Frage an Mechthild Rawert von Renate B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Rawert,
Sehr geehrter Herr Krestel,
immer mehr BürgerInnen wollen sich mehr einbringen und fordern eine Volksabstimmung auf Bundesebene.
Wie stehen Sie dazu?
Mit Interesse Ihrer Antwort entgegensehend verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
R. B.
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Frage vom 30. Juli 2017.
Ich begrüße Ihre Haltung, dass sich immer mehr BürgerInnen in unsere repräsentative Demokratie engagiert einbringen wollen sehr. Wir sind uns sicherlich auch einig, dass dieses angesichts der Zunahme rechter Antidemokrat*innen auch dringend notwendig ist.
Wir Sozialdemokrat*innen wollen unsere parlamentarische Demokratie machen, indem wir das Bürger*innenengagement kontinuierlich stärken. Wichtig ist und dabei Teilhabe aller, sowohl die politische, sondern auch das kulturelle und gesellschaftliche Miteinander. Alle Bürger*innen sollen die gleichen Rechte haben.
Daher wollen wir in der kommenden Legislatur folgende demokratie- und teilhabefördernde Maßnahmen einführen:
• Wir stärken die „Festtage der Demokratie“, die Wahlen und die Wählkämpfe
Wählen gehen gehört zum demokratischen Engagement. Hindernisse gehören abgebaut. Wählen gehen muss für viele Bürger*innen leichter oder überhaupt erst ermöglicht werden, u.a.
- durch die Ausweitung des Wahlrechts – beispielsweise für dauerhaft ansässige Drittstaatsangehörige auf kommunaler Ebene,
- durch die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre
- durch die uneingeschränkte Teilhabe an Wahlen – wir schaffen die Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Behinderung ab
- durch die Stärkung der direkten Demokratiebeteiligung auf Bundesebene, zum Beispiel durch die Weiterentwicklung des Petitionsrecht beim Deutschen Bundestag, durch barrierefreien Zugang für Menschen mit Behinderungen, durch bessere Einbindung von Kindern und Jugendlichen, durch mehr öffentliche Ausschusssitzungen.
Wir Sozialdemokrat*innen wollen die politische Bildung als Angebot für alle ausbauen und stärken.
• Wir schaffen Zeit, damit sich alle Menschen einbringen können
Wir stärken die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und bürgerschaftlichem Engagement, u.a.
- durch die Stärkung von Frauen, damit diese überall gleichberechtigt vertreten sind
- durch die Verbesserung des Bildungsurlaubs und mit einem Bundesgesetz zur Freiwilligenförderung
- durch die Überprüfung von Altersgrenzen beim bürgerschaftlichen Engagement.
• Bürgerschaftliches Engagement muss wertgeschätzt werden
Wir stocken die finanziellen Mittel zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements deutlich auf und sichern diese strukturell ab, u.a.
- durch die Gründung einer Deutschen Engagementstiftung unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft,
- die Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts,
- die Aufstockung des Jugendfreiwilligen- und des Bundesfreiwilligendienstes.
Sehr geehrte Frau B.,
wir haben also zur Förderung der Partizipation der Bürger*innen viel vor. Einer unmittelbaren Demokratie in Form von Volksabstimmungen auf Bundesebene stehe ich skeptisch gegenüber.
- Das Grundgesetz lässt Volksabstimmungen nur begrenzt zu: Volksabstimmungen sind nur bei der Neugliederung des Bundesgebietes (Art. 29 Abs. 2 GG) und im Fall einer neuen Verfassung (Art. 146 GG) möglich.
- Ich möchte auch die Entscheidungsfähigkeit der Staatsorgane nicht schwächen. Die bei Volksabstimmungen notwendige Reduzierung auf eine Ja–nein-Alternative ist nicht immer geeignet, sachgerechte Entscheidungen herbeizuführen, die in der Praxis häufig gerade auf einem Kompromiss beruhen. In Deutschland haben wir auch vielfach die Erfahrung gemacht, dass sich die jeweiligen wirtschaftlichen Interessen dieses Instrumentes bedienen.
Ich halte es aus den beispielhaft genannten Gründen für sinnvoll, die bewährte Form der parlamentarischen Demokratie und die Gewaltenteilung so zu belassen und dafür aber mit aller Kraft das zivilgesellschaftliche Engagement zu stärken.
Ich hoffe, ich habe Ihre Frage für Sie zufriedenstellen beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild Rawert