits in den vergangenen Jahren nicht gewirkt haben. So hat die dena bereits 2005 einen Netzausbaubedarf im Übertragungsnetz von 850 km bis 2015 festgestellt, inzwischen geht sie von einem zusätzlichen Neubaubedarf von ca. 1.500 - 3.600 km bis 2020 aus. Tatsächlich aber sind in den letzten Jahren weniger als 100 km neue Trassen entstanden.
Der Netzausbau wird nur gelingen, wenn der Staat über die notwendigen Instrumente verfügt, um notwendige Investitionsentscheidungen in die Netze zu veranlassen und durchzusetzen. Eine zukunftsfähige Netzpolitik setzt unserer Meinung nach deshalb bei der Kontrolle und den Besitzverhältnissen der Netze an.
Wir wollen
1. die Erstellung eines "Masterplans Stromnetze 2020plus", der als Bundesfachplan Stromnetze für den mittel- und langfristigen Ausbau fungiert. Er ist auf die möglichst schnelle Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien auszurichten und soll die Einbeziehung und Optimierung der bestehenden Infrastruktur inklusive des Bahnstromnetzes ebenso berücksichtigen wie die Bündelung neuer Trassen mit anderen Infrastrukturtrassen, z.B. entlang von Autobahnen oder den Ausbau und die Nutzung von Stromspeichern.
2. die Energieerzeugung und den Netzbetrieb in Deutschland auf der Höchstspannungsebene eigentumsrechtlich trennen und die Netze unter öffentliche Kontrolle bringen. Es ist sicherzustellen, dass die deutschen Netze langfristig in eine europäische Netzgesellschaft eingegliedert werden können.
3. die Netzbetreiber in die Pflicht nehmen. Die gesetzlichen Verpflichtungen der Netzbetreiber zur Behebung von Engpässen im Netz müssen in der Praxis durchgesetzt werden. Dazu muss die Bundesregierung den Willen haben, von den Sanktionsmöglichkeiten bei unterlassenem oder verzögertem Netzausbau Gebrauch zu machen.
4. neue Akteure für mehr Wettbewerb integrieren. Der Bund soll künftig dazu übergehen, den Bau neuer Trassen entweder selbst zu finanzieren oder alternativ ausschreiben und an denjenigen Wettbewerber mit dem besten Angebot zu vergeben.
5. einen nationalen und europäischen Ausgleichsmechanismus für die Kosten des Netzausbaus. Zum Teil fließt heute schon Strom auf Umwegen von Norddeutschland über ausländische Netze nach Süddeutschland. Hier wie auch für den innerdeutschen Netzausbau ist eine faire Kostenverteilung notwendig.
Freundliche Grüße
Nils Wiechmann