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Frage von Hasko H. •

Frage an Nadja Hirsch von Hasko H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Frau Hirsch

ich wende mich an Sie als Abgeordnete meines Wahlkreises und insbesondere als Mitglied des Ausschusses for Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres.

Ihnen wird nicht entgangen sein, dass die Entscheidung des EU-Parlaments zu den so genannten Internetsperren auf gemischtes Echo gestoßen ist. Einerseits wurden gewisse Beschränkungen der "Three Strikes"-Regel sehr wohl wahrgenommen und begrüßt, andererseits scheint es nach wie vor so zu sein, dass ein Dritter allein durch bloße Unterstellung einer Copyright-Verletzung eine Internetsperre veranlassen kann.

Es ist kein Geheimnis, dass diese "Dritten" vor allem Vertreter der Medienindustrie sind, zumindest soweit es sich überhaupt um legitime Interessenvertreter und nicht um Trittbrettfahrer handelt. Der Medienindustrie werden hier Mittel in die Hand gegeben, ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, die andere Industrien nicht zur Verfügung haben. Man stelle sich vor, ein Automobilhersteller könnte das Zündschloss Ihres Wagens austauschen, weil er unterstellt, Sie ließen zu oft andere in Ihrem Auto mitfahren! Das geht selbstverständlich nicht. Selbstverständlich? Die verbreitete Befürchtung ist, dass für den Internet-Zugang in Zukunft solche Regeln gelten sollen.

Meines Erachtens stellen solche Perspektiven die bürgerlichen Freiheiten in Frage, zumal das Internet mittlerweile einen hohen Stellenwert in der Ausübung bürgerlicher Rechte einnimmt. Nehmen Sie diese Plattform zum Beispiel. Darf mir (oder Ihnen!) der Zugang dazu ohne richterlichen Beschluss entzogen werden? Betrifft dies nicht Fragen der Grundrechte nach politischer Betätigung?

Gerne würde ich Ihre Meinung zu diesen Punkten erfahren.

Mit freundlichen Grüßen
Hasko Heinecke

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Heinecke,

vielen Dank für Ihre Frage und die gut gewählte Analogie. Die FDP im EP ist Ihrer Ansicht, was das Thema Netzsperren angeht, da urheberrechtliche Verstöße von Gerichten geahndet werden müssen und nicht im Wege digitaler Selbstjustiz verfolgt werden dürfen. Das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft umfasst auch das Recht auf Teilhabe an der Informationsgesellschaft In der Rahmenrichtlinie des sog. Telekompakets wurde nach langen Verhandlungen der untenstehende Text verankert, der willkürliche Netzsperrungen auf europäischer Ebene unterbindet. Die FDP im Europäischen Parlament hat während der gesamten Verhandlungen dieses Gesetzesvorhabens gegen die willkürliche Netzsperrung auf europäischer Ebene gekämpft. Ebenso hat sich die Bundesregierung im FDP/CDU/CSU Koalitionsvertrag 2009 gegen Internetsperren ausgesprochen. Damit kann es nicht (wie z.B. in Frankreich) dazu kommen, dass Internet-Nutzern nach dreimaligem illegalen Download von urheberrechtlich geschütztem Material der Zugang zum World Wide Web auch ohne Gerichtsbeschluss gesperrt werden kann.

Derzeit kursieren Gerüchte, dass über ein internationales Handelsabkommen genau diese "Three-Strikes-Out" Methode durch die Hintertür in Europa eingeführt werde könnte. Da die Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden, fordert die FDP im europäischen Parlament die volle Beteiligung des EP und damit komplette Transparenz des Geheimabkommens. Die Verhandlungen hierzu sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Rahmenrichtlinie zur elektronischen Kommunikation:
"Artikel 1 Absatz 1 b:(3a)
Maßnahmen der Mitgliedstaaten betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen über elektronische Kommunikationsnetze durch die Endnutzer wahren die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts verankerten Grundrechte und -freiheiten natürlicher Personen.
Alle diese Maßnahmen betreffend den Zugang zu oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen über elektronische Kommunikationsnetze durch die Endnutzer, die diese Grundrechte und -freiheiten einschränken können, dürfen nur dann auferlegt werden, wenn sie im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft angemessen, verhältnismäßig und notwendig sind, und ihre Anwendung ist angemessenen Verfahrensgarantien im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu unterwerfen, einschließlich des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren. Dementsprechend dürfen diese Maßnahmen nur unter gebührender Beachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Schutz der Privatsphäre ergriffen werden. Ein vorheriges, faires und unparteiisches Verfahren, einschließlich des Rechts der betroffenen Person(en) auf Anhörung, wird gewährleistet, unbeschadet des Umstandes, dass in gebührend begründeten Dringlichkeitsfällen geeignete Bedingungen und Verfahrensvorkehrungen im Einklang mit der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten notwendig sind. Das Recht auf eine effektive und rechtzeitige gerichtliche Prüfung wird gewährleistet."
Hier ist die gesamte Richtlinie, wie im Amtsblatt veröffentlicht:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:337:0037:0069:DE:PDF