Frage an Monika Lazar von Gerhard R. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Lazar,
es geht um Anträge auf Befreiung von der Teilnahmepflicht am Unterricht mit der Bundeswehr.
Unter http://www.abgeordnetenwatch.de/agnes_alpers-575-37448--f269291.html#q269291 geht Frau Alpers davon aus, daß Schulleitungen unterschiedlich entscheiden können.
Ist das auch Ihre Auffassung?
Für dieses Problem gelten die Grundgesetzartikel 6(Erziehungsrecht der Eltern) und 7(staatlicher Erziehungsauftrag der Schule).
Das Grundgesetz gilt bekanntlich bundesweit. Ist damit vereinbar, daß beispielsweise in 1 Ort Schulen die Verfassung unterschiedlich anwenden?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
danke für Ihre Frage zu Bundeswehrveranstaltungen an Schulen. Grundsätzlich ist die Gestaltung der Schullehrinhalte Ländersache. Allerdings haben die Auftritte der Bundeswehr an Schulen auch im Bundestag für Diskussionen gesorgt, zumal etliche Beschwerden von Eltern eingegangen sind.
Zunächst eine persönliche Bemerkung: Ich stamme aus der ehemaligen DDR und habe höchst unschöne Erinnerungen an den meinen Wehrkundeunterricht, der damals als "staatsbürgerliche Pflicht" galt. Zwar lassen sich die damalige NVA und die Bundeswehr nicht gleichsetzen. Dennoch bin ich sehr skeptisch, was Werbeveranstaltungen für die Bundeswehr an Schulen betrifft. Ich würde mir wünschen, dass Kinder dieser Werbung nicht in einem so offiziellen Rahmen ausgesetzt werden. Andererseits glaube ich aber, dass man den Schülerinnen und Schülern durchaus die Fähigkeit zum kritischen Hinterfragen zutrauen kann, so dass ein Kontakt zur Bundeswehr nicht automatisch zur Übernahme militärfreundlicher Haltungen führt.
Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen lehnt Besuche von Bundeswehroffizieren an Schulen nicht generell ab, ist aber gegen Rekrutierungsveranstaltungen an Schulen.
Für Besuche der Bundeswehr an Schulen müssen aber bestimmte Rahmenbedingungen gelten:
Es darf keine einseitigen Veranstaltungen geben, Akteure aus dem Zivildienstbereich und/oder der Friedensbewegung müssen ebenso in den Unterricht geladen werden, am besten in der gleichen Veranstaltung. So würden die Schülerinnen und Schüler ein Podium der Meinungsvielfalt erleben und sich zwischen Alternativen entscheiden können. Ziel der Veranstaltung muss der kritische Diskurs sein. Ein Eventcharakter ist abzulehnen. Auch dürfen Schüler nicht in Kontakt mit Waffen gebracht werden.
Die Veranstaltung sollte in Unterrichtseinheiten zu Konfliktentwicklung und Konfliktlösung eingebettet sein. Es sollte eine Altersuntergrenze geben (nicht mit Sek. I oder jünger).
Im Falle von Kooperationsverträgen der Landesregierungen mit der Bundeswehr sollte das Land ein sorgfältiges Monitoring durchführen und sich nicht hinter der Autonomie der Schulen verstecken.
Außerdem empfehle ich, dass Eltern mit Bedenken sich nach einer Bundeswehrveranstaltung mit ihren Kindern offen austauschen und eigene kritische Sichtweisen einbringen. Vielleicht können Eltern auch an der Schule als Zuschauer im Unterricht hospitieren, um sich ein besseres Bild davon zu machen, was die Bundeswehr dort tatsächlich vermittelt.
Eine abgeschlossene Meinungsbildung zur Frage, ob Eltern ihre Kinder vom Unterricht befreien dürfen, steht noch aus. Wenn es sich um ausgewogene Diskussionsveranstaltungen handelt, die im Rahmen des Lehrplans stattfinden, ist ein verpflichtender Besuch jedenfalls nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages grundrechtskonform. Die rechtliche Analyse hierzu können Sie unter dem folgenden link einsehen: http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/Schule_und_Bundeswehr.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Monika Lazar