Frage an Natja Denk von Jutta J. bezüglich Recht
Liebe Frau Denk,
was müsste Ihrer Ansicht nach getan werden, um Filz und Nepotismus in Berlin - der im Ergebnis nicht nur Vertrauen und Bürgersinn zerstört und ehrliches Wirtschaften lähmt, sondern u. a. auch für die Schulden unserer Stadt wesentlich mit verantwortlich ist (Bankgesellschaft) - endlich wirksamer zu bekämpfen?
Viele Grüße,
Jutta Jansen
Liebe Frau Jansen,
Kompliment, Sie nennen das Übel beim Namen! Ich danke für diese Steilvorlage und werde mir Mühe geben, nicht zu sehr auszuschweifen bei einem meiner "Lieblings"themen, das ich allerdings etwas anders nenne, nämlich - Mangel an Transparenz:
In der Tat ist der Mangel an Transparenz, mit der in dieser sonst so direkt und unverblümt auftretenden Stadt, vor allem ihrer Bürger, regiert wird, ein großes Problem. Intransparenz betrügt nicht nur den Bürger, sondern hat nachweislich Investoren und Gründer Berlin irritiert den Rücken kehren lassen. Ich habe das in vielen Gesprächen mit Akteuren der Wirtschaft geschildert bekommen. Dabei ist es nicht nur die Unkenntnis und das Desinteresse der handelnden Personen, das brüskiert, sondern auch das verblüffende Nebeneinander und Durcheinander von so genannten Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Antragsstellen, Vorschriften und Auflagen. Arroganz und Ignoranz sind dabei bloß die hässliche Front (die ja durch Wahlen leicht auszutauschen ist, gottseidank), aber Bürokratie und strukturelle Defizite sowie schlecht gemanagte Prozesse sind des Pudels Kern. Da müssen wir ran.
Wie also?
Liebe Frau Jansen,
ich mag es gern konkret - ich habe den Eindruck, Sie auch. Ein Beispiel, wie ein Maximum an Transparenz zu schaffen wäre, ist meine Idee eines jährlich vorzustellenden "Ansiedlungsberichtes". Hoch aufgehängt, ähnlich wie auf Bundesebene das Herbstgutachten der Wirtschaftsweisen z.B., wäre diese Bilanz öffentlich zu präsentieren und zu disputieren. Ideal wäre, wenn dieses Projekt an einen oder mehrere reputierliche Experten geknüpft wäre oder an einen Wirtschaftsverband, eine Unternehmensberatung o.ä.. Derart würde unvoreingenommen und kompetent genau hingeschaut, wo Bonus und Malus Berlins in den Augen von ansiedlungswilligen Unternehmen liegen. Sollte dies z.B. tatsächlich der von Ihnen diagnostizierte "Filz und Nepotismus" sein, wäre es Aufgabe, dies bis zum nächsten Bericht nachweislich abzustellen oder zumindest abzubauen. Wäre es anderes - ich lasse mich immer gern überraschen oder eines Besseren belehren - auch gut: Packen wir es an. Ich glaube unbedingt an solche Bilanzen - übrigens gibt die FDP im Abgeordnetenhaus eine solche auch heraus. Ich bin neben dieser Bilanz zudem ein großer Verfechter der Umwandlung von Antrags- in Anmeldeverfahren sowie von so genannten sternförmigen Verwaltungswegen und Antrags-Paten. Alle drei sind geeignet, Strukturen zu vereinfachen, Abläufe zu beschleunigen, Abhängigkeiten einzudämmen und das Wirtschaften besser kalkulierbar zu machen. Ersteres heißt schlicht, statt eine Genehmigung für ein bestimmtes Vorhaben beantragen und erwirken zu müssen, reicht zukünftig schlicht eine Anmeldung, auf die die Verwaltung je nach Art des Projektes in einem bestimmten Zeitraum zu reagieren hat. Zweiteres bedeutet, dass ein Anmeldender zukünftig nur noch einen Ansprechpartner haben soll, bei dem die Anmeldung zu tätigen ist. Von diesem gehen, wenn überhaupt notwendig, alle weiteren Verwaltungsvorgänge an andere betroffene Stellen (daher der Begriff "sternförmig") und werden von diesem auch koordiniert und überprüft. Derart werden Verwaltungswege hoffentlich erheblich verkürzt und für den Bürger vor allem eines: weniger Belastung. In der Wirtschaft würde das heißen: One face to the customer. Letztes - der Pate. Für wirklich große und komplizierte Fälle, sagen wir den Bau eines Forschungszentrums, sollte jedem Investoren ein Pate zur Seite gestellt werden, der den Weg in und durch die Berliner Politik und Verwaltung weist und als Vermittler zur Seite steht. Wo wir gerade bei den Beratern sind: Viel ist schon über die Wirtschaftsförderer Berlins geätzt worden. Zum Teil sicher zu Unrecht. Problem ist nicht deren Qualität, sondern Problem ist deren merkwürdige Konkurrenzsituation. Normalerweise sind wir Liberalen immer sehr für Konkurrenz, aber in diesem Fall, wäre zumindest Koordination oder schlicht Rationalisierung angebrachter gewesen. Da werkelten zu viele nebeneinander her. Auch das wäre ein Projekt, das nach dem 17.9. rasch anzugehen wäre.
Denn: Lassen wir uns von Rot/Rot nix vormachen - Berlins Wachstum, sein Wirtschaftswachstum (!) ist nicht am Ende der Fahnenstange. Investionen in diese Stadt können auch aus anderen Quellen als Filmfonds kommen. Und Kreativwirtschaft und Consultants brauchen Kunden auch vor Ort und nicht - wie heute - irgendwo anders in der Republik. Und Kreative und Berater sind auch sehr froh über große und beständige Etats statt nur von der Hand in den Mund, mit wenigen freien Mitarbeitern und Praktikanten und ständig drohender Insolvenz zu leben (wie die Mehrzahl der von Herrn Wowereit so gern zitierten Agenturen Berlins).
Und Biotechnologie und Umweltdienstleistungen sind eben nicht nur kleine Klitschen, sondern werden bald erwachsen und wollen was. Wollen was können.
Berlin kann mehr und es hat alle Chancen. Berlin kann Weltklasse sein, wenn es auch mit solcher Klasse regiert wird. Und aus Liebe.
Mit freundlichen Grüßen
Natja Denk