Frage an Michael Grosse-Brömer von Cordula M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Grosse-Broemer,
ich habe gerade das Buch ´Die fuenfte Gewalt´ Lobbyismus in Deutschland gelesen, insbesondere ´´Teil III Wer steuert Deutschlands Gesundheitswesen? Nur Blauaeugige glauben, es seien Parlament und Gesetzgebung´´ / ´´Pharmabranche und Funktionaere bestimmen die Gesundheitspolitik´´ - gerade in Anbetracht unseres mehr als kranken Gesundheitswesens.
Hierbei wuerde mich z.B. interessieren, warum die sog. ´´Positivliste´´ nicht aufgegriffen wurde, das waere ja schon mal ein Schritt in die richtige Richtung (Einsparvolumen der GKV jaehrlich 800 Millionen Euro! Mich aergert es masslos, dass immer mehr an Leistungen gekuerzt wird, der Buerger aber immer mehr zuzahlt.
Vieles muss schon privat bezahlt werden, plus Praxisgebuehr, plus den zur Zeit noch halbwegs gedeckelten Krankenkassen-Zusatzbeitrag, und naechstes Jahr haben wir dann den unbegrenzten Krankenkassen-Zusatzbeitrag und noch mehr Leistungskuerzung??? Wann kommt endlich mal die so oft zitierte Transparenz - zwischen Patient - Arzt - Krankenkasse? Was nuetzt es mir, wenn ich nach dem Arztbesuch einen Beleg (Rechnung?) bekomme,was fuer eine ´Beweiskraft´ hat dieser Beleg (Rechnung) denn? Was schreibt der Arzt nach meinem Besuch noch so alles auf, ohne Beleg?
Es wird wirklich allerhoechste Zeit, dass dem generellen Betrug am Beitragszahler ein Riegel vorgeschoben wird.
Mit freundlichem Gruss
C. Manners
Sehr geehrte Frau Manners,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich habe das von Ihnen zitierte Buch nicht gelesen, daher kann ich auch nicht auf die Argumente von Thomas Leif eingehen. Bei aller berechtigten Kritik an der Gesundheitspolitik in Deutschland glaube ich jedoch, dass wir trotzdem eines der besten Gesundheitssysteme der Welt haben. Zuzahlungen halten sich bei uns im Verhältnis zur Absicherung vor schwersten Krankheiten sehr in Grenzen.
Die Diskussion über eine Positivliste für Arzneimittel ist nicht neu. Bereits 1995 überlegte die damalige CDU/CSU-FDP Bundesregierung, eine solche Liste einzuführen. Die Einführung wurde nicht umgesetzt, nachdem die Regierung nach Auswertung der Stellungnahmen der Sachverständigen feststellte, dass eine Positivliste überflüssig und schädlich sei, weil dadurch die Arzneimittelversorgung weder besser noch preiswerter werden würde. Sie würde nicht zu Einsparungen bei den Krankenkassen sondern vielmehr dazu führen, dass der Patient Medikamente, die nicht in die Positivliste aufgenommen sind, durch erstattungsfähige, teilweise teure Arzneimittel ersetzen würde.
Durch diese Ausgrenzung von Arzneimitteln bestünde die große Gefahr, dass besonders chronisch Kranke, die auf ein bestimmtes Medikament eingestellt sind, dieses entweder künftig selber zahlen oder das Medikament wechseln müssten. Im Ergebnis würde die Therapievielfalt eingeschränkt und damit therapeutische Lücken geschaffen. Folglich würde nicht mehr der Arzt, sondern eine staatliche Kommission aus neun Experten entscheiden, welches Medikament dem Patienten verabreicht würde. Leittragende wären in jedem Falle die betroffenen Patientinnen und Patienten. Dies hatten auch Selbsthilfegruppen und Patientenvereinigungen deutlich gemacht.
Zudem würde eine Positivliste zahllose Arbeitsplätze gerade bei mittelständischen Pharmaunternehmen vernichten und den Forschungsstandort Deutschland weiter schwächen. Dein ein mittelständisches forschendes Pharmaunternehmen würde wohl kaum ein neues Produkt entwickeln, wenn dieses erst nach Jahren eventuell auf der Positivliste stehen würde. Dies sehen übrigens auch die heutigen Oppositionsparteien so. Ein weiterer Versuch zur Aufstellung der Positivliste, die auch Bestandteil des Koalitionsvertrags zwischen SPD und Grünen war, wurde 2003 SPD-intern gekippt: Wolfgang Clement, damals noch NRW-Ministerpräsident, verhinderte das Projekt im Bundesrat. Auch der damalige Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, beklagte, die Positivliste bedeute eine einseitige Belastung der Pharmaindustrie und gefährde im erheblichen Umfang Arbeitsplätze.
Neben all diesen Sachargumenten glaube ich auch, dass eine Positivliste ein Schritt in Richtung Zwei-Klassen-Medizin wäre. Wichtige Arzneimittel, für die die Krankenkassen nicht mehr aufkämen, müssten die Patienten selbst bezahlen. Das bedeutet, wer das Geld hat, bekommt weiterhin die medizinisch notwendige Behandlung - Geringverdiener haben das Nachsehen.
Aufgrund des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts und des demografischen Wandels müssen Struktur, Organisation und Finanzierung sowohl der gesetzlichen als auch der privaten Krankenversicherung ständig weiterentwickelt werden. Wir brauchen nicht noch mehr Bürokratie im Gesundheitswesen, sondern mehr Transparenz und Wettbewerb, damit die Qualität weiter steigt und die Mittel effizienter eingesetzt werden. Mit letzterem vertrete ich ja auch Ihrer Auffassung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Grosse-Brömer, MdB