Frage an Mechthild Rawert von Andreas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Rawert,
Sie haben der Verlaengerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan zugestimmt.
Koennen Sie den Verwandten der getoeteten Soldaten in Augen schauen?
Ich meine diese frage sehr Ernst.
Sind Sie der Meinung, dass Deutschland in Afghanistan verteidigt werden muss?
Warum unternimmt die Bundeswehr voort nichts gegen die Mohnfelder?
Was macht dieser Einsatz fuer sie persoenlich fuer eien Sinn?
mit freundlichen Gruessen
Andreas Schroeder
Sehr geehrter Herr Schroeder,
Angehörigen von getöteten Menschen in die Augen zu schauen, ist immer schwer und berührt jeden Menschen. Trauer erzeugt Trauer. Dieses gilt für getötete Soldaten ebenso wie für im Dienst getötete Polizeibeamte, für Opfer plötzlich in Brand geratener Omnibusse und vor allem beim Tode eigener Angehöriger. Trauer ist ein zutiefst menschliches Gefühl.
Jede/r Bundestagsabgeordnete macht sich ihre/seine Entscheidung über die Abstimmung von ISAF und schon gar nicht zu OEF leicht. Ich versichere Ihnen, dass diese bei allen nach reiflicher Überlegung und Abwägung vieler Aspekte erfolgt. Obgleich weder Sicherheits-, Innen-Außenpolitikerin und auch nicht Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit bin ich aus Verantwortung für diese Entscheidungen 2007 für einige Tage nach Afghanistan gefahren und habe mit Soldatinnen und Soldaten in den Camps in Masar-i-Sharif und in Kunduz gesprochen, ebenso mit deutschen als auch afghanischen VertreterInnen von Nicht-Regierungsorganisatione-. Bei aller notwendigen Kritik: Für alle ist die Anwesenheit auch unserer Deutschen Bundeswehr unverzichtbar – oder ich entscheide, Afghanistan und die Menschen dort aufzugeben. Aus meinem Verantwortungsverständnis heraus habe ich auch im Vorfeld der Abstimmung eine öffentliche Veranstaltung „Das deutsche Engagement in Afghanistan: Ziviler Wiederaufbau und Sicherheitsinteressen“ durchgeführt, damit ich mit den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises meine Positionen noch im Vorfeld meiner Abstimmung öffentlich diskutiere.
Trotz unbestreitbarer Fortschritte beim zivilen Aufbau des Landes u. a. im Bildungs- und Gesundheitsbereich, in der Wasserversorgung, beim Aufbau einer modernen kommunalen Daseinsvorsorge ist noch sehr vieles zu tun. Sie fragen auch zu Recht nach dem Anbau von Mohn, der in Afghanistan in einem kaum vorstellbaren Maße erfolgt. Ich erachte hier allerdings nicht in erster Linie die Bundeswehr für den notwendigen Akteur. Vielmehr sehe ich die Aufgabe darin, anderweitige landwirtschaftliche Produkte anzubauen und diesen auch einen erfolgreichen Markt zur Verfügung zu stellen, so dass die Bauern auf den Mohnanbau nicht angewiesen sind. Bekannt ist aber auch, dass gerade im Zusammenhang viele kriminelle Gruppierungen erstarkt sind, die genau dieses nicht wollen.
Grundsätzlich ist für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die deutsche Außenpolitik untrennbar mit der Friedenspolitik verbunden. Friedenssicherung und Konfliktvorbeugung und eine gerechte Entwicklungszusammenarbeit sind daher Leitlinien deutscher und europäischer Außenpolitik. Hierin erkenne ich einen Sinn. Das Ziel, Afghanistan darin zu unterstützen, mittelfristig aus eigener Kraft für Frieden und Sicherheit seiner Bevölkerung und mit den Nachbarstaaten wie Pakistan sorgen zu können, macht für mich sowohl geo-strategisch als auch rechtsstaatlich Sinn. Die Mittel für den Polizeiaufbau werden in diesem Jahr verdreifacht: auf 35,7 Millionen Euro. Für mich macht es Sinn, sicherzustellen, dass in 2009 freie, allgemeine und geheime Wahlen stattfinden können. Für mich macht auch Sinn: Afghanistan hat eine Verfassung, die den Frauen und Mädchen gleiche Rechte wie den Männern einräumt. Der Rückgang der Kindersterblichkeit und die Tatsache, dass mittlerweile 85% der Afghanen Zugang zur medizinischen Versorgung haben, zeigen z.B., dass das Gesundheitswesen bedeutsame Fortschritte gemacht hat. Erfolge gibt es auch im Bildungsbereich: 75% der Jungen und 35% der Mädchen gehen inzwischen zur Schule. Seit 2001 wurden landesweit 3.500 Schulen gebaut, die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich auf rund sechs Millionen mehr als verfünffacht. Die afghanische Wirtschaft kommt voran: Die Exporte steigen, das Bruttoinlandsprodukt wächst jährlich mit zweistelligen Raten. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 220 Euro verdoppelt. Auch wenn diese und weitere Fortschritte nicht ausreichen, sie eröffnen den AfghanInnen neue Chancen.
Sehr geehrter Herr Schroeder,
aber Sie haben Recht: Unsere Anstrengungen müssen auch von hier aus kontrolliert werden. Aus diesem Grunde wurde im Oktober 2006 die „Task Force Afghanistan“ als Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion mit dem Ziel gebildet, die Entwicklung in Afghanistan aufzuarbeiten. Es ging - und geht - darum, nicht die Augen vor Fehlentwicklungen zu verschließen, sondern den Ursachen hierfür nachzugehen und die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserungen der Lage zu konkret zu benennen und bei der afghanischen aber auch unserer deutschen Regierung einzufordern. Der Abschlussbericht vom 07.September 2007 (vgl. www.spdfraktion.de) unterstreicht das Interesse Deutschlands an einer Stabilisierung Afghanistans, am friedlichen Wiederaufbau sowie an einem langfristigen Engagement, das dazu führt, dass Afghanistan nicht wieder zum sicheren Hafen für Terroristen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert