Frage an Michael Grosse-Brömer von Jürgen R. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Grosse-Brömer,
bei der derzeitigen Diskussion über die Kosten des Gesundheitssystems ist mir nicht klar, wieso in Deutschland nicht wie in anderen europäischen Ländern die maximalen Kosten für Arzneimittel zentral mit den Unternehmen verhandelt und festgelegt werden können.
Wenn ein Unternehmen bereit ist, in der Schweiz, oder Spanien ihr Produkt zu einem bestimmten Preis zu verkaufen, wieso darf und kann es dann in Deutschland deutlich mehr dafür verlangen?
Der Gesetzgeber kann hier z.B. leicht die Kosten für Arzneimittel deckeln, indem einfach von den Verhandlungsergebnissen bzw. Preisniveaus anderer europäischer Länder profitiert wird.
In der Arzneimittelpreisverordnung ist schon heute z.B. die Großhandelsspanne auf maximal 6% für teurere Medikamente festgelegt, oder der Apothekenzuschlag festgeschrieben.
Warum geht man hier nicht weiter und setzt den maximalen Verkaufspreis jeder Arznei z.B. auf den günstigsten Preis in den europäischen Nachbarländern plus etwa 10% fest?
Hierbei kann man sich am Preis pro Gramm Wirkstoff orientieren.
Eine derartige Preisgrenze sollte alle zusätzlichen Kosten wie Transportkosten für die Unternehmen abdecken, verhindert aber, dass die Unternehmen unangemessen hohe Preise verlangen und man nutzt das Verhandlungsgeschick der Institutionen der Nachbarländer, auch ohne zwingend eine eigene Institution Verhandlungen führen lassen zu müssen.
Nebenbei wird das Problem der Abfallentsorgung abgelaufener Arzneimittel abgemildert, weil es unattraktiv für die Unternehmen wird vergünstigte Vorratspackungen an die Verbraucher zu verkaufen, die dann häufig nicht aufgebraucht werden.
Jeden Eingriff in einen freien Markt sehe ich persönlich kritisch, die inneuropäische Preisdifferenz bei Arzneimitteln zeigt aber deutliche Anzeichen eines Marktversagens in Deutschland auf die der Gesetzgeber gerade in Hinblick auf die massiv steigenden Gesundheitskosten reagieren sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Reimers
Sehr geehrter Herr Reimers,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 07. Oktober 2009.
Grundsätzlich wird der Arzneimittelmarkt im Moment von einer Vielzahl politischer Instrumente reguliert. Diese Instrumente sollen nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung einer genauen Prüfung unterzogen werden. Der Arzneimittelmarkt soll unter patienten-, mittel-standsfreundlichen und wettbewerblichen Kriterien effizient neu geordnet werden.
Obwohl ich als Jurist im Rechtsausschuss arbeite und die Gesundheitspolitik nicht zu meinen Kernarbeitsbereichen zählt, sind mir jüngste Studien zu den Arzneikosten in Deutschland bekannt. So besagt der Arzneimittelreport 2009 in der Tat, dass die deutschen Beitragszahler mehr für ihre Medikamente zahlen müssen als ihre europäischen Nachbarn. Vor diesem Hintergrund kann man darüber sprechen, ob die Praxis der Preisgestaltung im Bereich Arzneimittel nicht überdacht werden muss.
Allerdings bin ich, wie Sie, hinsichtlich staatlicher Eingriffe in den freien Markt grundsätzlich skeptisch. Ich glaube nicht, dass das von Ihnen vorgeschlagene Instrument einer durch den Gesetzgeber vorzugebenden, an europäischen Durchschnittspreisen gekoppelten Preisgrenze der richtige Weg ist. Damit gäbe der Staat faktisch die Preise vor, was eigentlich den Grundprinzipien einer sozialen Marktwirtschaft widerspricht.
Sinnvoller ist vielleicht, beim derzeitigen Preisaushandlungsprozess in Sachen innovativer Arzneimittel die Verhandlungsposition der Krankenkassen zu stärken. Im Moment setzt die Pharmaindustrie hier nach der Einschätzung vieler Beobachter vielfach die Preise fest. Daher unterstütze ich Überlegungen innerhalb der Regierungskoalition, nach denen die Pharmaunternehmen künftig mit den Krankenkassen über die Preise von patentgeschützten innovativen Arzneimitteln verhandeln sollen. Diese und andere Regelungen, die nach Markteintritt eines Medikaments zu fairen Preisen führen sollen, befinden sich derzeit allerdings noch in der Planungsphase und müssen zwischen den Koalitionsparteien noch weiter ausgehandelt werden.
Mit freundlichen Grüßen
M. Grosse-Brömer, MdB