Frage an Mechthild Rawert von Isam K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Rawert,
Inwieweit wird aus Ihrer Sicht unser deutsches "GG im Artikel 1" zum Schutz MenschenWÜRDE in der EU wenn es sich um angeblichen Sicherheitsaspekte ignoriert?.
Denn dort ist keine Einschränkung auf die Würde des deutschen Menschen.
Stellt die EU-Sicherheitspolitik nicht eine Gefahr da, die Diktaturen (SaudiArabien, VAE) medial und politisch hierzulande in Schutz genommen werden und blutige Putschisten (Ägypten) stillweigend unterstützt und gestärkt werden.
Um hier ein Beipiel zu bringen: Der blootige Putsch in Ägypten wird von den Grünen nicht beachtet. Die Partei hat nach meiner bisherigen Wahrnehmung keine klare Position dazu und sieht daüber hinweg und zwar proaktiv (Freiheit, Gleichheit, Staatlichkeit). Muss das so bleiben? Was ist Ihre Position dazu?
Wie stehen Sie im Nachgang zu Oslo-Vereinbarung (zw. Kolonialmacht, besetztes Volk) von 1993 zur Strangulierung der palästinensischen Bevölkerung durch die isralische Kolonialisierung der Westbank und Gaza (Mittelalterliche Belagerung aus der Luft, Land und Meer) seit 1996?
Aus Sicht der europäischen Bevölkerung mag die aktuelle EU-Politik gegenüber Arabien sicherheitspolitisch fatal sein, nun die Frage ist, zu wessen Günsten ist es denn, dass eine solche zerstörerische Politik dennoch betrieben wird?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten
Mit freundlichen Grüßen
Isam Kamel
Sehr geehrter Herr Kamel,
ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Frage.
Ich stimme Ihnen absolut zu: Die Menschenwürde ist zu schützen und zu bewahren. Das sollte auf europäischer und nationaler Ebene vorangebracht werden und nicht durch Aspekte wie Sicherheit unterminiert werden.
Sie zielen mit dem Umfang ihrer Fragen auf eine Grundidee, die die Politik Deutschlands im Umgang mit den Regionen immer vor Augen behalten sollte: Ohne Frieden und Demokratie in den einzelnen Ländern im Nahen Osten kann es keinen Frieden in der gesamten Region geben.
Seit 2011 sahen wir, wie sich der Arabische Frühling erst in wenigen und dann immer mehr Ländern wie Libyen, Syrien, Ägypten ausbreitete und vor allem junge Menschen einen Herrschaftswechsel forderten. Sie kämpften für Demokratie und bessere Lebensperspektiven und dabei stellten sie die diktatorischen Regime ihrer Länder radikal in Frage - und das häufig unter Einsatz ihres Lebens. Ich finde, dass wir dabei nicht nur bewundernd daneben stehen, sondern aktiv dazu beitragen sollten, dass sich dieser Einsatz für Freiheit und die damit verbundenen Hoffnungen auch erfüllen. Gerade Menschenrechte und Menschenwürde stehen hier an oberster Stelle.
Beim Umgang mit diesen verschieden strukturierten Staaten kann keine Muster-Lösung angewendet werden. Nicht einmal in den Staaten selbst sind hier alle Menschen einer Meinung. In Ägypten stellt sich der Umgang als besonders schwierig dar. Zuerst wurde eine demokratisch-gewählte Regierung eingesetzt, die aber nur eine knappe Mehrheit in der Bevölkerung hatte und nicht demokratisch handelte. Dann kam mithilfe eines Militärputsches eine neue Regierung an die Macht - ohne den demokratischen Weg zu durchlaufen. Viele Menschen stehen zwischen der Moslembruderschaft und dem Militär. Es ist eine Situation entstanden, die vor allem nicht schnell zu lösen ist. Viele sprechen von einem doppelten Dilemma. Demokratiebestrebungen in diesen Ländern sind jung, Strukturen noch nicht ausgebildet. Die Aufgabe Deutschlands sehe ich darin am Aufbau dieser Strukturen mitzuwirken und Menschen in ihren demokratischen Strukturen zu unterstützen.
Medial und politisch sollten Diktaturen und Handlungen ihrer Akteure in Deutschland Raum zur kritischen Auseinandersetzung finden, auch da stimme ich Ihnen absolut zu. Diese dürfen auch angesichts eines Bedarfs der Zusammenarbeit mit Ländern in dieser Region zur Stabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens nicht untergehen. Der Umgang mit Ihnen bedarf allerdings eines langen Atems und Differenziertheit.
Beispielsweise sehen wir ein ständiges Kräftemessen zwischen den Regionalmächten Saudi-Arabien und dem Iran und starke Menschenrechtsverletzungen in beiden Ländern. Ihre Handlungen sind untrennbar verknüpft mit der Stabilität in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. So ist zu begrüßen, dass beim Wiener Prozess alle Parteien an einen Tisch gebracht werden konnten und durch den Kontakt Gespräche stattfanden. Gespräche führen darf aber nicht heißen, die Kritik zu vernachlässigen, die es in anderen Bereichen, gerade den massiven Menschenrechtsverletzungen, gibt. Diese werden von SPD-Abgeordneten im Bundestag auch klar erwähnt und mithilfe von fraktionsübergreifenden Anträgen auf Menschenrechtsverletzungen wie Gefangennahme und Körperverletzungen politischer Gegner http://www.bundestag.de/mediathek/?isLinkCallPlenar=1&action=search&contentArea=details&ids=4511731&instance=m187&categorie=Plenarsitzung&destination=search&mask=search (Ute Finckh-Krämer, MdB) immer wieder ins Gedächtnis gerufen. Zudem gibt es Bestrebungen der SPD, diese Menschenrechtsverletzungen auch durch praktische Hilfe zu einzudämmen, so unter anderem durch die Übernahme von Patenschaften für politisch verfolgte Parlamentsabgeordnete und JournalistInnen. Auch fordern SPD-PolitikerInnen, bei Auslandsreisen Kontakt zu Menschenrechtsorganisationen aufzunehmen. Solche Aktionen senden Signale an diese Länder, die verdeutlichen, dass neben diplomatischen Verhandlungen die starke Kritik an Menschenrechtsverletzungen nicht aus den Augen verloren wird.
Der lange Atem spielt aber auch eine entscheidende Rolle im Umgang zur Bekämpfung der Fluchtursachen in Syrien. In Europa versuchen die Mitgliedsstaaten der EU miteinander eine gemeinsame Lösung in der Flüchtlingspolitik für die Situation in den europäischen Staaten vor Ort zu finden. Obwohl eine europäische Lösung notwendig ist, sind wir da noch nicht auf einem guten Wege. Notwendig ist auch die Bekämpfung der Fluchtursachen in Syrien selbst. Ein wichtiger Schritt war in diesem Zusammenhang die finanzielle Beteiligung Deutschlands an humanitären Hilfsprogrammen der Vereinten Nationen, welche auf der UN-Geberkonferenz im Februar 2016 beschlossen wurde. Natürlich ersetzt dies nicht den politischen Prozess, der auch in der Zukunft dringend vorangetrieben werden muss, aber es ist ein wichtiger Schritt zur Stabilität der Region von internationaler Seite.
Hinsichtlich Ihrer Frage zu meiner Position zu Israel ist mir bewusst, dass der Umgang mit den israelisch-palästinensischen Beziehungen eine besondere Herausforderung darstellt. Deutschland unterstützt die Friedensbemühungen im Nahen Osten. In diesem Zusammenhang betont die SPD stets, dass Frieden nur mithilfe einer Zweistaatenlösung gefunden werden kann. Ich begrüße selbstverständlich die Oslo-Vereinbarungen 1993-1996, die den Beginn der Entspannung zwischen den beiden Staaten darstellt - eine Entspannung, die durch Annäherungsgespräche fortgeführt werden muss. Leider ist das Stop-and-Go der direkten Gespräche zwischen Palästina und Israel, die von internationaler Seite befördert werden, stets begleitet von Raketenbeschuss und Luftangriffen von beiden Seiten, von denen der jüngste Konflikt 2012-2014 stattfand.
Persönlich unterstütze ich finanziell monatlich das deutsch-israelisch-palästinensische Willy Brandt Center Jerusalem (WBC), ein Zentrum der Begegnung und Verständigung zwischen jungen Menschen aus Israel, Palästina und Europa. Träger des WBC ist der Willy-Brandt-Zentrum e.V. mit Sitz in Berlin.
Mit freundlichen Grüßen,
Mechthild Rawert