Frage an Michael Grosse-Brömer von Hans-Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer,
die EU hat sich in eine Transferunion und Haftungsgemeinschaft verwandelt. Haushalts- und Budgetrecht der nationalen Parlamente sollen an einen EU-Gouverneursrat abgegeben werden, dem die demokratische Legitimation fehlt. Grundlage hierfür ist der bekannt gewordene Vertragsentwurf zum ESFS (Quelle: http://www.peter-bleser.de/upload/PDF-Listen/E-Mail-Info_Eurostabilisierung/Entwurf_Vertrag_ESM.pdf ), dem Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages voraussichtlich im September zustimmen werden. Ich fordere Sie daher auf, sich gegen den ESFS und die EU-Schuldenunion auszusprechen und aus folgenden Gründen im Bundestag entsprechend ab zu stimmen:
- Die Vertragsbrüche der Verträge von Lissabon und Maastricht werden durch Ihre Zustimmung sanktioniert werden.
- Deutsche Steuergelder sollen entgegen aller Verträge und Ankündigungen für die Schuldenpolitik anderer EU-Länder geradestehen.
- Sie stellen mit einem Nichtvotum zerstörtes Vertrauen in die Glaubwürdigkeit politischen Agierens wieder her.
Ich fordere Sie weiterhin auf, dem Gebaren der EZB, der neuen „Bad Bank“ der EU, Einhalt zu gebieten. Diese Bank missachtet mit Verve den Art. 123 AEUV.
Sie haben es in der Hand, dass der Steuerzahler nicht weiter belastet wird. Sie entscheiden mit Ihrem Votum darüber, ob das Einhalten von Versprechungen an das Volk und Vertragstreue wieder zur Leitlinie der deutschen Politik werden. Und Sie entscheiden, ob Ihre Wähler zukünftig noch etwas Vertrauen in Europa setzen können, denn auf dieses Europa, das aus fortwährenden Vertragsbrüchen und Regulierungen von nicht gewählten Kommissaren besteht, können wir wirklich verzichten. Letztendlich gefährden Sie mit Ihrem fortwährenden Tolerieren von Vertragsbrüchen unsere wertvolle Demokratie.
Wie werden Sie sich entscheiden?
Mein zukünftiges Verhalten an der Wahlurne mache ich ausschließlich von Ihrer Haltung in dieser essentiellen Zukunftsfrage abhängig.
Hans-Jürgen Bletz
Sehr geehrter Herr Bletz,
Sie haben Recht. Die EU war immer schon ein wenig eine Transferunion, da die Mitgliedstaaten (auch Deutschland) Zahlungen an die EU bzw. an die Institutionen der EU leisteten. Mit diesem Geld wurden und werden auch wirtschaftliche Aufbauprogramme in verschiedenen strukturschwachen Regionen der EU finanziert, um auf lange Sicht einigermaßen vergleichbare Wirtschafts- und Lebensbedingungen innerhalb der EU herzustellen. Dabei liegt und lag es in der Natur der Sache, dass wirtschaftlich stärkere Länder den Schwächeren helfen und mehr einzahlen, als sie zurück bekommen.
Gemeinsam mit Ihnen betrachte auch ich die Situation in Griechenland und anderen Staaten mit einer ähnlichen Haushaltssituation mit Besorgnis. Lieber würde ich deutsches Steuergeld für eigene Projekte verwenden als es für Staaten zu zahlen, die in der Vergangenheit schlecht gewirtschaftet haben. CDU/CSU und FDP haben im Bundestag gegen die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone gestimmt. Die Mehrheit hatte seinerzeit aber die rot-grüne Bundesregierung.
Ein Blick in die Vergangenheit löst die Probleme aber nicht, wir müssen uns ihnen stellen. Und als verantwortungsbewusster Politiker muss ich dabei abwägen und entscheiden, was für unser Land das Beste ist. Letztlich geht es zuallererst nicht darum, Griechenland oder irgendein anderes Land vor einer Insolvenz zu retten, sondern darum, unsere Währung insgesamt zu retten.
Zur Bewältigung dieser Krise gibt es im Moment nur noch zwei Wege, nachdem das Bundesverfassungsgericht die von der SPD und den Grünen befürworteten Eurobonds für nicht verfassungsgemäß erachtet hat.
Meiner Ansicht nach ist der Weg der konsolidierten Hilfe nach wie vor risikoreich, jedoch im Vergleich zu dem anderen der am besten gangbare. Die Staatspleite eines Eurolandes hätte für die Stabilität des Euros und damit auch für Deutschland unvorhersehbare und gravierende Auswirkungen. Denn einerseits profitiert unsere exportorientierte Wirtschaft, an der etwa ein Drittel unserer Arbeitsplätze hängen, wie kaum eine andere von der gemeinsamen Währung und andererseits sind Staatsanleihen Bestandteil vieler Lebensversicherungen und Vorsorgepläne. Bei einem Staatsbankrott der gefährdeten Länder hätten diese Anlagen ihren Wert und damit auch viele Deutsche Teile ihrer Altersvorsorge verloren, weil auch die deutschen Banken und Versicherungen in Anleihen dieser Länder investiert haben. So halten beispielsweise allein die deutschen Banken Staatsanleihen in Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien im Wert von insgesamt rund 500 Milliarden Euro.
Dennoch muss auch Option zwei, die Insolvenz eines Staates, in Betracht gezogen werden, wenn Staaten die an sie gestellten Auflagen nicht erfüllen. Allerdings gibt es aktuell für eine geordnete Staatsinsolvenz kein Instrumentarium. Hieran müssen wir, unabhängig von Griechenland, arbeiten, um für ähnliche Fälle in der Zukunft gewappnet zu sein. Ziel ist es, dass überschuldete Staaten nicht unkontrolliert in die Zahlungsunfähigkeit stürzen, sondern im Rahmen eines sorgsam vorbereiteten und von Rettungsmaßnahmen flankierten Prozesses entschuldet werden.
Deshalb kann ich Ihrer Kernforderung, die Erweiterung des EFSF abzulehnen, auch nicht zustimmen. Meiner Ansicht nach ist die Erweiterung des EFSF im Moment die beste Lösung für das Problem. Ich denke, mit dem EFSF und ab 2013 mit dem ESM sind wir auf einem richtigen Weg, um Europa insgesamt für die Zukunft stark zu halten. Allerdings müssen die Staaten die geforderten Auflagen erfüllen. Die Hilfen dürfen keine Dauersubventionierungen werden.
In allen Fernsehinterviews hören wir häufig die gleichen Stimmen, die Kritik äußern. Allen ist eines gemeinsam: Sie haben keine Alternativlösung, die günstiger oder besser wäre. Gäbe es eine solche alternative Lösung, würde ich mich dieser mit Freude anschließen. Auch Ihrem Schreiben entnehme ich keinen alternativen Lösungsvorschlag.
Kritisch sehe ich wie Sie das Aufkaufen von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Die EZB kann nicht zu einer Institution werden, die die Versäumnisse in einzelnen nationalen Staatshaushalten auf Dauer ausgleicht. Dennoch können wir auf bundespolitischer Ebene hier nicht eingreifen, da die EZB unabhängig in ihren Entscheidungen ist. Wir können dem EZB-Rat lediglich mit auf den Weg geben, zukünftig stärker auf die Warnungen des Präsidenten der Bundesbank, Jens Weidmann, zu hören. Dieser hatte bereits im Vorfeld massive Bedenken gegen den Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer angemeldet.
Mit freundlichen Grüßen
M. Grosse-Brömer, MdB