Frage an Melanie Huml von Thomas H. bezüglich Soziale Sicherung
Betreff: Zu Abschlägen bei Erwerbsminderungsrenten.
Sehr geehrte Frau Hummel,
der 5a Senat des Bundessozialgerichtes in Kassel bestätigte am 14.08.2008 die seit 2001 gültige Praxis der Rentenversicherungsträger, Erwerbsminderungsrenten um bis zu 10,8 Prozent zu kürzen, wenn die Renten vor dem 60. Geburtstag in Anspruch genommen werden.
Sehen Sie das als Generalsekretärin im Bayerischen Sozialministerium genauso? Wäre es nicht gerechter, die niedriger ausfallende EU-Rente vor Erreichen des 60. Lebensjahr ohne Abschläge auszuzahlen?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Haderlein
Sehr geehrter Herr Haderlein,
ich danke Ihnen für Ihre Zuschrift und möchte Ihnen gerne darauf antworten.
Auf der einen Seite kann ich gut verstehen, dass es vielen gerechter erscheinen mag, Erwerbsminderungsrenten ohne Abschläge auszuzahlen. Immerhin haben aus gesundheitlichen Gründen in ihrer Erwerbsfähigkeit Geminderte nicht die Wahl, bis zum regulären Renteneintrittsalter weiterzuarbeiten.
Auf der anderen Seite halte ich die Rentenabschläge aber dennoch für unverzichtbar.
Der insbesondere in den 1990er Jahren anhaltende Trend zu einem immer früheren Renteneintritt hatte auf Dauer zu einer starken Belastung der Rentenkasse geführt. Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, wurden deshalb seit 1997 zunächst die Altersgrenzen für vorzeitige, d.h. bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze von (derzeit noch) 65 Jahren in Anspruch genommene Altersrenten schrittweise angehoben. Gleichzeitig wurden Rentenabschläge bis zu maximal 18 % bei vorzeitigem Rentenbezug eingeführt. Sie gleichen die finanziellen Vorteile aus, die sich für Frührentner anderenfalls aufgrund ihres entsprechend längeren Rentenbezuges im Vergleich zu Versicherten mit gleicher Gesamtbeitragsleistung, aber späterem Renteneintritt ergäben.
Um zu verhindern, dass die Betroffenen in die Erwerbsminderungsrente ausweichen und so die Rentenabschläge umgehen, wurden ab 2001 auch bei den Erwerbsminderungsrenten schrittweise Abschläge - hier allerdings nur bis zu maximal 10,8 % - eingeführt, die zum Tragen kommen, wenn die Rente vor dem 63. Geburtstag in Anspruch genommen wird.
Leider wird bei der immer wieder an dieser Gesetzesänderung geübten Kritik meist übersehen, dass die Renteneinbußen durch die Abschläge immerhin dadurch abgemildert werden, dass parallel zur Einführung der Rentenabschläge die Zurechnungszeit verlängert wurde.
Diese wird bei Erwerbsminderungsrenten zusätzlich zu den bis zum Eintritt des Leistungsfalls zurückgelegten Versicherungszeiten angerechnet. Der Betroffene wird dadurch so gestellt, als ob er bis zum Alter von 60 Jahren weiterhin Rentenversicherungsbeiträge in Höhe seiner durchschnittlichen Beitragsleistung bis zum Leistungsfall gezahlt hätte. Besonders wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits in jungen Jahren eintritt, fällt die Rente dadurch deutlich höher aus, als dies eigentlich der tatsächlich bis dahin erbrachten Beitragsleistung entspräche.
Bei Rentenbeginn bis zum 31.12.2000 wurde die Zurechnungszeit vom Eintritt der Erwerbsminderung bis zum vollendeten 55. Lebensjahr voll, für die Zeit vom 55. bis zum 60. Lebensjahr aber nur zu einem Drittel rentensteigernd berücksichtigt. Nach einer Übergangszeit von 2001 bis 2003 wird sie nun seit 2004 bis zum 60. Lebensjahr voll angerechnet. Zumindest zum Teil gleicht das die Rentenabschläge wieder aus.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Melanie Huml