Frage an Mechthild Rawert von Karlheinz B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Rawert,
die Geheimdienste in Deutschland sind in den letzten Jahren, nicht zu Unrecht, in Verruf geraten. Da ist die unrühmliche Rolle die sie im Zusammenhang mit den NSU-Morde gespielt haben, genauso wie ihre Rolle bei der Operation Eikonal im Zusammenhang mit der NSA.
Das Parlamentarische Konntrollgremium (PKGr) ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig. Diese Aufgabe wurde in der Vergangenheit von der Bundesregierung immer wieder konterkariert obwohl sie verpflichtet ist, das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das PKGr kann von ihr außerdem Berichte über weitere Vorgänge verlangen.
Das ist wie wir alle wissen nicht immer in diesem Sinne passiert und wenn Unterlagen an das PKGr weitergereicht wurden, waren große Passagen geschwärzt worden.
Es kann auch nicht sein, das Akten mit Sperrvermerken von Jahrzehnten vor der Öffentlichkeit versteckt werden, wie es z.B. im Mordfall von Generalbundesanwalt Siegfried Buback geschehen ist und jetzt schon wieder im NSU-Mordfall passiert. Das kann nicht hingenommen werden.
Was gedenken Sie und Ihre Partei in der Zukunft zur Verbesserung und Transparenz zu tun?
Sehr geehrter Herr K. B.,
herzlichen Dank für ihre Frage vom 21. August 2017.
NSU
Noch immer trauere ich um die neun schmählich ermordeten Männer mit Migrationsbiographie und um die Polizistin, die zwischen 2000 bis 2007 in einer bis zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland beispiellosen Verbrechensserie ermordet wurden. Der so genannte „Nationalsozialistische Untergrund (NSU)“ hat neben diesen niederträchtigen Morden, die den Opfern und ihren Angehörigen unfassbares Leid haben erfahren lassen, mutmaßlich mindestens zwei Bombenanschläge verübt. Noch immer schäme ich mich dafür, dass die Sicherheitsbehörden unseres Staates auf „dem rechten Auge“ blind gewesen sind. Noch immer ist das Vertrauen vieler Gesellschaftsmitglieder – ob mit oder ohne Migrationsgeschichte – in unsere Sicherheitsbehörden noch nicht wieder vorhanden.
Das Bekanntwerden des NSU-Terrors hat die Bewertung des deutschen Rechtsextremismus verändert. Vor allem aber wurde dadurch insbesondere bei Menschen mit eigener oder familialer Migrationsgeschichte - vor allem in der türkeistämmigen Bevölkerung - ein Wandel ausgelöst. Viele Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte in Deutschland sehen die rechtsterroristischen Taten in einer Wechselwirkung mit rassistischen Positionen in der Gesellschaft. Ich bin dankbar, dass es mittlerweile in der Jugend- und Bildungsarbeit didaktische Unterlagen zu einer rassismuskritischen Bildungsarbeit, zur gesellschaftlichen und historischen Verortung des NSU-Komplexes und zur medialen Berichterstattung in deutsch- und türkischsprachigen Medien gibt.
Am 27. Juni 2017 hat der 3. Untersuchungsausschuss des Bundestages in dieser Wahlperiode, der sich mit den Ermittlungen zur Mordserie der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) befasste, seinen 1708 Seiten umfassenden Abschlussbericht (18/12950) an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert übergeben. Das was ein Parlament aufklären könne, sei geklärt. Die beteiligten Parlamentarier*innen sagen aber selbst, dass noch Fragen offen geblieben.
Nie wieder darf es möglich sein, dass sich ein solches Terrornetzwerk, seine Unterstützer*innen und das sogenannte Umfeld dem Zugriff der Behörden entziehen kann. Ausgebaut werden muss die Förderung einer nachhaltigen Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus. Gerade in Zeiten des Wiedererstarkens von rechtspopulistischem und rechtsextremem Gedankengut alles dafür getan werden, damit sich eine menschenverachtend-rassistische Mordserie wie diejenige der Terrorgruppe NSU nicht wiederholen kann, u.a.:
- Vorhandene und sich entwickelnde rechtsextremistische und rechtsterroristische Strukturen müssten aufgedeckt werden – Behörden haben bereits das Entstehen wirksam zu bekämpfen.
- Rechtsextreme, rassistische und antisemitische Einstellungen und Strömungen in der Gesellschaft sind konsequent zu bekämpfen - die Zivilgesellschaft muss gestärkt werden, indem Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus finanziell verstetigt werden.
- Eine tragfähige finanzielle Grundlage, sprich Planungssicherheit, brauchen auch die mobilen Beratungsteams und spezialisierten Opferberatungsstellen für Betroffene von Gewalttaten aus dem Bereich politisch motivierter rechter Kriminalität.
Die SPD hat in ihrem Regierungsprogramm genau dieses zugesagt: Wir werden den Kampf für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, den Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung ausbauen.
NSA und Stärkung des PEGr
Ich stimme Ihnen zu, dass die Arbeit und Kontrolle des BND und die Transparenz darüber verbessert werden muss. Das lange Zeit währende unkontrollierte Eigenleben des BND ist zu stoppen. Wir brauchen den BND zum Schutz vor Terror – wollen aber sicher nicht, dass deutsche Bürger*innen sowie Unternehmen in das Visier ausländischer Nachrichtendienste, die mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst kooperieren, geraten oder umgekehrt, . Wir machen Schluss mit Grauzonen der BND-Arbeit. Wir haben auf Druck der SPD bereits massive Verbesserungen der BND-Kontrolle vorgenommen, u.a. durch
- eine personelle und dauerhafte Stärkung des PKGe durch einen Beirat aus Bundesrichter*innen und -anwält*innen
- die Erweiterung der Befugnisse des Parlaments gegenüber den Nachrichtendiensten, es existiert ein Parlamentsvorbehalt beispielsweise hinsichtlich geplanter Kooperationen mit anderen ausländischen Diensten
- durch eine uneingeschränkte Dokumenteneinsicht oder der Möglichkeit auch Angehörige der Nachrichtendienste oder das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft zu befragen.
In unserem SPD-Regierungsprogramm halten wir fest: „Wir benötigen rechtsstaatliche legitimierten, leistungsfähige Nachrichtendienst mit umfassender parlamentarischer Kontrolle.“ Wir werden die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsauschusses für weitere Aktionen zugrunde legen. Grundrechtsverletzung wird es mit uns nicht geben.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert