Frage an Matthias Zimmer von Robert B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Zimmer,
für mich sind noch einige Fragen in Ihrer Antwort vom 25.09.2015 offen geblieben.
1. Liegen die Anreize für die Flüchtlinge nicht eher in der in Deutschland zu genießenden Lebensqualität statt in guten Erstaufnahmeeinrichtungen und Taschengeld?
2. Menschen ohne Asylberechtigung sollen abgeschoben werden, das ist richtig. Doch nur in Länder, die sicher sind: Nur weil Staaten das Prädikat "sichere Herkunftsländer" zugeschrieben wird, ändert sich die Lage in ihren Heimatländern nicht. Menschen, die einen nachvollziehbaren Grund für ihre Flucht haben, müssen wir aufnehmen, unbürokratisch und sicher.
4. Welche sind für Sie die Fluchtursachen, die zu dem Flüchtlingsstrom führen?
- Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien und Afghanistan. In beiden Ländern herrscht(e) Krieg, die Lage ist unüberblickbar, chaotisch.
- Die aus den baltischen Ländern kommende Sinti und Roma haben es dort noch immer schwer, sie werden aus der Gesellschaft ausgegrenzt und sind dort zu einem kargen Leben gezwungen. Diese Menschen brauchen ebenfalls Schutz. Wer soll ihnen diesen Schutz bieten, wenn keines der industrialisierten Länder?
- Und die Flüchtlinge, die es aus Afrika nach Europa schaffen, kommen hierher, weil dort ebenfalls Krieg herrscht oder weil die örtliche Wirtschaft am Boden liegt, was daran liegt, dass wir diese Wirtschaftskraft praktisch nach Deutschland und Europa importieren. Es wird leer gefischt, unsere Lebensmittelüberproduktion wird dort unten verkauft und behindert den Aufbau der regionalen Wirtschaft, europ. ELektroschrott wird nach Afrika transportiert, seltene Erden, Baumwolle etc. werden spottbillig (weil nicht weiterverarbeitet) an globale Konzerne verkauft, die damit sehr viel Geld verdienen.
Wer also sind diejenigen, die die Flucht von Tausenden verursachen?
Ich danke Ihnen für ihr Engagement. Es ist für einen Politiker kaum möglich, allen Interessen gerecht zu werden. Man muss tun, was richtig ist.
Liebe Grüße!
Robert Bingener
Sehr geehrter Herr Bingener,
ich glaube, die Ursachen der Flucht sind vielfältig, aber zunächst einmal dort zu sehen, wo Menschen vor unmittelbarer Bedrohung für Leib und Leben fliehen. Da spielt die Frage der Sozialhilfen eine nur geringe Rolle. Vermutlich werden einige nach dem Ende des Bürgerkriegs auch wieder in ihre Heimat zurück gehen.
Bei der Frage der "Wirtschaftsflüchtlinge" bin ich etwas zurückhaltender. Wenn ein Zuwanderungsgesetz Sinn machen sollte, dann doch auch und vor allem in der Frage: Wie viele Zuwanderung welcher Art brauchen wir? Das können wir durchaus auch nach unseren Interessen entscheiden und entsprechende Zuwanderungskorridore festlegen. So ist es ja jetzt auch mit den Westbalkanstaaten vorgesehen.
Ich glaube aber, dass Menschen, wenn sie eine vernünftige Perspektive in ihrer Heimat haben, von dort auch nicht weggehen. Das trifft auch auf die Sinti und Roma zu. Die EU hat ja Programme aufgelegt, damit sich Situation für diese Bevölkerungsgruppe ändert. Und der Hinweis darauf, dass wir selbst auch dazu beitragen, Fluchtursachen zu schaffen (Überfischung, subventionierte Ware, aber auch Umweltzerstörung) ist nicht nur richtig, sondern ist bei vielen noch nicht angekommen. Aus meiner Sicht wird das aber eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre. Deswegen müssen wir aus meiner Sicht auch dem Thema internationale Gerechtigkeit ein wenig mehr Beachtung schenken!
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Zimmer