Frage an Nadja Hirsch von Marcus K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Hirsch,
gemäß Medienberichten steht der Abschluss eines Freihandelsabkommens der Europäischen Union mit Kanada (Ceta) vor dem Abschluß. An Sie als gewählte Volksvertreterin folgende Fragen:
- Welche Personen (wenn möglich, namentlich genannt) sind/waren aufgrund welcher gesetzlichen Legitimation an den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Ceta beteiligt?
- Kennen Sie die aktuell diskutierte Version des Abkommens? Falls ja, von wann ist diese Version? Können Sie diese der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen?
- Welche Instanz entscheidet darüber, ob dieses Abkommen für Europa im Allgemeinen und für Deutschland Speziellen rechtlich verbindlich wird?
- Werden Sie als Volkvertreterin einem Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada zustimmen, das…
--- laxere Datenschutzvorschriften gelten als derzeit im BDSG geregelt sind?
--- Fracking erlaubt ist?
--- Gentechnik in Lebensmitteln erlaubt ist?
--- Gentechnik in medizinischen Verfahren erlaubt ist?
--- Investoren die Möglichkeit bekommen, Staaten vor geheim tagenden Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten durch demokratische Beschlüsse verletzt sehen?
... die Wasserversorgung privatisiert werden kann?
Mit freundlichen Grüßen und besten Dank im Voraus,
Sehr geehrter Herr Kaiser,
herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte:
1) Welche Personen (wenn möglich, namentlich genannt) sind/waren aufgrund welcher gesetzlichen Legitimation an den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Ceta beteiligt?
Von europäischer Seite aus werden die Entwürfe grundsätzlich verhandelt von der Generaldirektion Handel, die politisch dem Handelskommissar Karel De Gucht untersteht.
Die Mitarbeiter des Kommissars sind im Internet unter folgender Adresse zu finden:
http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/degucht/about/team/
Die gesetzliche Legitimation leitet sich aus den Europäischen Verträgen in der letzten Fassung von Lissabon ab.
Dieser ist hier online einsehbar:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=OJ:C:2010:083:TOC
der Vertrag von Lissabon ist am 25.09.2009 von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden
http://www.consilium.europa.eu/policies/agreements/search-the-agreements-database?lang=en&command=details&id=297&lang=en&aid=2007133&doclang=en
Am 24.04.2008 hatte der Bundestag dem Vertrag von Lissabon mit Zweidrittel-Mehrheit zugestimmt.
Im Vertrag von Lissabon ist bestimmt, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine gemeinsame Handelspolitik betreiben.
Artikel 21 des Vertrages sieht als eines der Vertragsziele den Abbau von Handelshemmnissen vor.
Art. 207 über die Arbeitsweise der Europäischen Union erklärt das Verfahren für Handelsabkommen. Hierin ist festgelegt, dass letztendlich der Rat, also die Zusammenkunft aller Staats- und Regierungs-Chefs der Mitgliedländer der Europäischen Union. in letzter Instanz über das Handelsabkommen abstimmen. Das Parlament muss angehört werden und wird regelmäßig unterrichtet, zustimmen müssen bei Handelsabkommen aber in letzter Instanz die Mitgliedsstaaten.
2) Kennen Sie die aktuell diskutierte Version des Abkommens? Falls ja, von wann ist diese Version? Können Sie diese der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen?
Das Verfahren über die Miteinbeziehung des Europäischen Parlaments ist im folgenden PDF beschrieben:
http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/june/tradoc_149616.pdf
Am 18. Oktober 2013 haben die EU und Kanada einen politischen Rahmenbeschluss über ein mögliches Handelsabkommen geschlossen, nun laufen die Detailverhandlungen. Erst im Anschluss wird das Europäische Parlament miteinbezogen und um Abstimmung gebeten.
http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/canada/
Das Europäische Parlament hat dennoch am 10.12.2013 eine Resolution beschlossen, in der das Parlament die Kommission schon einmal vorab über seine Ansichten informiert hat:
http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?reference=2013/2133(INI)&l=en
Einen offiziellen Text hat das Europäische Parlament noch nicht bekommen, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht Teil des Abstimmungsprozesses ist.
Im Netz kursieren jedoch bekannt gewordene Entwürfe, die von November 2013 datieren:
http://www.tradejustice.ca/leakeddocs/
3) Welche Instanz entscheidet darüber, ob dieses Abkommen für Europa im Allgemeinen und für Deutschland Speziellen rechtlich verbindlich wird?
Wie oben unter Frage 1 bereits beschrieben ist dies bei Handelsabkommen in letzter Instanz der Rat, in dem Deutschland durch die Bundesregierung vertreten wird.
4) Werden Sie als Volkvertreterin einem Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada zustimmen, das...
a) laxere Datenschutzvorschriften gelten als derzeit im BDSG geregelt sind?
Nein, meine politische Arbeit im Bereich Datenschutz ist hier einsehbar:
http://www.europahirsch.eu/?s=Datenschutz
b) Fracking erlaubt ist?
Ich persönliche sehe Fracking eher kritisch. Allerdings muss meiner Meinung nach auch diese Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Dazu gehören, eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit vor Ort, sowie eine genaue Umweltverträglichkeitsprüfung, speziell hinsichtlich des Grundwassers.
c) Gentechnik in Lebensmitteln erlaubt ist?
Einem Handelsabkommen, das im Bereich Gentechnik über den derzeitigen status quo in der Europäischen Union hinausgeht, werde ich nicht zustimmen.
d) Gentechnik in medizinischen Verfahren erlaubt ist?
In einigen medizinischen Bereichen wird Gentechnik angewendet. Beispielsweise wird Insulin durch gentechnisch veränderte Bakterien hergestellt.
Eine Liste über derzeit in Deutschland zugelassene gentechnische Arzneimittel ist hier einsehbar:
http://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html
Medizinische Forschung im Bereich der weissen Gentechnik hat und wird Leben retten, heilen und Beschwerden lindern. Patienten eine breite Palette an Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen darf nicht durch ideologische Grundsätze eingeschränkt werden. Ob Behandlungen, die auf Gentechnik basieren eingesetzt werden sollen, müssen Patienten, Eltern und Ärzte selbst entscheiden dürfen.
e) Investoren die Möglichkeit bekommen, Staaten vor geheim tagenden Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten durch demokratische Beschlüsse verletzt sehen?
Investitionsschutzklauseln machen in Handelsabkommen dann Sinn, wenn dem Justizsystem des Landes, mit dem über ein Handelsabkommen verhandelt wird, nicht vertraut wird.
Aufgrund der Rechtssicherheit von Investitionen sowohl in Europa als auch in Kanada ist eine Investitionsschutzklausel daher m.E. nicht notwendig.
f) die Wasserversorgung privatisiert werden kann?
Zur Frage der Wasserprivatisierung habe ich mich auf Abgeordnetenwatch bereits geäußert:
http://www.abgeordnetenwatch.de/nadja_hirsch-901-22771--f369078.html#q369078
Die Sorgen um eine eventuelle Zwangsprivatisierung der kommunalen Wasserversorgung nehme ich ernst und werde sie auch bei Ceta genau verfolgen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen
Nadja Hirsch