Frage an Michael Grosse-Brömer von Ralf W. bezüglich Wirtschaft
Betr: Rettungsschirm / Abstimmung am 29.9.2011
Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer,
ich würde von Ihnen gerne wissen wie Sie am 29.9.2011 im Bundestag zum "Rettungsschirm" abstimmen werden.
Sofern Sie Ihre Stimme gegen den Rettungsschirm erheben sind Sie für mich ein wählbarer Vertreter der Interessen des "zahlenden" Bürgers. Entscheiden Sie sich mit einer Zustimmung zum Rettungspaket dafür das Volksvermögen zu mindern indem Deutschland / der deutsche Steuerzahler (direkt oder indirekt) für schlecht wirtschaftende Staaten aufkommen muss sind Sie für mich nicht wählbar.
Ich beachte mit wachsender Sorge eine endlose Konkursverschleppung einiger Staaten die - zum Wohle aller - meines Erachtens nun aus den Fessel einer gemeinsamen Währung (zu deren Einführung wir, nebenbei bemerkt, nie befragt wurden) befreit werden sollten um einen Neuanfang zu ermöglichen ohne ganz Europa zu destabilisieren.
Ich bitte Sie ökonomischen Sachverstand walten zu lassen und zu bedenken dass, solange keine wirklichen Reformen in den PIIGS Ländern erfolgen, wir deren Probleme durch eine gemeinsame Währung und "Transferzahlungen" nur verschlimmern. Drogenabhängige kann man nicht durch die Verabreichung weiterer Drogen gesunden. Das glaube ich leuchtet jedem klar Denkenden ein. Und eine Politikführung, die unter dem Schlagwort das die getroffenen Entscheidungen "Alternativlos" seien und damit kommentarlos hinzunehmen sind, erwarte ich eher in linken oder rechten Diktaturen als in einer Volkspartei. Zeigen Sie Mut sich als Vertreter der Interessen des Volkes auch notfalls gegen Ihre Parteiführung zu stellen!
Ich werde mein Wahlverhalten an ihrem Abstimmungsverhalten ausrichten und bedanke mich vorab bei Ihnen für das Lesen dieser Zeilen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ralf Wilker
Sehr geehrter Herr Wilker,
auch ich betrachte die Situation in Griechenland und anderen Staaten mit einer ähnlichen Haushaltssituation (Sie sprachen die PIIGS-Staaten an) mit Besorgnis und teile Ihre Bedenken. Lieber würde ich deutsches Steuergeld für eigene Projekte verwenden als dieses für Staaten zu verwenden, die in der Vergangenheit schlecht gewirtschaftet haben. Besonders für Griechenland möchte ich vorwegschicken, dass CDU/CSU und FDP im Bundestag dagegen gestimmt haben, als es anno 2000 um die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone ging. Im Gegensatz zu Ihnen wurden die Bundestagsabgeordneten zwar gefragt, die Union unterlag aber gegen die damalige rot-grüne Bundestagsmehrheit. Der europapolitische Sprecher der Union, Peter Hintze, argumentierte damals: „die Aufnahme Griechenlands wäre ein wirtschaftpolitisches Eigentor“.
Nun sind wir in genau dieser Situation und müssen heute diese Suppe auslöffeln. Bei aller Skepsis: Ein Blick in die Vergangenheit löst die Probleme nicht, wir müssen uns ihnen stellen. Und als verantwortungsbewusster Politiker muss ich dabei abwägen und entscheiden, was für unser Land das Beste ist. Letztlich geht es nicht darum, Griechenland oder irgendein anderes Land vor einer Insolvenz zu retten, sondern darum, unsere Währung insgesamt zu retten. Daher ist auch eine Abschaffung des Euros keine Perspektive, zumal Deutschland wie kein anderer Eurostaat von dieser Gemeinschaftswährung profitiert hat. Ich finde die Worte des Altbundespräsident von Weizäcker zur aktuellen Situation sehr treffend: "Es ist eben kein griechisches Problem. Deutschland und Europa können sich von Griechenland nicht trennen. Wenn der Verbund Schwäche zeigt, wird er von den Spekulanten auseinandergenommen." Dieses gilt es zu berücksichtigen, wenn wir den Euro als Währung und Europa als Wirtschafts- und Friedensraum erhalten wollen.
Zur Bewältigung dieser Krise gibt es insgesamt im Moment drei verschiedene Wege. Zum einen den Weg der konsolidierten Hilfe, zum zweiten die Insolvenz des betroffenen Euro-Staates oder drittens die Einführung von Eurobonds. Die von der Opposition befürworteten Bonds hat schon das Bundesverfassungsgericht für nicht verfassungsgemäß erachtet.
Meiner Ansicht nach ist der Weg der konsolidierten Hilfe nach wie vor risikoreich, jedoch im Vergleich zu den anderen der am besten gangbare. Die Staatspleite eines Eurolandes hätte für die Stabilität des Euros und damit auch für Deutschland unvorhersehbare und gravierende Auswirkungen. Denn einerseits profitiert unsere exportorientierte Wirtschaft, an der etwa ein Drittel unserer Arbeitsplätze hängen, wie kaum eine andere von der gemeinsamen Währung und andererseits sind Staatsanleihen Bestandteil vieler Lebensversicherungen und Vorsorgepläne. Bei einem Staatsbankrott der gefährdeten Länder hätten diese Anlagen ihren Wert und damit auch viele Deutsche Teile ihrer Altersvorsorge verloren, weil auch die deutschen Banken und Versicherungen in Anleihen dieser Länder investiert haben. So halten beispielsweise allein die deutschen Banken Staatsanleihen in Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien im Wert von insgesamt rund 500 Milliarden Euro. Insofern würde Deutschland in jedem Fall betroffen sein und bei der Insolvenz eines Staates indirekt deutlich mehr für die Folgen zahlen, als wir dies über den ESM müssen.
Dennoch muss auch Option zwei, die Insolvenz eines Staates, in Betracht gezogen werden, wenn Staaten die an sie gestellten Auflagen nicht erfüllen. Diesen Fall sehe ich aktuell in Griechenland. Allerdings gibt es aktuell für eine geordnete Staatsinsolvenz kein Instrumentarium. Hieran müssen wir, unabhängig von Griechenland, arbeiten, um für ähnliche Fälle in der Zukunft gewappnet zu sein. Ziel ist es, dass Griechenland und gegebenenfalls weitere überschuldete Staaten nicht unkontrolliert in die Zahlungsunfähigkeit stürzen, sondern im Rahmen eines sorgsam vorbereiteten und von Rettungsmaßnahmen flankierten Prozesses entschuldet werden. Dennoch weiß niemand, welche Folgen genau entstünden, ginge ein Staat insolvent. Möglich wären Verwerfungen, die größere Folgen hätten als die Pleite von Lehman!
Als Parlamentarier und als Bürger wünsche ich mir einen starken Euro und nicht eine Dauersubventionierung finanz- und wirtschaftsschwacher Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Dennoch glaube ich, dass mit dem ESM im Falle einer Krisensituation als ultima ratio, also wenn der betroffene Mitgliedstaat kurz vor der Insolvenz steht und die Stabilität des Euros insgesamt gefährdet ist, schnell und unbürokratisch auf ein Instrument zurückgegriffen werden kann, um Verwerfungen und Folgeschäden, die alle Mitgliederstaaten massiv betreffen würden, zu vermeiden.
Um Ihre Frage nach meinem Abstimmungsverhalten zu beantworten: Ich habe ich mich entschieden, dem geplanten Euro-Stabilitätsmechanismus (ESM) aus den oben geschilderten Überlegungen grundsätzlich meine Zustimmung zu erteilen. Meiner Ansicht nach ist der ESM als Weiterführung des Eurorettungsfonds im Moment die beste Lösung für das Problem. Ich denke, mit dem ESM sind wir auf einem richtigen Weg, um Europa insgesamt für die Zukunft stark zu halten. Allerdings müssen die Staaten die geforderten Auflagen erfüllen. Die Hilfen dürfen keine Dauersubventionierungen werden.
In allen Fernsehinterviews hören wie häufig die gleichen Stimmen, die Kritik äußern. Allen ist eines gemeinsam: Sie haben keine Alternativlösung, die günstiger oder besser wäre. Gäbe es eine solche alternative Lösung, würde ich mich dieser mit Freude anschließen.
Mit freundlichen Grüßen
M. Grosse-Brömer, MdB