Frage an Michael Grosse-Brömer von Helena P. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer,
unter der Rubrik "Internationales" haben Sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt Stellung bezogen, warum sich die CDU gegen die Ratifizierung des UN-Antikorruptionsabkommens sträubt. Dort verweisen Sie auf die bereits zahlreichen vorhandenen Gesetze, die Korruption in Deutschland zum Gegenstand haben. Bloss betreffen diese nicht die Abgeordneten (mit Ausnahme des Details von Stimmenkauf).
Wie begründen Sie es, dass die Abgeordneten für sich die Korruption als Privileg benötigen, wenn doch alle anderen Bürger in der Wirtschaft und Verwaltung dafür bestraft werden (und nicht nur für die mittelbaren Folgeerscheinungen, wie z.B. Steuerhinterziehung) ?
Ihr Verweis darauf, dass die UN-Konvention geändert werden müsse, weil sie Amtsträger und Beamte gleichsetze, betrachte ich als absurd. In Bezug auf Korruption, bedarf es keiner Unterschiede. Alle anderen zivilierten Länder können sowohl ihren Beamten als auch ihren Abgeordneten zumuten, dass sie nicht korrupt sind. Deutsche Politik kann sich damit nicht herausreden, dass in Deutschland - anerkanntermaßen - seit einiger Zeit die Korruption in der Wirtschaft schärfer ahndet als in der Vergangenheit. Umso mehr ist es Zeit, einen Codex für saubere Politik zu verabschieden, was dann auch die Ratifizierung der UN-Konvention ermöglicht.
Sehr geehrte Frau Peltonen-Gassmann,
selbstverständlich gelten die in meiner Antwort auf abgeordnetenwatch.de am 16.04.2012 aufgeführten Gesetze auch für Abgeordnete. Ein Abgeordneter steht nicht über den Gesetzen. Es gibt lediglich die Einschränkung, dass der Bundestag vor Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft die Immunität von Abgeordneten aufheben muss, was er aber aus meiner Erfahrung in der Regel tut. Das Immunitätsrecht bildet zwar ein Strafverfolgungshindernis, es schließt solche Verfahren und Maßnahmen aber nicht aus. Festzuhalten ist, dass es in Deutschland keinen Fall von Abgeordnetenbestechung gab, der nicht strafrechtlich hätte geahndet werden können, weil eine gesetzliche Regelung hierfür fehlte. Deshalb widerspreche ich auch Ihrer inakzeptablen Behauptung, Abgeordnete benötigten für sich die Korruption als Privileg. Das ist eine absurde Formulierung!
Zurzeit diskutieren wir im Bundestag, unter Federführung des Rechtsausschusses, mehrere Gesetzänderungsentwürfe zur Abgeordnetenbestechung. Einer der strittigen Punkte ist dabei die in Deutschland, im Gegensatz zu Ihrer Anmerkung, doch erhebliche Unterscheidung zwischen Amts- und Mandatsträger. Um das gravierendste Abgrenzungskriterium zu nennen: Amtsträger sind weisungsgebunden und treffen bzw. vollziehen im Rahmen von Diensthandlungen Einzelentscheidungen, die nicht an den Amtsträger gebunden und damit nicht personengebunden sind. Demgegenüber bedeutet das freie Mandat, das in Art. 38 grundgesetzlich verankert ist, dass der gewählte Abgeordnete sein Mandat im Parlament frei ausübt und dafür nur seinem Gewissen unterworfen und an keine Aufträge und Weisungen gebunden ist. Dieser Grundsatz des freien Mandats ist elementarer Bestandteil unserer parlamentarischen Demokratie und soll es auch bleiben!
Natürlich vertreten Abgeordnete in ihrer Mandatsausübung Interessen, und das müssen sie sogar. Aus diesen Interessen formt sich dann im parlamentarischen Prozess das allgemeingültige Recht. Interessengeleitetes Handeln und Öffentlichkeit sind dabei zwei einander bedingende und sich gegenseitig ausbalancierende Elemente politischen Handelns. Ich vertraue auf die in Deutschland meines Erachtens schon sehr gut funktionierenden Instrumente: auf das Gewissen eines jeden Mandatsträgers, die strafrechtlichen Sanktionen, die Transparenz durch Verhaltensregeln für Abgeordnete, eine funktionierende Beobachtung und Kontrolle durch die Öffentlichkeit, insbesondere durch die Medien und nicht zuletzt auf eine funktionierende gegenseitige Kontrolle durch die unterschiedlichen politischen Institutionen und Fraktionen. Persönlich denke ich zudem, dass wir in Deutschland in der Praxis weiter sind, als das Abkommen vorsieht. Vor allem im Vergleich mit zahlreichen Staaten, die das Abkommen unterzeichnet haben (siehe: http://www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/signatories.html). Zu glauben, mit der Unterzeichnung eines Abkommens allein sei Korruption ausgeschlossen, ist sehr blauäugig.
Mit freundlichem Gruß
Michael Grosse-Brömer, MdB