Frage an Monika Lazar von Christian E. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Werte Frau Lazar,
ich möchte Ihnen für ihre bisherige Arbeit und die prompten inhaltlichen Antworten hier in diesem Forum meinen Respekt aussprechen.
Meine Frage bezieht sich auf das selektierende(Sonder)Schulsystem, das ja in Deutschland und v.a. Sachsen in besonders ausgeprägter Form mit starker Gliederung und sehr hoher Sonderschulquote zu ertragen ist.
Nun ist aus den internationalen Bildungsvergleichen, Forschungsergebnissen etc. mittlerweile eindeutig, dass Integrative / Inklusive Bildung ein Menschenrecht und eine Lernförderung für alle Lernenden mit und ohne Behinderungen darstellt. Dies wurde durch die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 eindeutig festgelegt. Das Antidiskriminierungsgesetz oder letzte Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgericht Leipzig 26.10.2007) bezüglich der Kosten bei
Beschulung unterstreichen dies weiter.
Nicht nur die Antwort der Bundesregierung auf die "Kleine Anfragen zur Situation Lernender mit Behinderungen" zeigt, in welchem Maße dieses Menschenrecht in Deutschland verletzt wird. Lediglich 14 Prozent der Lernenden mit Behinderungen gehen in die Regelschule. In Sachsen sind dies noch weniger (vgl. Statistik der Kultusministerkonferenz), eine zieldifferente Integration in der Sekundarstufe wird gar ausgeschlossen (vgl. Schulintegrationsverordnung).
Aus meiner Sicht müssen wir das System der Sonderschulen überwinden; und zwar konsequent. Von einer solchen konsequenten Veränderung ist bislang wenig bis nichts spürbar.
Wie positionieren Sie und ihre Fraktion sich in dieser Frage?
Welche konkreten Initiativen existieren bundesweit und in Leipzig für ein längeres gemeinsames Lernen, für das wirkliche Ermöglichen integrativer Bildung für alle Kinder ?
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen,
Christian Eichfeld
Sehr geehrter Herr Eichfeld,
danke für Ihr Lob, allerdings sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir Abgeordneten die Anfragen aus der Bevölkerung so gut es geht zügig und sorgfältig beantworten. Das halte ich für eine Frage des Respekts, auf den die Menschen im Land einen Anspruch haben.
Ihre Frage spricht etwas an, das ich für äußerst wichtig halte: die gerechten Teilhabe-Möglichkeiten in Deutschland. Ich bin der Ansicht, dass ein stark selektierendes Schulsystem ausgrenzt und zur ungleichen Chancenverteilung beiträgt. Von integrativer Bildung sollten alle Kinder und Jugendlichen profitieren. Die Frage, ob sie unter Behinderungen leiden oder nicht, darf dabei keine Rolle spielen. Ich stimme Ihnen zu, dass viel zu wenig Lernende mit Behinderung eine Regelschule besuchen. Gemeinsamer Unterricht muss die Regel werden, derzeit ist er stattdessen eher die Ausnahme.
Wir brauchen eine Vielfalt von Unterrichtsmethoden und individualisierten Lernangeboten. Dann könnten auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder, ihre speziellen Fähigkeiten oder ihr Lerntempo im Einzelfall berücksichtigt werden. Das bedeutet unter anderem, dass sonderpädagogisch ausgebildete Lehrkräfte zum Team der Regelschulen gehören sollten. Bislang trifft man sie nur an Förderschulen an, was eine Trennung nur zementiert.
Würden Kinder mit ganz verschiedenen Kompetenzen zusammen unterrichtet, könnten sie von früh an Werte wie Toleranz, Verständnis und Hilfsbereitschaft ganz konkret erleben und erlernen. Dies braucht unsere Gesellschaft, besonders vor dem Hintergrund steigender Intoleranz, der Abwertung Schwächerer und rechtsextremer Tendenzen. Außerdem wäre es längerfristig finanziell vorteilhaft, Sonder- und Regelschulsystem zusammenzuführen.
Erfreulicherweise engagiert sich auch meine Partei, Bündnis 90/Die Grünen, für dieses wichtige Thema. Auf unserer jüngsten Bundesdelegiertenkonferenz im November 2007, an der ich teilnahm, fassten wir einen Beschluss hierzu. Dort sind unsere politischen Forderungen im Detail dargelegt. Sie können den Beschluss unter folgendem link abrufen:
http://www.gruene.de/cms/partei/dokbin/207/207476.gemeinsamer_unterricht_von_behinderten_u.pdf
Bezüglich der Umsetzung muss ich darauf hinweisen, dass der Bund beim Thema Bildung keine Zuständigkeit besitzt. Für die schulische Bildung sind die einzelen Länder zuständig. Der Bundestag kann nur Empfehlungen aussprechen und politischen Druck auf die Länderebene aufbauen. Ich halte es deshalb für unbedingt sinnvoll, wenn Sie Ihre Fragen nach konkreten Strategien zum Ausbau integrativer Bildung in Sachsen an die Abgeordneten im Sächsischen Landtag richten. Viele Bürgerinnen und Bürger sollten die zuständige Landesebene konsequent und fortlaufend auf einen Verbesserungsbedarf hinweisen. Dadurch werden sich diese Behörden ihrer hohen Verantwortung stärker bewusst und können das Problem nicht länger ignorieren. Ohne das Engagement und die finanzielle Unterstützung der Landesebene können gute Ideen zur Bildung nicht verwirklicht werden
Mit freundlichen Grüßen
Monika Lazar