Frage an Michael Brand von Helmut E. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Zum Thema Asyl habe ich noch viele Fragen.
Sind Tunesien, Algerien und Marokko sichere Herkunftsländer?
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) lehnt – wie allgemein bekannt – das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ als unvereinbar mit der Genfer Flüchtlingskonvention und einem fairen und individuellen Asylverfahren ab.
Das deutsche Grundgesetz lässt das Konzept des sicheren Herkunftsstaates jedoch unter strengen Vorgaben zu. Nach diesen Vorgaben muss sichergestellt sein, dass ein Herkunftsstaat nur dann als sicher eingestuft werden darf, wenn u. a. dort die Anwendung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nachgewiesen ist.
Für alle drei oben genannten Länder hat AI jedoch in einer Stellungnahme an den Innenausschuss dargelegt, dass die strengen Vorgaben des Grundgesetzes nicht erfüllt sind. Die wesentlichen Verstöße gegen die Vorgaben des Grundgesetzes betreffen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Folter und erniedrigende Behandlung, die sexuelle Selbstbestimmung, den fehlenden Zugang internationaler Organisationen zur Prüfung der Menschenrechtsstandards, und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Schließen Sie sich der Bewertung von Amnesty International an und halten Sie die genannten Staaten auch nicht als sichere Herkunftsstaaten im Sinne des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts?
Sehr geehrter Herr E.,
Deutschland hat sich der Herausforderung der bislang größten Flüchtlingsbewegung der Nachkriegszeit gestellt. Wir haben vielen Menschen in Not geholfen, ihnen Aufnahme und Bleibe gewährt. Diejenigen, die wirklich an Leib und Leben bedroht sind, müssen weiter Schutz finden.
Gleichzeitig wurde die Zahl der Menschen, die kein Bleiberecht haben, deutlich reduziert. Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien wurden aus guten Gründen zu sicheren Herkunftsländern erklärt und so konnten die Asylbewerberzahlen wesentlich gesenkt werden.
Zu den drei von Ihnen angesprochenen Ländern: Die Anerkennungsquote für tunesische Asylbewerber lag 2016 bei 0,8 Prozent, bei Algeriern bei 2,7 und bei Marokkanern bei 3,6 Prozent. Angesichts dieser Zahlen halte ich es für richtig, dass Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. "amnesty international" hat vollkommen Recht, dass faire und individuelle Verfahren die Voraussetzung dafür sind. Rechtsstaatliche Verfahren bleiben selbstverständlich weiter das Fundament aller Entscheidungen.
Bei der Diskussion um sichere Herkunftsländer und Zahlen - hinter denen sich immer ein einzelnes menschliches Schicksal verbirgt - darf vor allem eines nicht übersehen werden: es braucht deutlich mehr Anstrengungen bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. Die menschenverachtenden Aktivitäten der Schleuser müssen energischer bekämpf werden. Gleichzeitig wollen wir helfen, gemeinsam mit internationalen Organisationen die Lebensbedingungen der Betroffenen vor Ort zu verbessern. Ich denke, ehrliches Arbeiten an menschlich guten Lösungen ist allemal besser als einfache Schlagwörter, wie sie von manchen in der Debatte immer wieder verwendet werden. Für Ihre Hinweise danke ich sehr.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Brand