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Frage von Stefan K. •

Frage an Nadja Hirsch von Stefan K. bezüglich Verbraucherschutz

Was erhofft sich die FDP vom TTIP abokommen? Klagerecht gehen unseren Staat, aushebeln von allem was Verbraucher bisher durchgesetzt haben um evt. 160.000 Arbeitsplätze zu schaffen (was 0,49% entspricht) falls der Handel mit den USA tatsächlich um unrealistische 80% steigen würde. Dafür verraten Sie die Verbraucher/Wähler? Wenn das so gut für uns ist, warum werden die Verhandlungen dann nicht offen geführt? Warum wird immer wieder versucht uns das Handelsabkommen unter zu jubeln obwohl die Verbraucher/Bürger sich seit 1994 dagegen wehren? Was hat das Handelsabkommen zwischen USA und Südamerika den Ländern gebracht?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Klimek,

danke Ihnen für Ihr Schreiben vom 23.04.2014, in dem Sie insbesondere die Themen Klagerecht und Standards ansprechen. Diese sind ohne Zweifel von überragender Bedeutung für die Akzeptanz eines Freihandelsabkommens mit den USA.
Ich möchte Ihnen zuerst versichern, dass ich meine Hand nicht für TTIP heben werde, wenn Verbraucher- oder Umweltstandards gesenkt werden könnten. Ebenso spreche ich mich gegen ein Schiedsgericht aus. Kritisch sehe ich auch die Tatsache, dass das EP unter Umständen nur einen Rahmenbeschluss fassen soll, da damit anderen Gremien (ohne demokratischer Kontrolle) zuviel Einfluss gegeben werden würde.

Zunächst möchte ich Ihnen kurz darlegen, welche Chancen aus meiner Sicht ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA beinhalten würde, um danach auf die von Ihnen erwähnten Schattenseiten einzugehen.

Vorteile des Freihandelsabkommens
Grundsätzlich birgt das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA große Chancen für die Allgemeinheit. Von einem Abbau der Handelsbarrieren einschließlich Zöllen und Bürokratie könnten alle Handelspartner profitieren,. Ein Freihandelsabkommen könnte auch Vorteile für die Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks schaffen. Denn sie werden es einfacher haben, Waren und Dienstleistungen zu kaufen und zu verkaufen. Dazu kommt, dass eine Vertiefung des Handels mit den USA allen EU-Staaten die Chance auf ein erhöhtes Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen bescheren könnte.

Mögliche Investitionsklausel
Ein anderer Aspekt ist jedoch das in den Verhandlungen derzeit diskutierte Schiedsgerichtverfahren, welches von vielen Seiten kritisiert worden ist. Es wird befürchtet, dass dadurch Standards bzw. so genannte "Schutzniveaus" unter dem Vorwand des "Investitionsschutzes" unterlaufen werden könnten. Zudem würde sich das Schiedsgericht gewissermaßen über die Gesetzgebung der EU-Mitgliedstaaten erheben und Großkonzernen ermöglichen, sich gegen Regierungen durchzusetzen.
Persönlich sehe ich Investitionsschutzklauseln in diesem Fall kritisch, denn diese machen in Handelsabkommen nur dann Sinn, wenn dem Justizsystem des Landes, mit dem über ein Handelsabkommen verhandelt wird, nicht vertraut wird. Aufgrund der Rechtssicherheit von Investitionen sowohl in Europa als auch in den USA ist eine Investitionsschutzklausel daher m.E. nicht notwendig. Unabhängig von diesen Argumenten halte ich es für unwahrscheinlich, dass sich überhaupt alle europäischen Regierungen darauf einlassen würden.

Veränderung von Standards
In den Medien ist oft davon die Rede, dass etablierte deutsche und europäische (Verbraucher-)Schutzrechte durch das Freihandelsabkommen aufgehoben oder unterlaufen werden würden. Dies ist jedoch so nicht richtig, denn durch das Freihandelsabkommen werden EU-Rechtsvorschriften weder automatisch außer Kraft gesetzt noch aufgehoben oder geändert. Jede zur Liberalisierung des Handels an einer EU-Rechtsvorschrift vorgenommene Änderung muss im Rat von den Mitgliedstaaten sowie vom Europäischen Parlament gebilligt werden.
Zudem haben sich bereits mehrere europäische Regierungen geäußert, dass das in der EU bzw. in den Mitgliedstaaten erreichte Schutzniveau (z.B. in den Bereichen Investitionen, Sicherheit, Verbraucher- oder auch Umweltschutz) nicht zur Verhandlungssache wird.
Sowohl die EU als auch die USA streben ein hohes Maß an Schutz für die Bürger an, gehen dabei aber unterschiedlich vor. Dennoch sollen die jeweiligen Regelungen unterm Strich kompatibler werden. Dabei ist das Ziel nicht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Vielmehr geht es darum, unnötige Unterschiede zu ermitteln und ggf. auszuräumen, indem koordinierter vorgegangen wird. Dabei behält sich jede Seite das Recht vor, Umwelt-, Sicherheits- und Gesundheitsangelegenheiten so zu regeln, wie sie es für angebracht hält.

Transparenz
Gerade weil wir als FDP das Transatlantische Freihandelsabkommen grundsätzlich begrüßen, sehe ich den aktuellen Verlauf der Verhandlungen besonders kritisch. Es gibt inzwischen unzählige Gerüchte über negative Konsequenzen, welche nicht entkräftet werden können, da niemand Zugang zu den Textentwürfen hat. Deshalb kritisiere ich diese Art der geheimen Verhandlungsführung hinter verschlossenen Türen scharf. Im Jahr 2014 ist eine solche Vorgehensweise weder zeitgemäß noch akzeptabel. Wir haben bereits bei ACTA erlebt, dass eine solche Geheimhaltung einem Abkommen den Todesstoß versetzen kann. Deshalb fordere ich die Zugänglichmachung der Texte. Es muss Druck auf Brüssel und Washington ausgeübt werden, die Verhandlungen offen und transparent zu führen.

Bestehende Freihandelsabkommen in Amerika
Was das von Ihnen angesprochene Handelsabkommen zwischen den USA und Südamerika betrifft, so ist anzumerken, dass das FTAA (Free Trade Area of the Americas), welches das Ziel hat, eine ganzheitliche amerikanische Handelszone zu schaffen, bisher noch nicht verwirklicht worden ist.

Es gibt jedoch seit über 20 Jahren das NAFTA-Abkommen (North American Free Trade Agreement) zwischen Kanada, Mexiko und den USA. Ohne Zweifel kann man von diesem Abkommen vieles lernen, schon aufgrund der langen Zeitspanne seit Beginn des Abkommens. Die Bilanz muss man alles in allem als gemischt bezeichnen, da sich auf der einen Seite das Handelsvolumen auf dem Binnenmarkt seit Vertragsunterzeichnung auf über eine Billion Dollar (731 Milliarden Euro) jährlich verdreifacht hat. Auf der anderen Seite ist aber die Kluft zwischen Arm und Reich allgemein gestiegen. Auch hat das Abkommen offensichtlich nicht das Armutsproblem in Mexiko gelöst, welches jedoch nicht per se das Ziel dieses Abkommens war. Es ist jedoch wichtig, dass man sich der Tatsache bewusst ist, dass das NAFTA-Abkommen sich stark von dem der EU und der USA unterscheiden würde. Alleine die Tatsache, dass das NAFTA-Abkommen aus zwei Industriestaaten und einem Entwicklungsland besteht, macht dieses nur in Teilen vergleichbar mit einem Zusammenschluss von zwei hochentwickelten Regionen wie den USA und der EU.

Zuletzt möchte ich Sie noch auf einen anderen Aspekt hinweisen: Als medien- und netzpolitische Sprecherin der FDP erachte ich sowohl das Recht auf Privatsphäre der europäischen Bürger als auch das Recht von Unternehmen, ihre Patente zu schützen und keiner Wirtschaftsspionage ausgesetzt zu sein, als überaus wichtig. Wie die letzten Monate - vor allem mit Blick auf die NSA-Affäre - gezeigt haben, gibt es jedoch auf diesem Feld momentan viele Unstimmigkeiten in den Beziehungen mit den USA. Ein transatlantisches Freihandelsabkommen mit den USA macht meines Erachtens sowieso nur Sinn, wenn es gleichzeitig auch ein transatlantisches Datenschutzabkommen gibt.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen
und verbleibe
mit freundlichen Grüßen

Nadja Hirsch