Frage an Matthias Zimmer von Andreas R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dr. Zimmer,
nach den Anschlägen in Brüssel werden wieder kurzfristige und reaktive Massnahmen diskutiert: Mehr Hausdurchsungen, mehr Polizeimassnahmen, mehr Verhaftungen. Proaktive und langfristig wirkende Massnahmen werden aus meiner Sicht nur unzureichend diskutiert. Hierzu gehört die Integration von Menschen, die sich nicht als Teil der Gesellschaft empfinden, aber auch die Gefahrenquellen, die dafür sorgen könnten, dass sich solche Menschen radikalisieren.
In Deutschland gibt es eine Ausbildungspflicht für viele Berufe, um die Qualität dieser Berufe zu erhöhen: Metzger, Friseure, Tischler. Es gibt eine Pflicht zu eine Hochschulstudium für viele bildungsnahe Berufe, etwa Juristen und Lehrer.
Bei den beiden grossen christlichen Kirchen gibt es zwar keine gesetzliche Pflicht, aber eine freiwillige Verpflichtung innerhalb dieser Kirchen, sodass man nur derjenige/diejenige Pastor(in) werden darf, der/die zuvor auch Theologie studiert hat. Dies hat Deutschland vor radikalchristlichen Predigern wie etwa in den USA oder Brasilien weitgehend bewahrt.
Wieso aber gibt es eine solche Pflicht zum Studium nicht generell für Prediger, etwa für Menschen, die sich vor mehr als 20 Personen religiös betätigen wollen? Es liegt doch auf der Hand, dass radikale Prediger eine Gefahrenquelle für unsere Gesellschaft darstellen, die sich durch eine Pflicht zu einem Studium an einer staatlichen Hochschule bannen lassen würde. Dann könnte der Staat nämlich gegen selbsternannte Hassprediger vorgehen. Stattdessen dürfen Hassprediger vor hunderten (!) von Anhängern ihr Weltbild verbreiten. Statt studierten Intellektuellen überlassen wir gescheiterten Hiphoppern und Kleinkriminellen das Feld!
Plant Ihre Regierung eine entsprechende Massnahme zur Einführung einer Studiumspflicht für eine gesellschaftlich derart relevanten Berufsgruppe wie in anderen Berufen auch? Wenn nein: Was sind die Gründe dafür? Sie erschliessen mir derzeit jedenfalls nicht
Ihr
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich einer Pflicht zum Hochschulstudium für Prediger. Ich halte es ebenso für wichtig langfristige Maßnahmen für eine gute Integration in Deutschland zu fördern. Dazu beitragen kann natürlich auch ein theologisches Studium in Deutschland.
Generell bietet Deutschland den verschiedenen Religionsgemeinschaften die Möglichkeit sich frei zu organisieren. Diese Möglichkeit der unabhängigen und selbständigen Organisation trägt dazu bei, dass ihre Glaubensmitglieder sich hier zu Hause fühlen und ihren eigenen Weg inmitten unserer Gesellschaft finden können. Die Bundesregierung unterstützt dies, indem sie zum Beispiel vier Lehrstühle für islamische Theologie in Deutschland fördert, an denen die hier in Deutschland aufgewachsenen Studenten in deutscher Sprache studieren und es verstehen, die religiösen Grundsätze mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang zu bringen.
Allerdings ist auch ein abgeschlossenes (theologisches) Studium keine sichere Garantie für eine Immunität gegenüber (religiöser) Radikalisierung. Ebenso können auch radikalisierte Menschen einem Studium nachgehen.
Aus meiner Sicht ist es daher ebenso wichtig, Menschen mit Radikalisierungstendenzen durch Präventionsprogramme zu schützen. So hat etwa das Bundesamt für Migration seit 2012 die Beratungsstelle Radikalisierung eingerichtet. Diese kümmert sich in Zusammenarbeit mit etablierten Organisationen wie „Hayat“ und „Violence Prevention Network“ zum Beispiel um radikalisierte oder gefährdete Jugendliche.
Wir von der CDU/CSU halten es für wichtig und setzen uns dafür ein, solche Präventionsprogramme weiterhin zu fördern.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Zimmer