Frage an Mechthild Rawert von Ernest G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Rawert,
ich habe einige Fragen an Sie, hauptsichlich zu außenpolitische Themen, sowie zum Wahlrecht:
1.) Was ist Ihre Meinung dazu, dass beispielsweise Russen die Kämpfer auf dem Maidan-Platz sowie die jetzige ukrainische Regierung als Faschisten bezeichnen?
2.) Und, was halten Sie von der Swoboda-Partei in der Ukraine?
3.) Finden Sie das Abstimmungsergebnis auf der Krim, wo demnach 95 % für die Unabhängigkeit, und faktisch den Anschluss an Russland gestimmt haben, auch real, oder können Sie sich vorstellen, dass das Ergebnis nur manipuliert wurde, und es haben in Wirklichkeit wesentlich weniger dafür gestimmt?
4.) Gehört Krim aus Ihrer Sicht jetzt nun endgültig zu Russland, oder ist da das letzte Wort noch nicht gesprochen?
5.) Können sie sich etwaige Expansionsgelüste von russischer Seite vorstellen, die über die Krim, und eventuell auch Ostukraine, hinausgeht?
6.) Befürchten Sie, dass es im Zuge der Krise in der Ukraine zu einem Kalten Krieg, oder gar zu einem 3. Weltkireg kommen könnte, z. B. wenn Russland irgendwo militärisch eingreift, und die NATO dagegen hält?
7.) Sind Sie dafür, oder dagegen, dass Schottland unabhängig wird, nach dem Referendum im September?
8.) Halten Sie es auch für richtig, dass die Drei-Prozent-Hürde für die anstehenden Europawahlen in deutschland gekippt wurde? Sind Sie dafür, dass auch für Landtags- sowie vielleicht sogar auch für Bundestagswahlen darüber diskutiert werden soll, die Fünf-Prozent-Klausel herabzusetzen, oder gar ganz abzuschaffen?
9.) Was halten Sie von der Forderung Ihres Parteikollegen aus Schleswig-Holstein, Albig, dass Autofahrer zusätzlich in einem Fonds zahlen müssen, das dafür gedacht ist, die Autobahnen und sonstige Straßeninfrastrukturen instandzuhalten?
Ich würde mich sehr auf Ihre Antworten freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Ernest Goetz
Sehr geehrter Herr Goetz,
vielen Dank für ihre Fragen! Die ersten sechs Fragen bezogen sich ja auf die Situation in der Ostukraine, zu denen Sie meinen Standpunkt bezüglich einiger Geschehnisse wissen wollten.
Die Situation in der Ukraine wurde sowohl im Bundestag als auch im Europarat, in dem ich ebenfalls Mitglied bin, ausführlich besprochen. Auch im Europarat haben wir die Position, dass die territoriale Integrität zu wahren ist. Kein Mitgliedsstaat des Europarates hat das Recht, das Territorium eines anderen Mitgliedsstaates zu annektieren. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat am 9. April 2014 zudem beschlossen, dass das sogenannte "Referendum" auf der Krim verfassungswidrig sei. Folglich anerkennt der Europarat auch das Ergebnis nicht und sieht das Vorgehen von Russland als "illegale Eingliederung der Krim in die Russische Föderation" und somit als nicht rechtsverbindlich.
Selbstverständlich stimmt es nicht, dass die Demonstrierenden auf dem Maidan, alle FaschistInnen waren. Aussagen dieser Art schüren alte und neue Feindbilder. Leider behindern auch Bedrohungsszenarien auf beiden Seiten immer wieder eine friedliche Konfliktregelung. Die meisten der Demonstrierenden kämpfen für europäische Werte auch in der Ukraine, wollen zeigen, dass die Ukraine voller Hoffnungen ist. Sie fordern Freiheit. Ich habe darüber im Juli 2014 mit Christoph Strässer, Beauftragter für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe und VertreterInnen der Maidan-Bewegung gesprochen. Letztere klagten damals über die andauernde Korruption, die Außendarstellung der Ukraine durch "Putin-Freunde" vom extremen rechten und linken Lager.
Ich unterstütze Ihre Forderung nach einer stärkeren Menschenrechtsdebatte sowohl für den öffentlichen als auch privaten Sektor. Der neu gewählte Präsident Poroschenko wurde am 26. Juni 2014 in den Europarat eingeladen. Er betonte richtigerweise, dass nur friedliche Dialoge die Konflikte in der Ukraine lösen könnten, nur diese eine De-Eskalation im Osten des Landes herbeiführen könnten. Dieser Friedensplan bedarf der internationalen Unterstützung. Richtig waren auch seine angekündigten Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption im Land sowie die Justizreform, um das Vertrauen der BürgerInnen in den Rechtsstaat zu stärken. Angekündigt wurde auch eine Dezentralisierung der Verwaltung in der Ukraine entsprechend europäischer Regelungen zur Selbstbestimmung von Kommunen und Regionen.
Menschenrechte zu stärken und Demokratie zu stabilisieren hat stets höchste Priorität. Ein solch rasanter Umsturz der Verhältnisse wie sie in der Ukraine stattgefunden haben, öffnet auch immer Raum für politische Kräfte, die vorher keine Aktionsmöglichkeiten hatten. Darunter fällt auch die Swoboda Partei. Sie verbündete sich mit anderen europäischen rechten Parteien und zeigte faschistische Tendenzen. Dass ich diese strikt ablehne, ist selbstverständlich. Bei den Wahlen im Oktober 2014 konnte sich in der Ukraine keine rechtsextreme Partei wie die Swoboda durchsetzen. Das begrüße ich.
Wir wollen die Europäische Union stärken, wollen aber nicht zu zurück in die Phasen der politischen Blockbildungen. Wir wollen eine selbstbestimmte Ukraine als Brücke zwischen EU und Russland. Um dies zu ermöglichen, bedarf es aber noch eines hohen Maßes an nationaler Versöhnung und Integration. Hinsichtlich dieses Zieles setzen wir auf Langfristigkeit - in der Politik aber auch bei den zivilgesellschaftlichen Kräften.
Sie fragen nach der Entwicklung der EU. Ich stehe für ein gemeinschaftliches starkes Europa und nicht für separatistische Bewegungen. Das macht auch meine Position hinsichtlich des Referendums in Schottland deutlich.
Ich befürworte das Kippen der Drei-Prozent-Hürde für Parteien im Europaparlament aus demokratiepolitischer Sicht für nicht sinnvoll. Seit dem Vertrag von Lissabon hat das Europaparlament als demokratisches Organ gegenüber dem Rat der Europäischen Union an Zuständigkeiten und struktureller Durchsetzungskraft gewonnen - und stärkt damit ein demokratisches Europa. Die sowieso niedrige Drei-Prozent-Hürde beugt einer Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Parteien vor. So kann das Parlament als demokratisches Organ handlungsfähiger auftreten. Die gleiche Meinung vertrete ich auch für die Fünf-Prozent-Hürde im Bundestag und Landtagsparlamenten.
Die letzte Frage bezog sich auf den von Thorsten Albig vorgeschlagenen Sonderfonds "Reparatur Deutschland", der zur Reparatur und Wartung der Straßen und Infrastruktur dienen soll. Am 27. März 2014 stimmte der Bundestag bereits über eine Finanzierung der Erneuerung der Infrastruktur für die Benutzung von Bundesfernstraßen ab (Drucksache 18/3990 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/039/1803990.pdf ). Die SPD hat im Koalitionsvertrag die Voraussetzung für eine "PKW-Maut" - die von uns nicht gewollt ist - benannt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sie auch im Gesetzesentwurf durchgesetzt: Darunter fällt das Verhindern, dass die geplanten Zeitvignetten zu einer Diskriminierung von EU-AusländerInnen führen. Es wird außerdem für mehr Datenschutz gesorgt und die Speicherfristen für persönliche Daten der HalterInnen von drei auf ein Jahr reduziert. Außerdem wird ein verbindlicher Bürokratie- und Einnahmencheck zwei Jahre nach der technischen Einführung der PKW-Maut gesetzlich festgeschrieben. Dabei sollen Auswirkungen der PKW-Maut auf die Grenzregionen evaluiert werden. Es muss nun noch geprüft werden, ob das Gesetz im Einklang mit europäischem Recht steht. Ich habe dem Gesetz trotz großer Bedenken zugestimmt - vor allem auch, weil darin sozialdemokratische Forderungen enthalten sind und eine Priorisierungsstrategie für Investitionen in die Bundesverkehrswege festgeschrieben wurde. Meine detaillierte Persönliche Erklärung http://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2015-03-27/pers_nliche_erkl_rung_zur_abstimmung_ber_die_pkw_maut zu meinem Abstimmungsverhalten können Sie nachlesen.
Mit freundlichen Grüßen,
Mechthild Rawert