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Frage von Bernd D. •

Frage an Matthias Zimmer von Bernd D. bezüglich Gesundheit

„Gegen den Tod auf der Organwarteliste“ e.V.
Dr. med. B. M.

Sehr geehrter Herr Prof. Zimmer,

Der Presse habe ich entnommen, dass Sie starke Bedenken gegenüber der Einführung der sogenannten Widerspruchslösung in das deutsche Transplantationsrecht haben.

Wir Mitglieder des Vereins „Gegen den Tod auf der Organwarteliste“ und wir möchten Ihnen gern ein Argument vorstellen, dass in der bisherigen Debatte fast keine Rolle gespielt hat.

Die Organspende wird meist als ein Akt der Barmherzigkeit gegenüber Menschen in Not angesehen. Es geht um eine asymmetrische Beziehung zwischen einem großzügigen Menschen und einem Bedürftigen.

Ist das realistisch? Wir alle können gar nicht wissen, ob wir einmal zu potentiellen Spendern werden, weil wir nach einem dramatischen Ereignis hirntot auf einer Intensivstation liegen, oder ob wir selbst oder ein uns lieber und wichtiger Mensch einmal dringend ein Spenderorgan brauchen wird.

Die zweite Möglichkeit ist übrigens viel wahrscheinlicher: Jedem Organspender werden im Durchschnitt 3,4 Organe entnommen und damit ca. 3 Empfänger versorgt. Wenn jeder Empfänger etwa 9 Menschen hat, für die sein Weiterleben sehr wichtig ist (Kinder, Eltern, Geschwister, enge Freunde usw.), dann profitieren etwa 30 Menschen existentiell von jedem Organspender.

Praktisch niemand, der ein Organ braucht, lehnt eine Transplantation ab. Niemand sagt nein, wenn z.B. das Leben seines Kindes von einer Transplantation abhängt. Eine Ausnahme sind die Zeugen Jehovas. Wenn sie die Transplantation bei ihrem Kind ablehnen, wird ihnen umgehend das Sorgerecht gerichtlich entzogen und danach wieder zurückgegeben.

Wenn es so selbstverständlich ist, ein Organ haben zu wollen, wenn man es braucht, ist dann das Nein zur Organspende moralisch in Ordnung? Ist es dann moralisch akzeptabel, sich mit der Frage nicht beschäftigen zu wollen? Kann man dann nicht verlangen, dass man wenigstens ausdrücklich „Nein“ sagen muss?

Mit v. Grüßen
B. M.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. M.,

ich habe Ihr Argument gewägt und finde es nicht überzeugend. Die Tatsache, dass eine andere Person mein Organ oder meine Organe braucht, begründet weder einen rechtlichen noch einen moralischen Anspruch auf diese Organe. Das Argument ist ein wenig modelliert nach dem alten christlichen Argument, dass die menschliche Not Vorrang vor dem Eigentumsrecht hat. Dies gilt freilich nach Thomas von Aquin nur für Sachen, die grundsätzlich Gemeinbesitz sind. Das sind natürlich menschliche Organe per definitionem nicht. Sie sind auch dem Menschen nicht lediglich zum Nießbrauch überlassen, sondern sind integraler Bestandteil einer personalen Existenz. Deshalb kann es auch keinen wie immer begründeten Anspruch auf Herausgabe der Organe geben.

Nun argumentieren Sie ad 2, dass man verlangen können muss, "Nein" zu sagen. Auch hier kann ich Ihnen nicht folgen. Ich muss auch akzeptieren, dass sich jemand mit einer solchen Frage nicht auseinander setzen will. Zwar kann ich als Staat Eintrittspunkte setzen, um eine Entscheidung abzufragen (etwa bei der Ausgabe eines Personalausweises), es muss aber auch möglich sein, keine Entscheidung zu treffen (was ebenfalls ja eine Entscheidung ist). Dies muss dann als eine Ablehnung von Transplantationen gewertet werden.
Ihre Argumente laufen darauf hinaus, aus der Bedürftigkeit einen Herausgabeanspruch zu konstruieren. Dass mag im Sinne der Besitzverhältnisse an Dingen argumentativ tragbar sein (in der liberalen Eigentumstheorie ist es das nicht), kann aber nicht auf die Person und die Integrität des Körpers übertragen werden. Die Würde nach Artikel 1 des GG schützt auch die Integrität des Körpers; ein übergeordnetes Recht wird nicht anerkannt. Das finde ich auch gut so, denn ich will nicht in einem Staat leben wie China in dem der Staat auf diese Weise über die Körper von Menschen verfügt.
Ja, jeder von uns kann einmal in die Situation kommen, ein Spenderorgan zu benötigen. Deswegen habe ich ja auch vorgeschlagen, Spendenbereitschaft dann selbst als ein Kriterium für Spendenempfang in Anschlag zu bringen. Darüber hinaus habe ich gegen die Widerspruchslösung argumentiert, dass damit der Staat sich anmaßt, der Obereigentümer menschlicher Körper zu sein. Dies ist ein Verständnis der Verfügbarkeit menschlicher Organe als Mittel die meinem Bild des Menschen als Zweck an sich nicht entspricht. Oder, deutlicher formuliert: Wenn wir zulassen, dass der Mensch zum Mittel gemacht wird, haben wir den ersten Schritt in eine totalitäre Grundstruktur von Politik bereits getan.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Zimmer