Frage an Nebahat Güçlü von Leila N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Es ist wieder mal Ostern, dh. wieder Mal ein christlicher Feiertag u. ich frage mich immer wieder dabei folgendes:
Wie kann es sein, dass ich in einem lazistischen Staat überwiegend religiöse Feiertage habe u. dazu auch noch ausschließlich christliche?!
Auch wenn es Staatsverträge mit den chrstlichen Kirchen gibt, ist das denn letztendlich überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar, insbes. seit dem Anti-Diskriminierungsgesetz? Kann es sein, dass ich in einem laziistischen Staat als Nicht-Christin "zwangsverfeiertagt" werde u. an einem Feiertag einer anderen Religion Urlaub nehmen muss/müsste bzw gleichfalls auch an (inter)nationalen politischen Gedenktagen für Aktionen zb Tag der Menschenrechte, Internationalen Frauentag, Reichskristallnachtgedenktag u.ä.
Für mich haut das nicht hin a) mit der Religion als "Privatsache" und b) mit der Gleichbehandlung
Wie ist die Position der Grünen dazu u. gibt es irgendwelche Anstrengung zu einer "Entprivilegisierung" des Christentums u. damit in Richtung Gleichbehandlung von allen Religionen u auch "Nicht-Religionen"?- sollte in einem weltlichen Staat wenigstens nicht ein paritätisches Verhätnis herrschen z. religiösen u. weltlichen Feiertagen
Danke schon jetzt für eine Antwort!
Herzlichen Dank für diese Anfrage, sehr geehrte Frau Neumann!
In der Tat, ich sehe hier auch ein Problem. Allerdings ist Deutschland nicht so laizistisch, wie Sie annehmen. Das Grundgesetz postuliert in Artikel 4 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung. Es gibt in Deutschland keine Staatskirche, also keine unmittelbare Verbindung zwischen staatlicher und kirchlicher Verwaltung und damit keine Kontrolle der Kirchen durch staatliche Organe - oder andersrum. Dennoch sind Staat und Kirche in Deutschland nicht so strikt getrennt wie z.B. in Frankreich. So ist etwa der schulische Religionsunterricht in den USA verboten, in Deutschland dagegen grundgesetzlich garantiert (Artikel 7). Zusätzlich werden z.B. die kirchlichen Mitgliedsbeiträge als sog. Kirchen"steuer" eingetrieben und die Bundesländern haben mit den Kirchen Staatsverträge abgeschlossen, die das gegenseitige Leistungsverhältnis regeln. Mit anderen Religionen gibt es das noch nicht, in Hamburg ist es in Arbeit.
Anläßlich der Anregung, den Internationalen Frauentag am 8.März zum Feiertag zu erklären, diskutieren wir derzeit intern über individuelle Feiertagskonten. Sie könnten eine Lösung für die von Ihnen benannte Problematik sein. Man könnte beispielsweise Neujahr und den Nationalfeiertag als allgemeine Feiertage beibehalten. Für HH zähle ich zusätzlich insgesamt 8 Feiertage, die nicht auf einen Sonntag fallen. Die Idee ist, dass alle Menschen selbst entscheiden können, an welchen Feiertagen, sie diese wahrnehmen wollen - zu Ostern, zu Weiberfastnacht, zum Ramadan, Frauentag etc. Nur ein politisch-kulturell-religiöser Feiertag sollte es sein. So ein Modell würde der Vielfalt in Hamburg gerechter werden. Wir haben es noch nicht zu Ende durchdacht und es liegt auf der Hand, mit welchen Widerständen möglicherweise von Kirchen, Arbeitgebern etc. zu rechnen ist.
Solche Veränderungen brauchen politische Mehrheiten. Von daher braucht es noch etwas Geduld, Diskussion und Werbung für so eine Regelung - es wäre schön, wenn Sie dann zu den UnterstützerInnen zählen würden oder vielleicht in Ihrem Umfeld bereits anfangen für so ein Verfahren zu werben.
Herzliche Grüße
Nebahat Güclü