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Michael Grosse-Brömer
CDU
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Frage von Juergen W. •

Frage an Michael Grosse-Brömer von Juergen W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer,

die CDU lehnt einen gesetzlichen Mindestlohn strikt ab.

Wie ist diese Ablehnung mit der europarechtlichen Verpflichtung des Art.4,Nr.1 EuSC vereinbar, die laut Bundesgesetzblatt 1964 II, S.1261 seit dem 26.02.1965 in Deutschland auf Gesetzesebene als einfaches Bundesrecht verbindlich ist?

Zitat des Art.4, Nr. 1 EuSC:
"Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf ein gerechtes
Arbeitsentgelt zu gewährleisten, verpflichten sich die
Vertragsparteien:
1. das Recht der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt
anzuerkennen, welches ausreicht, um ihnen und ihren Familien
einen angemessenen Lebensstandard zu sichern;.."

http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/035.htm

Zitat aus dem Urteil des Sozialgericht Berlin vom
27.02.2006 (S 77 AL 742/05):
"..Wesentliche Kriterien sind für die Gestaltung von
Arbeitsentgelten Art. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG sowie Art. 4
Nr. 1 der Europäischen Sozialcharta (EuSC - in der
Bundesrepublik in Kraft seit 26. Februar 1965). Nach Art. 4
Nr. 1 EuSC erkennen die Vertragsstaaten das Recht der
Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt an, welches ausreicht,
um diesen und deren Familien einen angemessenen
Lebensstandard zu sichern. Die Vorschrift ist einfaches
Bundes-recht auf Gesetzes-, nicht auf Verfassungsebene.
Sie räumt Bürgern zwar keine subjektiven Rechte ein (BAG
Urteil vom 24.03.2004, Az. 5 AZR 303/03), ist allerdings als
Auslegungsmaßstab bei Wertentscheidungen, wie denen des §
138 Abs. 1 BGB heranzuziehen.

Ein nach Anschauung aller billig und gerecht denkender Menschen auffälliges Missverhältnis zwischen Arbeitsentgelt und Arbeitsleistung begründet unter Anwendung dieser
grund-gesetzlichen und staatsvertraglichen Vorgaben den Vorwurf der Sittenwidrigkeit (BAG Urteil vom 24.03.2004, Az. 5 AZR 303/03 und Urteil vom 23.05.2001, Az. 5 AZR 527/99)..."

MfG

Jürgen Wörmer

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wörmer,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23. Januar 2007, in dem Sie mich zum Thema: Mindestlohn und europarechtliche Vorgaben ansprechen.

Bei der von Ihnen zitierten Norm: dem Art. 4 Nr. 1 EuSC verpflichten sich die Vertragsparteien, dem Arbeitnehmer ein Arbeitsentgelt zu gewährleisten, welches einen "angemessenen Lebensstandard" sichert. Dabei handelt es sich zunächst um keinen unmittelbaren Rechtsanspruch des Bürgers. Vielmehr ist die Norm Auslegungskriterium und Richtschnur für Wertentscheidungen des nationalen Gesetzgebers. Dies wird auch in dem von Ihnen zitierten Urteil so festgestellt (BAG, Urteil vom 24.03.2004, Az. 5 AZR 303/03).

Ferner wäre es zu kurz gegriffen, mit "angemessenen Lohn" zwingend Mindestlohn zu meinen.

Eine Vielzahl von Alternativen zum Mindestlohn sind möglich. Ad hoc möchte ich die Möglichkeit anführen, dass sich die Höhe des Lohns zunächst am Markt bildet und später im Bedarfsfall durch einen Kombilohn-Modell ergänzt wird, oder eine soziale Absicherung durch eine negative Einkommensteuer erzielt werden kann. Auch nach dem von Ihnen zitierten Urteil des Sozialgerichts vom 27.02.2006 (S ZZ AL 742/05), hat diese Ansicht bestand. Es wird von einem "angemessene Lohn" gesprochen, nicht von einem Mindestlohn. Angemessener Lohn kann auch durch die Tarifparteien ausgehandelt werden, wo sich der Staat erst nicht einmischt und sich zugunsten der Tarifautonomie zurück hält.

Damit wird auf EU-Ebene kein Mindestlohn-Modell zwingend vorgegeben. Vielmehr bleibt es dem nationalen Gesetzgeber überlassen, welchen Weg er geht. Dafür spricht auch die breite Rechtswirklichkeit in den EU-Mitgliedstaaten. Wir in der CDU befinden uns noch im Abstimmungsprozess. Welche Alternative wir zum flächendeckenden Mindestlohn bevorzugen, werden wir spätestens in diesem Frühjahr vorschlagen.

Insgesamt ziehe ich einen marktorientierten Ansatz vor, der sich meiner Ansicht nach besser in das Konzept einer sozialen Marktwirtschaft einfügt. Ich bin nicht der Ansicht, dass ein flächendeckend eingeführter Mindestlohn ein geeignetes Mittel wäre. Vielmehr sehe ich die Grenze im unzumutbaren Lohn, der sich durch Sittenwidrigkeit kennzeichnet. Damit stimme ich ebenso mit den von Ihnen zitierten Urteilen überein (BAG, Urteil vom 24.03.2004, Az. 5 AZR 303/03; Urteil 23.05.2001, Az. 5 AZR 527/99). Damit gilt: Löhne dürfen nicht sittenwidrig sein!

Ich hoffe, Ihnen ein wenig weiter geholfen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
M. Grosse-Brömer, MdB

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