Frage an Miriam Staudte von Daniela O. bezüglich Staat und Verwaltung
hallo Frau Staudte,
da gibt es doch jetzt diese großen Umfragen zur Video-Überwachung. Heraus kommt doch bei allen Umfragen, dass die Menschen sich sicherer fühlen.
Sind Sie jetzt immer noch gegen diese Videokameras?
offensichtliche stellen Sie sich doch damit gegen den Willen der Bevölkerung.......
danke und Gruß
D. O-Wille
Sehr geehrte Frau Olsberg-Wille!
Zur von Ihnen angesprochenen Forderung nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum:
Die, zum Beispiel nach dem jüngsten Anschlagsversuch in Bonn, wieder reflexhaft geäußerte Forderung nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird selbst aus Polizeikreisen nicht unterstützt, weil auch dort niemand mehr an "Prävention durch Kameras" glaubt.
Zu Recht weisen auch die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern darauf hin, dass zum Beispiel die Aufklärungsrate für Gewaltverbrechen in London, einer der am meisten überwachten Städte Europas, im Jahr 2011 noch einmal deutlich gesunken ist. Rechnerisch werden in Großbritannien 13 Personen durch eine Kamera überwacht, aber die Aufklärungsquote von Diebstählen in der Öffentlichkeit durch Kameras liegt bei nur 3 Prozent! Das zeigt: Durch das bloße Aufhängen einer Kamera verhindert man Straftaten eben nicht.
Das erlebte auch Oldenburg: die Videoüberwachung des lebensgroßen Bronzepferdes "Donnerhall", dass trotz Überwachung über Nacht mit Frischhaltefolie überzogen und zartrosa wurde, ohne dass die Kameras etwas gemerkt haben, spricht für sich, bzw. für Sinn oder Unsinn von Videoüberwachungen.
Sicherheitsexperten aus verschiedenen Universitäten, die sich seit Jahren mit der Videoüberwachung beschäftigen, halten die Ausweitung ebenfalls nicht für zielführend sondern vielmehr für ein Zeichen der Hilflosigkeit. So würden dadurch weder Terroristen abgeschreckt noch spontane "Prügeleien" verhindert. Auch die Aufklärung mit Hilfe von Kameras ist schwierig und vor allem äußerst Personalintensiv - Beispielsweise können die zehn Beamten, die die 200 Kameras vom Hauptbahnhof Hamburg beobachten, jede Kamera nur drei Sekunden pro Minute beobachten.
Dem gegenüber steht jedoch die massive Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung jedes einzelnen Menschen. Durch die Kameraüberwachung wird zudem eine Art Generalverdacht erhoben.
Das Verwaltungsgericht Hannover stellte zudem Mängel und Versäumnisse bei der Kennzeichnung der Überwachungsanlagen und gegen die informationelle Selbstbestimmung fest - trotzdem wird weiter aufgerüstet.
Die Videoüberwachung ist ein Instrument aus der Mottenkiste, das nur zum Preis des weiteren Bürgerrechteabbaus realisierbar ist.
Deshalb ist eine kritische Überprüfung von Sinn und Zweck der Kameraüberwachung im öffentlichen Raum unabdingbar.
Ich möchte mich einem Zitat meines verstorbenen Kollegen Ralf Briese anschließen: "Viele Kameras müssen abgeschaltet werden. Zivilcourage, Polizeistreifen und soziale Prävention sind die bessere Alternative zur flächendeckenden Überwachung der Bürgerinnen und Bürger."
Wir dürfen, bei allem Verständnis für Ihre Argumentation, die gefühlte Sicherheit nicht mit der tatsächlichen Sicherheit verwechseln.
Mit freundlichen Grüßen,
Miriam Staudte