Frage an Matthias Zimmer von Lars B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Zimmer,
viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich schon seit Jahren mehr Transparenz in der Politik und fordern daher schon seit langer Zeit einen verbindlichen Lobbyregister, um den Einfluss von Lobbyisten auf die Politik und eventuelle Interessenskonflikte zu überprüfen, da die momentanen Lobbyismus-Regelungen viel zu lasch, intransparent und unzureichend sind. Daher frage ich Sie, wann führt die GroKo endlich einen verbindlichen Lobbyregister ein, um für Klarheit zu sorgen? Was gibt es für Gründe, dass Ihre Partei sich schon seit Jahren weigert diesen Register einzuführen?
Mit freundlichen Grüßen
L. B.
Sehr geehrter Herr Busse,
ich bin ein großer Freund von Transparenz, nicht nur in der Politik. Aber gerade die Lobbyismusdebatte braucht endlich Sachlichkeit. Kaum eine Debatte wird so populistisch geführt, wie die Lobbyismus-Debatte. Der Bundestag braucht sich kein Transparenzdefizit vorwerfen lassen, alle Debatten im Plenum, alle Anhörungen, alle Anträge und auch alle Ausschussberichte sind öffentlich für jedermann und jederzeit abrufbar. Selbst Transparency International hat schon vor Jahren (Integritätsbericht 2012) festgestellt: „Die Transparenz des Bundestages kann als sehr hoch eingestuft werden“. Die parlamentarischen Entscheidungsabläufe beziehen zudem eine Vielzahl unterschiedlichster Beteiligter ein. Es gibt verschiedene Fraktionen, die jedes Gesetzgebungsverfahren aus ihrem jeweiligen Blickwinkel begleiten, es gibt das Plenum in dem öffentlich debattiert wird, Fachausschüsse aus denen heraus die Abgeordneten berichten, es gibt öffentliche Anhörungen, Beiräte, Sachverständige, sowie unterschiedlichste – auch gegensätzliche – Interessenvertreter bis hin zum Bundesrat und ggf. dem Vermittlungsausschuss.
Für Linke und Grüne liegt die Lösung in einer neuen Behörde. Dass wir zu wenig Behörden in Deutschland haben, auf diese Idee muss man erst einmal kommen.
Eine behördlich überwachte Registrierungspflicht vor einer
Kontaktaufnahme zu Abgeordneten, diese Vorstellung ist befremdlich. Eine freie Gesellschaft hat einige unantastbare Merkmale. Der freie Kontakt zu Abgeordneten gehört dazu. Auch deshalb sieht das Grundgesetz (Art. 47 GG) für Abgeordnete ein Zeugnisverweigerungsrecht vor. Soll ein Abgeordneter Gesprächsanfragen künftig ggf. an die neue Lobbybehörde als möglichen Verstoß melden? Was ist das für ein Bild, in dem Abgeordnete als Behördenspitzel vorgesehen werden?
Und wie gehen wir mit dem Fall um, dass ein Abgeordneter selbst ein Unternehmen -bspw. im WK bei einer Betriebsbesichtigung- kontaktiert und sich über die Auswirkungen bestimmter gesetzlicher Initiativen informieren möchte?
Lassen sich Abgeordnete faktisch Gespräche verbieten, weil ein Gesprächspartner sonst evtl. gegen das Lobbyistengesetz verstößt?
Das geforderte Register greift in viele dieser Grundrechte ein, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Berufsfreiheit und vor allem der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG. Danach haben Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände das Recht, im gesamten Bereich der Arbeits-und Wirtschaftsbedingungen ihre Interessen gegenüber dem Staat zu verfolgen. Ein mit Offenbarungspflichten für sie verbindliches Lobbyistenregister ist damit unvereinbar. Der Gesetzentwurf von Anfang dieses Jahres geht über diese Bedenken einfach hinweg. Auch die selbstgesteckten Ziele von Linken und Grünen sind mit ihren alten Forderungen nicht zu erreichen. Kein verpflichtendes Lobbyistenregister kann Aufschluss darüber geben, ob im Einzelfall versucht wird, verdeckten unzulässigen Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse auszuüben.
Das Ziel der Debatte kann nur in der Grenzziehung zwischen legitimer Interessenvertretung und unzulässiger Manipulation liegen. Zur Durchsetzung dieser Grenze gibt es das Strafrecht. Wir haben dort erst vor wenigen Jahren §108e StGB die Grenze klar gezogen: Wer einem Abgeordneten einen ungerechtfertigten Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass der Abgeordnete bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornimmt oder unterlässt, der macht sich strafbar.
Ein neues Register führt in der Öffentlichkeit auch nicht zu einem veränderten Meinungsbild. Man hat nicht das Gefühl, dass die Bürger mit Blick auf Brüssel der Meinung sind, dass die EU-Institutionen keiner Einflussnahme von Lobbyisten ausgesetzt sind.
Ich kann daher nicht erkennen, dass die Idee eines Lobbyregisters die Situation verbessern würde und man es deshalb unterstützen sollte. Wenn Sie sich näher mit den Entscheidungsfindungen auf der Ebene des Deutschen Bundestages beschäftigen, dürfte Ihnen auffallen, dass die unterschwelligen Vorwürfe in dieser Debatte, die zur Einführung eines solchen Registers führen sollen, ebenso realitätsfern wie gegenstandslos
sind.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Zimmer