Frage an Monika Lazar von Ferdinand Dr. R. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Lazar,
was halten Sie davon, Kinder direkt über die Eltern zu fördern, z.B. über ein Erziehungsgehalt oder ein Erziehungsgeld, anstatt auf dem Umweg über Beton (Kindergärten) und Bürokratie?
Diese Kosten ließen sich doch auf diesem Wege vermeiden und das ist etwa die Hälfte. Die Eltern könnten dann wirklich selbst entscheiden. Überall dort, wo viele KiTas in Deutschland sind, sind wenig Kinder (ehemalige DDR) und dort, wo weniger sind (Bayern, Baden-Würtenberg) werden mehr Kinder geboren. Alle Bemühungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie (so wie es die CDU will) haben nur zu noch weniger Kindern geführt. Warum gehen Sie diesen Irrweg mit?
Hochachtungsvoll
Dr. Ferdinand Raabe
Sehr geehrter Herr Raabe,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Familienpolitik. Gerne möchte ich Ihnen meine Position dazu vorstellen. Tatsächlich ist es eine ganz zentrale Frage, wie wir Kinder und Familien fördern wollen. Bündnis 90/Die Grünen sind der Auffassung, dass eine angemessene materielle Förderung einher gehen muss mit einem hochwertigen Betreuungs- und Bildungssystem. Von letzterem sind Sie - zumindest in Bezug auf Kindergärten - anscheinend wenig überzeugt. So lese ich zumindest Ihre Gleichsetzung von Beton und Kindergärten. Ich komme hier - in Übereinstimmung mit etlichen ExpertInnen - zu einer anderen Einschätzung. Kindergärten bzw. Kindertagesstätten sind zentrale Orte zur Förderung und Bildung von Kindern. Zusätzlich des Lebens in der Familie erhalten sie dort wertvolle Erfahrungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Kitas sind wichtige Lernorte für Kinder, vor allem dann, wenn sie gute Bildungsangebote und flexible Betreuung miteinander verbinden.
Darüber hinaus wird es durch Kinderbetreuungsangebote für viele Eltern - insbesondere Mütter - überhaupt erst möglich, Familie und Beruf zu vereinbaren. Umfragen zeigen, dass sich der überwältigende Teil der jungen Menschen beides wünscht: die Gründung einer Familie und einen eigenen, erfolgreichen beruflichen Werdegang. Nicht zuletzt deshalb ist der Unmut über kaum vorhandene Betreuungsplätze für unter Dreijährige auch derart stark ausgeprägt. Daher ist der geplante Ausbau der Kinderbetreuung richtig, auch wenn es in einzelnen Punkten durchaus Kritik daran gibt.
Aus meiner Sicht ist es nicht ganz unproblematisch, den Erfolg von Familienpolitik an Geburtenquoten festzumachen. Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Bündnis 90/Die Grünen sehen ohnehin keinen Eigenwert in gestiegenen Geburtenzahlen. Unser Augenmerk ist darauf gerichtet, die Kinder, die schon auf der Welt sind, möglichst gut zu unterstützen. Wenn man sich dennoch die Geburtenzahlen ansieht, so zeigt sich, dass sich die Quoten in Ost- und Westdeutschland mittlerweile angeglichen haben. Wenn man dann noch weitere Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Einkommensverteilung etc. berücksichtigt, kann man eine negative Wechselbeziehung zwischen Kindergärten bzw. Kindertageseinrichtungen und Geburtenquoten eher ausschließen. Im internationalen Vergleich wäre sogar die umgekehrte Schlussfolgerung zu ziehen: Westliche Industriestaaten mit umfangreichen Kinderbetreuungsangeboten und hohen Frauenerwerbsquoten bei eher niedrigen Familientransfers haben die höchsten Geburtenquoten, die geringste (materielle) Kinderarmut und hohe Bildungsleistungen.
Bündnis 90/Die Grünen wollen Kinder materiell direkt fördern. Wie erwähnt sind wir der Meinung, dass wir neben einer qualitativ hochwertigen Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur auch eine angemessene materielle Absicherung für Kinder brauchen. Die derzeitige materielle Familienförderung ist allerdings kompliziert, ungerecht und wenig zielgenau. Wir wollen das System daher grundsätzlich reformieren und vom Kopf auf die Füße stellen. Verschiedene bestehenden Leistungen wollen wir in eine Kindergrundsicherung münden lassen. Teile der Eheförderung würden in die direkte Förderung pro Kind fließen. Alle Kinder würden monatlich 330 € bekommen - wenn die Eltern sehr gut verdienen, würde sie sich durch Teilbesteuerung auf 280 € reduzieren. Dadurch würde jedes Kind einfach und unkompliziert gefördert und stünde endlich da, wo Kinder hingehören: Im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit! Ein eigenständiges Erziehungsgehalt ist aus unserer Sicht hingegen wenig sinnvoll. Es ist erstens kaum finanzierbar. Sie deuten an, die Kosten für ein Erziehungsgehalt wären geringer als die Kosten für den Betreuungsausbau. Das ist nicht der Fall. Beispielsweise haben Schätzungen für das Weidener Modell ergeben, dass sich die Kosten auf etwa 90 Milliarden Euro belaufen würden. Wir halten es für notwendig, allen Bürgerinnen und Bürgern eine angemessene soziale Grundsicherung zu gewähren. Um aber den Staat finanziell überhaupt noch handlungsfähig zu halten, sollte der Lebensunterhalt primär über eigenes Erwerbseinkommen erwirtschaftet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Lazar