Frage an Monika Lazar von Angelika H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Lazar,
aus Ihren Antworten entnehme ich, dass Sie trotz aller Bedenken den geplanten ESM und damit eine dauerhafte und unbegrenzte Zahlung Deutschlands an EU-insolvente Länder unterzeichnen werden. Meine Fragen: 1. Sie fordern in dem Zusammenhang mit dem ESM einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wissen sie nicht, dass es im Rahmen der EU Struktur-und Kohäsionsfonds schon seit Jahren/seit Anbeginn gibt? und 2. Die Schuldenpolitik Griechenlands und Spaniens haben die Menschen auf die Straße getrieben und wir beobachten sehr brutale Ausschreitungen. Haben Sie nicht auch Angst, dass es in Deutschland durch hohe Staatsverschuldung und den damit üblichen Sparmaßnahmen im sozialen Bereich zu ebenso gewaltbereiten sozialen Unruhen und zu Zunahmen im Rechts-und Linksextremismus kommen wird?
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Hörner
Sehr geehrte Frau Hörner,
schön, wieder einmal von Ihnen zu hören! Das Thema Euro und Verschuldung ist sehr komplex. Es gibt hier leider keine einfache Lösung. Ihre kritischen Nachfragen sind insofern für mich völlig nachvollziehbar. Sie fragen, ob ich Angst habe vor Unruhen im Land. Ich würde sagen: Befürchtungen und Zukunftsängste in der Bevölkerung nehme ich durchaus wahr, glaube aber nicht, dass diese zu bundesweiten gewaltsamen Ausschreitungen führen werden. Trotz aller Schwierigkeiten haben wir einen stabilen Sozialstaat, in dem niemand durch finanzielle Not um sein Leben fürchten muss. Es gibt Nahrung und Obdach für alle, die sich an die Behörden um Hilfe wenden. Ob mit den Mitteln für Arme allerdings eine vollwertige soziale Teilhabe möglich ist, steht auf einem anderen Blatt - diese Frage muss ich verneinen. Ich setze mich daher auch entschieden für eine Reform von Hartz IV ein und plädiere für menschenwürdige Regelungen, z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Die hohe Staatsverschuldung ist überall in Europa ein Problem. Ehrlich gesagt, sehe ich dafür in absehbarer Zeit keine befriedigende Lösungsstrategie. Gespart wird an der völlig falschen Stelle - im sozialen Bereich, anstatt z.B. Rüstungsausgaben und veraltete Subventionen abzubauen. Bei den momentanen Mehrheitsverhältnissen im Bund fließen auch die Investitionen nicht in die richtigen Bereiche. Wir brauchen mehr Mittel für Bildung, ökologische Arbeitsplätze und ein Gesundheitswesen, das keine Zwei-Klassen-Medizin befördert. Eine schwarz-gelbe Bundeshaushaltsführung, die nur den Mangel verwaltet, statt Zukunft zu gestalten, muss scheitern. Das macht mir in der Tat Sorgen.
Dass Protestbewegungen unter den Unsicherheiten zunehmen, sehen wir eindrücklich am momentanen Erfolg der Piratenpartei. Sie prangern vieles an und geben damit den Menschen eine Stimme, die einfach frustriert sind. Wofür die Piraten stehen, habe ich allerdings noch nicht herausgefunden. Und das ist ein Problem, mit dem die Politik heute häufig zu kämpfen hat: Gegen die finanzielle Solidarität im Euroraum, gegen mehr Schulden, gegen Sozialkürzungen zu sein, genügt nicht.
Wir müssen Wege jenseits einer generellen Nein-Haltung finden, denn unsere Gesellschaft braucht mutige Lösungen. Deshalb frage ich bei der Eurokrise immer: Wohin führt es, wenn wir andere Euroländer im Stich lassen und uns abschotten? Meine Antwort lautet: Deutschland hat viel zu verlieren, wenn andere Euroländer Bankrott gehen. Denn unsere Wirtschaft basiert auf Export, wir haben von der gemeinsamen Währung und dem gemeinsamen Binnenmarkt bislang stark profitiert. In der Einrichtung des dauerhaften Rettungsschirms ESM sehen wir Grüne deshalb einen zentralen Baustein für die dauerhafte Stabilisierung der Euro-Zone. Ein Fass ohne Boden wird der ESM nicht, weil die Summe der deutschen Gewährleistungen klar begrenzt ist. Über diese Summe entscheidet der Deutsche Bundestag und sie kann nicht überschritten werden. Außerdem brauchen wir einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt mit klaren Regeln zur Vermeidung von übermäßiger Verschuldung, eine Wirtschafts- und Solidarunion, die Fehlentwicklungen in einzelnen Staaten und somit wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Euro-Staaten frühzeitig erkennt sowie eine Kultur finanzpolitischer Verantwortung. Mehr dazu können Sie hier nachlesen: http://www.gruene-bundestag.de/themen/euro.html
Viele Grüße
Monika Lazar