Frage an Michael Grosse-Brömer von Michael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grosse Brömer,
ich habe eine Frage zur Quotenregelung.
Grundgesetz Artikel 3 lautet:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Aus meiner Sicht verstößt die Quotenregelung, die besagt, daß bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt eingestellt werden dürfen und sollen, eindeutig gegen Art.3(3) GG: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes... bevorzugt oder benachteiligt werden".
Begründet wird dieser Verstoß gegen das GG oft mit Art.3(2): "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Diese Begründung greift nicht: Zwar darf und soll der Staat bestehende Nachteile beseitigen. Aber selbstverständlich muß er sich dabei an bestehende Gesetze und erst Recht ans GG halten: Er dürfte z.B. nicht einfach 20 Männer entlassen und dafür 20 Frauen einstellen: Das verstößt gegen den Kündigungsschutz. Erst Recht darf der Staat nicht Frauen bevorzugt einstellen(Quotenregelung), denn das verstößt gegen nicht nur gegen irgendein Gesetz, sondern gegen das GG: Niemand darf aufgrund seines Geschlechts bevorzugt werden.
Wenn der Staat trotzdem Frauen bevorzugt einstellt, dann gibt er dem (nachträglich eingefügten) Art.3(2) einen VORRANG gegenüber dem Art.3(3). Aber wodurch ist ein solcher Vorrang gerechtfertigt?
Bitte gehen Sie bei Ihrer Antwort auf meine Argumentation ein, vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Michael Schreiber
Sehr geehrter Herr Schreiber,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de.
Vor dem Hintergrund des Wortlauts von Artikel 3 Abs. 3 GG ist für mich nachvollziehbar, dass jede Art von Quotenregelung als problematisch erscheinen kann.
Ihrer Argumentation entnehme ich ein absolutes Verständnis des Diskriminierungsverbotes nach Artikel 3 Abs. 3 GG. Anders hingegen das Bundesverfassungsgericht: Das höchste deutsche Gericht geht von einem relativen Diskriminierungsverbot aus. Das heißt, Verstöße können unter besonderen Umständen gerechtfertigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind hier insbesondere zwei Fallgruppen denkbar:
Zunächst solche Ungleichbehandlungen, "wenn im Hinblick auf die objektiv-biologischen oder funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses eine besondere Regelung erlaubt oder sogar geboten ist".
Ferner ist die Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber auch dann zulässig, "wenn er einen sozialstaatlich motivierten typisierenden Ausgleich von Nachteilen anordnet, die ihrerseits auch auf biologische Unterschiede zurückgehen" (Kompensationsprinzip).
Persönlich halte ich diese differenzierende Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, die im übrigen Richtschnur für das Handeln des Bundestages ist, für überzeugend, denn da Männer und Frauen objektiv nicht gleich sind, muss unter Umständen auch eine Ungleichbehandlung zulässig sein.
Aus diesen Gründen ist der von Ihnen monierte Vorrang in bestimmten Fällen gerechtfertigt.
Schließlich existiert auch keine verfassungsrechtliche Normhierarchie dergestalt, dass „ursprüngliches“ Verfassungsrecht eine höhere Stellung hätte als nachträglich eingefügte Grundgesetznormen. Zwar geht das Verfassungsrecht dem sonstigen einfachen Bundes- und Landesrecht vor, untereinander besehen sind aber die Normen des Grundgesetzes rechtlich gleichrangig.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Grosse-Brömer, MdB