Frage an Monika Lazar von Jörg B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lazar
Mich würde interessieren, welche Haltung sie und/oder die Grünen zum Thema Pressefreiheit/Wikileaks einnehmen. Ich finde es sehr desillusionierend, mit welchen Methoden derzeit gegen diese Plattform vorgegangen wird.
Sind die Grünen in diesem Fall für Leute wählbar, die das Internet als Raum ansehen, wo man frei seine Meinung äußern kann und wo Pressefreiheit nicht bloß ein nettes Etikett ist?
Ich habe gelesen, dass Cem Özdemir die jüngsten Veröffentlichungen über die Botschaftsdepeschen durch Wikileaks verurteilt hat. Ich weiß allerdings nicht, ob er damit die Mehrheit der Grünen repräsentiert.
Meine Frage also allgemein: Wie ist der Stand der Diskussion über Wikileaks/Pressefreiheit bei den Grünen und welchen Standpunkt nehmen sie dazu ein?
mit freundlichen Grüßen
Jörg Broy
Sehr geehrter Herr Broy,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Haltung der Grünen in Bezug auf Wikileaks.
Der Schutz bürgerlicher Freiheiten und die Transparenz staatlichen Handelns sind "urgrüne" Anliegen, die wir seit unserer Gründung vertreten. Insofern sind Presse- und Informationsfreiheit im digitalen Zeitalter selbstverständlich Ziele, denen wir uns verpflichtet fühlen.
Die Äußerungen von Cem Özdemir zu dieser Problematik repräsentieren nicht die Mehrheitsmeinung innerhalb unserer Partei, sondern belegen vielmehr die offene Diskussionskultur, die wir traditionell pflegen. Es ist aus meiner Sicht nicht verwerflich, Debatten auch öffentlich zu führen und BürgerInnen an Meinungsbildungsprozessen teilhaben zu lassen.
Unsere Co-Vorsitzende Claudia Roth hat betont, dass Demokratie Transparenz ertragen müsse. Insbesondere völker- und menschenrechtswidriges Verhalten dürfe nicht unter den Teppich gekehrt werden. Wichtig sei allerdings, dass der Schutz von Informanten und vor allem persönlicher Daten gewährleistet wird.
Journalistisch-ethische Grundsätze sollten selbstverständlich auch für Wikileaks gelten. Wie ein wirksamer Quellenschutz aussehen muss, wird derzeit intensiv innerhalb der grünen Partei und der Bundestagsfraktion diskutiert. An Daten von Privatpersonen wie z.B. Krankenakten besteht jedenfalls kein öffentliches Interesse. Insofern muss auch die seit Jahren grassierende Datensammelwut eingegrenzt werden - dass wir Datensparsamkeit und wirksamen Datenschutz brauchen, ist eine Lehre aus den aktuellen Wikileaks-Veröffentlichungen.
"Transparenz ist das Lebenselixier der Demokratie", stellte Claudia Roth fest. Ich persönlich schließe mich dieser Meinung an. Wie wir künftig mit der zunehmenden Datenflut umgehen und welche Spielregeln im Netz gelten, wird uns sicher weiter beschäftigen.
Viele Grüße
Monika Lazar