Frage an Nadja Hirsch von Stefan G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Frau Hirsch,
auch wenn die ersten Enthüllungen des NSA-Skandals bereits nahezu ein Jahr zurückliegen, kommen immernoch beinahe wöchentlich neue Enthüllungen zu Tage.
Bisher habe ich von politischer Seite eher Worte, und weniger Taten mitbekommen.
Insbesondere weil ich mich in vielen Punkten mit Ihrem Wahlverhalten sowie der generellen Einstellung der FDP identifizieren kann, bitte ich Sie mir einige Fragen zu beantworten, wie Sie bzw. Ihre Fraktion zu dem Thema steht.
Was unternimmt die EU um solch eine massenhafte Überwachung der Bevölkerung zukünftig zu vermeiden?
Einerseits von anderen Ländern, wie den USA, als auch von Geheimdiensten aus EU Ländern selber.
Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang Pläne, wie z.B. die Einführung einer Voratsdatenspeicherung, die ein enormes überwachungsmäßiges Missbrauchspotential bieten?
Was ist Ihre Meinung/die der FDP zu einer Fortführung der Verhandlungen über das TTIP, gerade auch unter dem Aspekt, dass die Möglichkeit besteht, dass die Vereinigten Staaten durch das Abhören von EU Einrichtungen einen Informationsvorteil haben der die Verhandlungen zu ungunsten der EU ausgehen lassen kann?
Im Voraus schonmal vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Geier
Sehr geehrter Herr Geier,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage, welche ich gerne beantworte.
1. Was unternimmt die EU um solch eine massenhafte Überwachung der Bevölkerung zukünftig zu vermeiden? Einerseits von anderen Ländern, wie den USA, als auch von Geheimdiensten aus EU Ländern selber.
Ich teile Ihre Sorgen in Bezug auf die Enthüllungen über die massive Ausspähung elektronischer Daten europäischer Bürgerinnen und Bürger durch die USA. Ihr Recht auf Privatsphäre ist ein Grundrecht das weder eingeschränkt noch in Frage gestellt werden darf. Die Totalüberwachung, die von den USA ausgeht, ist wider meine liberale Wertehaltung und somit für mich inakzeptabel. Es ist nun die Pflicht sowohl der europäischen Regierungschefs als auch der EU als Gemeinschaft, die Rechte seiner 500 Millionen Bürger so gut es geht zu schützen.
Das Europäische Parlament ist hier mit gutem Beispiel vorangegangen und hat sich als einziges Parlament der Europäischen Union intensiv mit der NSA-Affäre auseinandergesetzt und im Rahmen eines Unterausschusses die Aufklärung vorangetrieben. Diese Untersuchungen wurden im Rahmen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) organisiert. Eine ganze Reihe von politischen Vertretern, Fachexperten und anderen beteiligten Personen und Organisationen hatten in diesem Rahmen die Möglichkeit, Stellung zu beziehen. Durch diese Debatte wurde deutlich, dass die massenhafte Überwachung der Bevölkerung ein tiefgreifendes Problem für die Wirtschaft und Gesellschaft darstellt. Die technischen Möglichkeiten für eine Totalüberwachung scheinen schon beinahe nicht mehr zu zügeln zu sein. Dies bedeutet jedoch in keiner Weise, dass man die Flinte ins Korn werfen sollte.
In seinem Abschlussbericht, der in der Zwischenzeit vom Plenum verabschiedet wurde, verurteilen die Abgeordneten die massive Bespitzelung europäischer Bürger durch den amerikanischen Geheimdienst. Betroffene Mitgliedstaaten haben - wenn überhaupt - viel zu uneinheitlich auf das Abhören ihrer Bürger reagiert. Die EU muss hier aber mit einer Stimme sprechen und Zähne zeigen. Sonst sind wir nicht glaubwürdig: Wir fordern daher, sowohl das Safe-Harbour- als auch das SWIFT-Abkommen bis auf weiteres auszusetzen. Als ´sicheren Hafen´ unserer Daten kann man die kommerzielle Datenverarbeitung von Google & Co. wohl kaum bezeichnen, wenn diese von der NSA ohne weiteres eingesehen werden können. Was Banktransfers angeht, sieht es nicht besser aus. Das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA knüpfen wir an klare Bedingungen, was den Schutz der Privatsphäre unserer Bürger und den Schutz unserer Unternehmen vor Wirtschafsspionage angeht. Zudem haben die Liberalen das Fluggastdatenabkommen in Frage gestellt, hatten aber gegenüber Konservativen und Sozialdemokraten keine Mehrheit.
2. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang Pläne, wie z.B. die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung, die ein enormes überwachungsmäßiges Missbrauchspotential bieten?
Bei der sogenannten Vorratsdatenspeicherung handelt es sich um eine anlasslose Speicherung und Ansammlung von Daten von Millionen von Menschen, welche im Namen der Sicherheit alle über einen Kamm geschert werden. Wir Liberale haben uns seit jeher gegen einen ungezügelten Eingriff in das Privatleben der Bürger gestemmt. Diesen Kurs unterstütze ich voll und ganz. Deshalb habe ich mich auch vehement gegen eine Ausweitung der EU Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gewandt, bzw. befürworte eine Abschaffung mit dem Argument, dass eine europaweite Vorratsdatenspeicherung nicht mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist.
3. Was ist Ihre Meinung/die der FDP zu einer Fortführung der Verhandlungen über das TTIP, gerade auch unter dem Aspekt, dass die Möglichkeit besteht, dass die Vereinigten Staaten durch das Abhören von EU Einrichtungen einen Informationsvorteil haben der die Verhandlungen zu ungunsten der EU ausgehen lassen kann?
Allgemein halte ich das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA für eine große Chance. Denn es geht bei weitem nicht nur darum, amerikanischen Investoren in der EU den Grund zu bereiten. Viele Europäer investieren in den USA. Ein weiteres Ziel der Verhandlungen ist es, Handelshemmnisse abzubauen. Davon profitieren nicht zuletzt die Bürger beider Seiten, denn sie werden es einfacher haben, Waren und Dienstleistungen zu kaufen und zu verkaufen wodurch neue Arbeitsplätze entstehen werden. Allerdings darf die EU nicht unbedacht an die Verhandlungen gehen.
Wie Sie bereits vollkommen richtig anklingen lassen, gehört zum Schutz europäischer Interessen jedoch auch, dass Daten und Privatsphäre unserer Bürger geschützt werden - und hier liegt vieles im Argen. Daher fordern wir Liberale, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen an Fragen des Datenschutzes und des Schutzes von Bürgerrechten zu koppeln.
Zum einen darf es nicht sein, dass Bürger sich die Inanspruchnahme von Diensten in den USA mit der Aufgabe ihres Rechts auf Privatsphäre und ihrer Datenhoheit erkaufen müssen. Dieser Preis ist zu hoch! Zum anderen müssen sich europäische Unternehmen, die in den USA investieren oder aktiv sind, vor Wirtschaftsspionage, einschließlich Patente etc. sicher sein können. Nicht zu Unrecht fürchten einige von ihnen, Opfer von Wirtschaftsspionage zu werden. Ein transatlantisches Freihandelsabkommen ohne ein transatlantisches Datenschutzabkommen macht keinen Sinn.
Ich hoffe ich konnte Ihre Frage aufgrund meiner Aufführungen beantworten und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Nadja Hirsch