Frage an Michael Grosse-Brömer von Sintje H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer,
ich bin Schülerin des Domgymnasiums Verden und gehe in die 10. Klasse.Zurzeit behandeln wir das Thema "Finanzkrise" und diskutieren über mögliche Auswirkungen und Lösungen dieses Problems.
Mich interessiert hierbei ihre persönliche Meinung in Bezug auf potenzielle Lösungen beziehungsweise weitere Folgeprobleme.
Ich würde mich sehr freuen , wenn sie mir zurück schreiben würden.
Im Vorraus Danke !
Sehr geehrte Frau Hegerfeld,
gerne antworte ich auf Ihre Anfrage zur globalen Finanzmarktkrise.
Wie Sie, Ihre Mitschüler und viele andere Bürger, so verfolge auch ich die Entwicklungen auf dem internationalen Finanzmarkt mit Sorge und großer Aufmerksamkeit. Bestimmt haben Sie auch mit Ihrem Lehrer in den letzten Tagen ausführlich die komplexen Ursachen der Finanzmarktkrise besprochen: In den USA wurden vor allem an Hauskäufer Kredite vergeben, ohne das man ausreichend Wert auf Sicherheiten der Kreditnehmer gelegt hätte. Als die Zinsen in den Vereinigten Staaten nach einer jahrelangen Niedrigzinspolitik der dortigen Notenbank stiegen, konnten viele Hausbesitzer ihr Darlehen nicht mehr bedienen. So gerieten erst die Kreditnehmer, dann die Immobilienfinanzierer, dann andere Banken in Schwierigkeiten. Letztere hatten unterdessen die Kredite zu komplizierten Finanzmarktprodukten zusammengeschnürt und weiterverkauft -- auch nach Europa.
Durch die weltweit vernetzten Finanzströme stehen wir heute vor dem Problem, dass aus der US-amerikanischen Immobilienkrise aktuell eine globale Finanzmarktkrise geworden ist. Dabei geht es nicht mehr nur um den Fortbestand einzelner Kreditinstitute. Es geht um eine funktionierende Finanz- und damit Volkswirtschaft. Letztlich geht es aktuell um fehlendes Vertrauen. Weil viele Kreditinstitute bewusst oder fahrlässig beim Handel mit den faulen Krediten mitgemacht haben, kennt keine Bank den Betroffenheitsgrad der anderen Bank. Deshalb leihen sich die Banken untereinander kein Geld mehr aus. Wenn aber kein Geld mehr fließt, ist unsere Wirtschaft direkt davon betroffen. Denn sie braucht Kredite, um wichtige Investitionen zu tätigen. Ausbleibende Kredite betreffen zudem auch den privaten Konsum. Wo die Nachfrage sinkt, schwächt sich das Wirtschaftswachstum ab.
Auch diese Mechanismen werden Sie im Unterricht besprochen haben. Ich habe diese möglichen Folgen angesprochen, um Ihnen zu erklären, warum die unionsgeführte Bundesregierung in dieser Woche kurzfristig ein großes Rettungspaket schnüren musste. Das beschlossene Paket bedeutet zunächst nicht, dass sofort und direkt Steuergelder in den Finanzmarkt fließen. Ziel ist es in erster Linie, dass der Staat Bürgschaften für Kredite übernehmen soll, die sich die Banken untereinander gewähren. So soll das Vertrauen, von dem ich eben gesprochen habe, wieder hergestellt und dann gesteigert werden, damit der Finanzfluss unter den Banken wieder reibungsloser funktioniert.
Wir können uns alle über maßlose Spekulationen oder fehlende Finanzmarktkontrollen aufregen. Und nach wie vor bin ich der Meinung, dass vorrangig die Marktakteure selbst die Bewältigung der von ihnen verursachten Krise in Angriff nehmen sollen. Diese sind dazu aber nicht mehr in der Lage! Dies kann nur noch die Politik. Jetzt muss im Interesse der Bürger verhindert werden, dass es durch fehlendes Vertrauen letztlich zum Kollaps von Banken kommt. Auch die Hypo Real Estate war ein solcher Fall. Hätte die Regierung nicht einem überaus gut vernetzen Institut wie der Hypo Real Estate unter die Arme gegriffen, hätte ein potentieller Zusammenbruch des Geldhauses zu einem verhängnisvollen Dominoeffekt führen können. Wenn jetzt der Staat eingreift, dann nur zeitlich begrenzt und flankiert von einer mittel- und langfristigen Strategie.
Natürlich kann ich nicht in die Zukunft sehen. Ich weiß auch nicht, welche Nachrichten uns von den internationalen Finanzplätzen morgen oder in der nächsten Woche ins Haus stehen. Aber ich glaube, dass die unionsgeführte Bundesregierung Deutschland in den letzten Jahren wieder fit gemacht hat. Unser Bundeshaushalt ist saniert und die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt sind so positiv wie seit Jahren nicht. Zudem hat sich der deutsche Bankenmarkt mit seinem Dreisäulenmodell in der Finanzkrise als robuster als andere erwiesen. Auch die langfristigen Finanzierungskultur und die Beibehaltung der Privatkundenbeziehung haben hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet. Aber darauf können wir uns nicht ausruhen. Wir müssen unsere Lehren aus der Krise ziehen und strukturelle, nachhaltige Reformen auf den Weg bringen.
Diese Maßnahmen müssen international abgestimmt sein. Nationale Alleingänge wirken nicht. Meine Fraktion hat hier unter anderem die folgenden Schwerpunkte im Blick:
· ein effektiveres Risikomanagement der Banken,
· schärfere Offenlegungsanforderungen an die Banken,
· verbesserte Bilanzierungsregeln für Zweckgesellschaften,
· höhere Kapitalanforderungen für strukturierte Produkte,
· verbesserte Ratings und die Beseitigung von Interessenkonflikten bei Rating-Agenturen.
Es wäre also gut, wenn die Marktteilnehmer z.B. die Gründung einer europäischen Ratingagentur vorantrieben. Wie Sie vielleicht wissen, bewerten die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen. Auf dem Finanzmarkt haben in den letzten Jahren vor allem drei angloamerikanisch geprägte Ratingagenturen den Ton angegeben. Ein stärkerer Wettbewerb könnte hier die Qualität der Rating-Agenturen und das Vertrauen in Bewertungen verbessern. Schließlich wurden gerade die die Krise auslösenden Produkte als besonders positiv gewertet, was meiner Ansicht nach nicht hätte geschehen dürfen.
Ferner muss man die Rolle der Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute kritisch hinterfragen. Zwar sind die Kriterien für die Ausgestaltung der Aufsicht über die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute mit der Einigung der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über die Aufsichtsrichtlinie gerade erst festgelegt worden. Im Lichte der Finanzmarktkrise muss jedoch die derzeitige Struktur der Bankenaufsicht einschließlich ihrer Aufgabenteilung überprüft und gegebenenfalls neu angepasst werden.
An dieser Stelle belasse ich es mit den o. g. Ausführungen zu Ihrer komplizierten Frage nach Ursachen, Folgen und Gegenstrategien bei der aktuellen Finanzkrise. Ich hoffe einstweilen, dass Ihnen diese Informationen weiterhelfen werden und wünsche Ihnen, Ihren Mitschülern und Lehrern weiterhin spannende Diskussionsrunden. Und uns eine Entspannung an den internationalen Börsen und auf dem Finanzmarkt.
Mit freundlichen Grüßen
M. Grosse-Brömer, MdB