Frage an Matthias Zimmer von Karl-Heinz P. bezüglich Bundestag
sehr geehrter herr zimmer,
ich halte es für unerträglich, dass die verkleinerung des bundestags nicht vorankommt.
wo sehen hier die stolpersteine ? wie ist ihre meinung in dieser frage ?
mfg
p. s.
Sehr geehrter Herr Professor Schlotthauer,
die Frage einer Wahlrechtsreform ist in der Tat nicht einfach. Zunächst einmal kann ja auch mit dem bestehenden Wahlrecht der Bundestag deutlich kleiner werden; aber eben auch noch größer. Es hängt eben sehr vom Wahlverhalten ab.
Meine Position dazu ist wie folgt: Wir haben 299 Direktwahlkreise. Die sollten bleiben. Die Wahlkreisabgeordneten sind in besonderer Weise basisnah und responsiv. Eine Verringerung der Wahlkreismandate zieht eine Vergrößerung der Wahlkreise nach sich -- und größere Probleme, diese Wahlkreise als Abgeordneter zu "bedienen". Dazu sollte es eine gleich hohe Anzahl von Listenmandaten geben. Ohne Ausgleichsmandate oder Überhangmandate.
Das klingt ziemlich einfach und ist es auch. Es hat aus der Sicht der anderen Parteien und einen Nachteil. Da die CDU/CSU einen Großteil der Wahlkreise gewonnen hat (und nach augenblicklicher demoskopischer Lage dies wieder tut), würde sie weit über 50% der 299 Direktmandate gewinnen. Hinzu käme noch der relative Anteil aus den Zweitstimmen. Nachvollziehbar, dass weder die SPD noch sonst eine der Parteien das attraktiv findet.
Umgekehrt finde ich die Vorstellung einer deutlichen Reduzierung der Wahlkreise falsch. Ergebnis wären reine Funktionärsmandate: Abgeordnete, die ihrer Partei Rechenschaft schulden, aber nicht mehr dem Wahlkreis. Das wäre eine andere Republik. Auch finde ich die Vorstellung, dass gegebenenfalls gewonnene Wahlkreise nicht zugeteilt werden, unter Gesichtspunkten demokratischer Legitimation hoch problematisch. Die Idee ist nämlich (ich meine, das kommt von den Grünen) die Zuteilung der Direktmandate davon abhängig zu machen dass sich eine deutliche Mehrheit für einen Bewerber ausgesprochen hat (und nicht nur eine Mehrheit). Das würde gerade in städtischen Wahlkreisen mit traditionell knappen Ergebnissen (weil hier drei Parteien etwa gleichauf sind) zu Problemen führen. Und die Vorstellung, ein Bewerber hätte dann knapp den Wahlkreis gewonnen, ihm werde aber der Einzug in den Bundestag verweigert, scheint mir prima vista auch nicht verfassungsfest zu sein.
Das ist im Augenblick die Schlachtordnung. Vielleicht stecken in den Tiefen mathematischer Berechnungen und wahlrechtlicher Feinheiten noch Optionen, die erfolgsversprechend wären. Die sind aber in der öffentlichen Debatte noch nicht aufgetaucht. Manchmal denke ich: Keine Lösung wäre besser als der Streit, den man sich mit problematischen Lösungen einhandelt. Zudem läuft uns die Zeit davon, weil in nächster Zeit bereits die ersten Aufstellungen vorgenommen werden können. Ob es bis dahin eine Lösung gibt, kann ich nicht sagen. Die Fraktionsführung jedenfalls scheint gewillt, eine herbeizuführen, weil es immer besser ist, mit zu gestalten als sich einer anderen Mehrheit gegenüber zu sehen, die zu Lasten der Union entscheidet -- und diese Gefahr ist eben auch real.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Matthias Zimmer