Frage an Michael Grosse-Brömer von Peter V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Grosse-Brömer,
in einem ZEIT-Artikel (Nr. 27, 26.06.14) kritisiert der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer die kürzlich erfolgte deutsche Umsetzung des Antikorruptionsübereinkommens der Vereinten Nationen aus dem Jahre 2003(StGB §108e).
Herr Fischer kritisiert die Arbeit des Gesetzgebers sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Beziehung. Die Zwischenüberschriften in dem Artikel lauten „alles was schmerzt bleibt straflos“ und „die Lobbyisten werden jubeln“. Der Richter schließt mit der Feststellung „Das neue Gesetz hingegen ist für die intelligenten und gefährlichen Täter, die es ohne Zweifel gibt, nicht mehr als ein Witz. Es bestätigt eine alte Regel: Wenn die Wölfe Gesetze gegen die Wilderei machen, haben die Schafe nichts zu lachen“. M.E. eine schwerwiegende Aussage eines ranghohen Juristen.
Vor dem Hintergrund, dass der Normalbürger in der Regel nicht in der Lage, ist die Sachverhalte zu prüfen, verstärkt sich durch diesen Artikel das Misstrauen in die Lobby-Politik-Beziehungen. Da kommen einem z. B. Gedanken an die aktuell vorgenommene Budgeterhöhung (1,1 Mrd. €) für den Berliner Flughafen und man fragt sich, ob da alles im Sinne der Artikel 5 und 14 des Antikorruptionsübereinkommens (objektive Kriterien bei der Einstellung und Beförderung von Beamten und für die öffentliche Auftragsvergabe,
Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen und im Privatsektor) abgelaufen sein kann. Unabhängig von der Berechtigung dieser Gedanken sind sie Fakt und als Folge intransparenter Lobby-Politik-Beziehungen zu sehen.
Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer, ich bitte Sie folgende Fragen zu beantworten:
Halten Sie die Kritik von Herrn Fischer in dem o.a. ZEIT-Artikel für berechtigt?
Können Sie das genannte Misstrauen zahlreicher Bürger in die Lobby-Politik-Beziehungen nachvollziehen?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Vollmer
Sehr geehrter Herr Vollmer,
danke für Ihre Nachricht zum Thema Abgeordnetenbestechung. Das Misstrauen der Bürger in die Politik kann ich, gerade aufgrund solcher – teilweise polemischen – Zeitungsartikel wie dem von Thomas Fischer, nachvollziehen. Für richtig halte ich dennoch weder das bestehende Misstrauen noch die Auffassung von Herrn Fischer. Gerade von einem „ranghohen Juristen“ würde ich eine etwas ausgewogenere Darstellung erwarten und mir eine solche grundsätzlich auch in der öffentlichen Berichterstattung wünschen. Dies könnte auch Misstrauen und Politikverdrossenheit der Bürger schmälern.
Da Herr Fischer nicht tagtäglich im Bereich der Politik arbeitet, lässt er den Kernpunkt außer Betracht, der die Regelung der Abgeordnetenbestechung schwierig macht: Abgeordnete sind dem Grundgesetz nach nur ihrem Gewissen verpflichtet und ihren Wählern verantwortlich. Sie treten als Vertreter bestimmter Interessen auf, für deren Wahrnehmung sie in ein rechtsetzendes Parlament gewählt wurden. Parteilichkeit ist legitimer und essentieller Bestandteil ihres parlamentarischen Wirkens und ihrer politischen Arbeit, die keinen fest definierten Pflichtenkreis kennt. Typisch ist zudem, dass der Abgeordnete es mit seiner Entscheidung dem Einen recht macht und einem Anderen nicht. So funktioniert Demokratie! Das darf aber noch kein Anknüpfungspunkt für strafbares Handeln sein.
Es ist daher eine Gratwanderung, die Einflussnahme von Bürgern und Interessengruppen auf Mandatsträger, die im politischen Prozess notwendig und erwünscht ist, trennscharf von einer verwerflichen und strafwürdigen Einflussnahme abzugrenzen. Ein Gesetz, das die Abgeordnetenbestechung nicht ausreichend zuverlässig auf die tatsächlich verwerflichen Handlungen von Mandatsträgern beschränkt, würde aber einer politischen Instrumentalisierung von Ermittlungsverfahren Tür und Tor öffnen. Schon ein Ermittlungsverfahren bringt für einen Politiker in der Regel die Gefahr des Endes seiner Wahlzeit mit sich. Daher kam es in der Regelung der Abgeordnetenbestechung, wie bei allen anderen Gesetzen auch, darauf an, einen „Interessenausgleich“ zu finden, der dem Bedarf einer Erweiterung der Strafbarkeit aber auch dem freien Mandat Rechnung trägt.
Die nun geschaffene Regelung beachtet das und erweitert dennoch das Spektrum der Fälle, die als Bestechung strafrechtlich verfolgt werden sollen. Wichtig ist, dass ein Verhalten nicht strafbar ist, wenn es im Einklang mit den für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften steht. Mandatsträger sollen nicht die Sorge haben müssen, dass zum Beispiel schon der kostenlos angenommene Kaffee als Bestechlichkeit ausgelegt werden kann. Dies würde die politische Arbeit unmöglich machen.
Mit freundlichen Grüßen
M. Grosse-Brömer, MdB