Frage an Melanie Huml von Thomas S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Huml,
ich empfinde Ihre Antwort auf die von H. S. gestellten Fragen zur Armutsproblematik als inhaltlich unbefriedigend, sie weichen der eigentlichen Problematik aus, gehen nicht wirklich auf die Fragestellung ein und versuchen stattdessen eine m.E. unredliche Schönfärbe der Armutsproblematik mit m.E. falsch verwendeten statistischen Methoden.
H. S. fragt, Zitat:
"Wie gehen Sie damit um, dass in Bayern, dem zweitreichsten Bundesland, über 20% der Bevölkerung in Armut lebt, dass gegen 20% der bayerischen Kinder in Armut aufwachsen und dass 20% der Rentner von Altersarmut betroffen sind?"
http://www.abgeordnetenwatch.de/melanie_huml-512-11233--f361103.html#q361103
Mir stößt sehr sauer auf, dass Sie die Worte von H. S. im Sinn entstellen,
Zitat Frau Huml (unter gleichem Link abrufbar):
"Bayern steht im Bundesvergleich – wie Sie richtig anmerken – hervorragend da"
Wo hat Herr Schudel von "hervorragend" gesprochen?
Glauben Sie, dass Sie mit Durchnitts- und Meridianwerten der Beschreibung der Notlage armer Menschen in Bayern gerecht werden?
Konkret aus der Sicht der betroffenen Menschen gefragt:
Was nutzt es armen Menschen in Bayern, wenn Bayern laut ihren Worten in Relation hervorragend da steht?
Sie verwenden in Ihrer Antwort oft den Begriff "Armutsgefährdungsquote"
Verniedlichen Sie mit dem Begriff Armutsgefährdung nicht die schon real existierende Not armer Menschen, die von einer Armutentwicklung mehr gefährdet, sondern von Armut aktuell betroffen sind?
Was sagen Sie zu dieser Aussage der Süddeutschen Zeitung?
"Fast jeder fünfte Münchner ist arm oder von Armut bedroht. Etwa 253.800 Menschen leben unterhalb oder am Rande der Armutsrisikogrenze,(...)"
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/armutsbericht-immer-mehr-muenchner-sind-arm-1.1501067
Oft sind fehlende Erwerbsarbeit und schlecht bezahlte, nicht zum ausreichenden Erwerb taugende Arbeit Armutsfaktoren.
Was machen Sie dagegen?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Bereich Sozialpolitik, durch die Sie mir Gelegenheit geben, in Ergänzung meiner vorangegangenen Antwort vom 4. Januar 2013, einige Themen weiter zu vertiefen. Zunächst möchte ich einen Satz aus meinen Ausführungen vom 4. Januar 2013 nochmals betonen, der mir besonders am Herzen liegt: „Jeder Mensch, der in Armut lebt, ist einer zu viel.“ Soweit ich persönlich von der Notlage eines Einzelnen erfahre und es mir möglich ist, versuche ich demjenigen zu helfen. In meine Bürgersprechstunden kommen regelmäßig Menschen, die Hilfe benötigen und ich unterstütze sie gerne.
Da Bayern mehr als 12,6 Millionen Einwohner hat, ist es leider nicht möglich, sich persönlich vom Wohl jedes Einzelnen zu überzeugen. Deshalb sind wir seitens der Staatsregierung auch auf statistische Daten angewiesen. Diese wiederum mögen unter Umständen zu Missverständnissen führen. Ein Beispiel ist die „Armutsgefährdungsquote“. Sie erfasst nur das laufende Einkommen, nicht aber das Vermögen. Somit gilt eine Witwe, die zwar eine niedrige Rente hat, aber eine wertvolle Immobilie besitzt, als armutsgefährdet. Für die Situation der älteren Menschen ist der Blick auf die Grundsicherung aussagekräftiger. In Bayern gelten 19 Prozent der älteren Menschen als armutsgefährdet, jedoch benötigen nur zwei Prozent von ihnen eine Grundsicherung. Durch die Grundsicherung können wir garantieren, dass es keinem Menschen an lebenswichtigen Gütern wie Nahrung, Obdach oder Kleidung mangeln muss. In Deutschland ist das Existenzminimum verfassungsrechtlich geschützt! In etlichen Teilen der Welt ist dies anders.
Als Staatsregierung haben wir in Bayern bereits in erheblichem Maße das Sozialsystem des Bundes abgefedert. Doch möchten wir als Christlich-Soziale Union gerne allen ärmeren Menschen in Deutschland helfen und Verbesserungen für sie erreichen.
Hierzu haben wir auf unserem Parteitag im vergangenen Oktober den Leitantrag „Lebensleistung honorieren – Sicherung im Alter“ verabschiedet. Wer sein Leben lang gearbeitet und Vorsorge betrieben hat, muss im Alter angemessen abgesichert sein. Gleichzeitig wollen wir die Weichen am Arbeitsmarkt so stellen, dass auskömmliche Rentenansprüche entstehen.
Kerninhalte des Leitantrags sind:
- Aufwertung der Kindererziehung
Erste Priorität hat für uns, die Bewertung der Kindererziehung im Generationenverlauf anzugleichen. Für vor 1992 geborene Kinder bekommen Mütter bislang nur ein Kindererziehungsjahr in der Rente, während für nach 1992 geborene Kinder drei Kindererziehungsjahre gutgeschrieben werden. Diese Gerechtigkeitslücke gilt es auszugleichen. Für zukünftige Rentnerinnen sind daher drei Kindererziehungsjahre pro Kind anzurechnen, also auch für vor 1992 geborene Kinder.
- Lebensleistung Pflege
Häusliche Pflege soll ebenfalls höhere Renten nach sich ziehen, insbesondere auch für bereits ältere Pflegende. Durch eine Rentenversicherungspflicht wegen häuslicher Pflege, auch parallel zu dem Bezug einer vorgezogenen Altersvollrente, werden ältere Pflegepersonen abgesichert, die eine Altersrente etwa gerade deshalb vorzeitig in Anspruch nehmen, um Angehörige pflegen zu können. Die rentenrechtliche Bewertung von Pflegezeiten soll im Gleichklang mit Kindererziehungszeiten erfolgen.
- Stärkung der Eigenvorsorge
Wir möchten auch Geringverdienern eine Perspektive auf eine auskömmliche Rente aus eigener Kraft geben und ihre Leistungs- und Vorsorgebereitschaft stärken. Die individuelle wie die kollektive betriebliche Altersversorgung soll für diesen Personenkreis attraktiver gemacht werden. Wer lebenslang gearbeitet hat und über die gesetzliche Rente hinaus privat oder betrieblich für sein Alter vorgesorgt hat, muss im Alter aufgrund dieser Vorsorge besser dastehen, als jemand der nicht entsprechend vorgesorgt hat.
- Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente
Wir wollen den Schutz, den die Erwerbsminderungsrente bietet, durch eine Anhebung der Zurechnungszeit und eine Höherwertung der letzten vier Jahre vor Renteneintritt verbessern.
- Bessere Startbedingungen für Berufseinsteiger
Berufseinsteiger wünschen sich zu Recht einen sicheren, angemessen bezahlten Arbeitsplatz. Zu viele erhalten jedoch lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag. Grundsätzlich sollte die Wirtschaft sozialversicherungspflichtige, unbefristete Arbeitsverträge anbieten und in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung Befristungen auf ein Mindestmaß reduzieren.
- Flanken für die Zeitarbeit
Zeitarbeit ist ein unentbehrliches Element eines flexiblen, dynamischen Arbeitsmarkts. Sie muss aber auf ein vernünftiges, sozialverträgliches Maß begrenzt sein. Die CSU fordert flankierende Regelungen zum Einsatz von Zeitarbeit auf tarifvertraglicher bzw. betrieblicher Ebene. Nur so ist die Berücksichtigung konkreter branchenspezifischer und regionaler Gegebenheiten möglich. Eine pauschale gesetzliche Entleihquote lehnen wir daher ab. Zeitarbeitnehmer sollen nach einer Übergangszeit grundsätzlich dasselbe Arbeitsentgelt erhalten wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihbetriebs. Bedingungen und Voraussetzung sollten in Tarifverträgen festgelegt werden. Es gibt bereits in einigen wichtigen Branchen tarifliche Vereinbarungen. Die Arbeitgeber werden aufgefordert, allgemein diesem Beispiel zu folgen. Die Linie der Bundesregierung, für den Fall einer nicht gelingenden tariflichen Lösung die Einsetzung einer Kommission in Aussicht zu stellen, unterstützen wir.
- Wiedereinstieg in den Beruf
Nach familienbedingten Erwerbsunterbrechungen muss der Wiedereinstieg in den Beruf ohne Karriereknick möglich sein. Gerade ein Wiedereinstieg mit reduzierter Arbeitszeit erfolgt noch zu oft in einer Verwendung unterhalb des vorhandenen Potentials. Eine Familienphase darf aber nicht zu einer Abwertung in der Arbeitswelt führen. Die CSU fordert mehr Engagement für die berufliche Weiterqualifikation während Familienunterbrechung, flexible Arbeitszeiten auch für Väter und in Führungspositionen sowie eine familienfreundlichere Organisation der Arbeitswelt (u.a. Kinderbetreuungsangebote, Betreuungsgeld, Familienpflegezeit, Förderung
haushaltsnaher Dienstleistungen).
- Auskömmliche Löhne - Allgemeine Lohnuntergrenze
Klares Ziel einer sozialen Marktwirtschaft muss die angemessene und möglichst auskömmliche Entlohnung von Arbeit sein. Die Festlegung angemessener Entgelte ist dabei ureigenste Aufgabe der Tarifparteien. Lohndumping muss verhindert werden. Eine Politisierung der Lohnfindung über einen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab. Deshalb haben wir die Möglichkeit von Branchen-Mindestlöhnen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit eingeführt. Zusätzlich sollte zukünftig die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtert werden. Wir halten es für notwendig, eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert.
- Aufwertung „frauentypischer“ Berufe
Geschlechtsbedingte Lohnunterschiede darf es nicht geben. Arbeitgeber und Tarifpartner haben geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen zu beseitigen. Insbesondere frauendominierte Berufe im sozialen Sektor müssen entsprechend ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung bewertet und besser entlohnt werden. Die CSU unterstützt alle Maßnahmen und Initiativen, um beginnend bei der Berufswahl mehr Frauen in „Männerberufe“ und mehr Männer in „Frauenberufe“ zu bringen.
Auf unserem Parteitag im Oktober haben wir außerdem beschlossen, die Kampagne „Steuer gegen Armut“ zu unterstützen – eine Forderung von über 90 politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen (Kampagne „Steuer gegen Armut“) nach der Einführung einer globalen Steuer auf Finanztransaktionen. Die Einnahmen sollten für nachhaltige Investitionen in die Armutsbekämpfung verwendet werden sowie in den Bildungsbereich und den Kampf gegen den Klimawandel fließen.
Weitere Einzelheiten können Sie im Beschlussbuch des CSU Parteitags 2012 nachlesen:
http://www.csu.de/dateien/partei/beschluesse/121020_beschlussbuch.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Melanie Huml, MdL
Staatssekretärin