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Matthias Zimmer
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Frage von Fabian S. •

Frage an Matthias Zimmer von Fabian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Zimmer,

demnächst stehen Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit den USA (TTIP) an.

Dieses Handelsabkommen würde -auch wenn verschiedene Stellen dies immer wieder zu leugnen versuchen- zu einer Aushebelung der deutschen und europäischen Justiz durch private Schiedsgerichte) und zu einer Unterwerfung Europas unter US-amerikanische Rechtsstandards führen. Verbraucherrechte, Arbeitnehmerrecht und gesundheitliche Schutzstandards würden damit obsolet. Regierungen könnten nicht länger sicher sein, bei einer Änderung von Gesetzen nicht mit Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe überzogen zu werden (siehe Atomausstieg).

Dies würde de facto auf eine Abschaffung der parlamentarischen Demokratie durch die Hintertür (siehe "Ermächtigungsgesetz") hinauslaufen. Denn wesentliche Kernbereiche der Gesetzgebung wären nicht mehr durch das Parlament verantwortet bzw. kontrollierbar, sondern wären einer "Privatjustiz" überantwortet, die keiner(!) demokratischen Kontrolle unterliegt. Die Gefahr von Kumpanei, Lobbyismus und Korruption liegen auf der Hand.

Meine Frage (unabängig davon, ob Sie meine Einschätzung teilen):
Gibt es hierzu parlamentarische oder parteiliche Initiativen (egal welcher Partei) um dies zu verhindern? Oder müssen sich Bürger, die gegen TTIP sind, insoweit außerhalb der im Bundestag vertretenen Parteien umsehenn, um gehört zu werden?

Mit freundlichen Grüßen

Fabian Sallmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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CDU

Sehr geehrter Herr Sallmann,

ich bin nun kein Spezialist für dieses Thema und habe mir eine Formulierungshilfe geben lassen. Diese lautet:

"TTIP bietet den transatlantischen Partnern EU und USA die Chance, auch im 21. Jahrhundert globale Standards in vielen Bereichen zu setzen. Angesichts aufstrebender Mächte wie China, Indien, Russland oder die ASEAN-Staaten wird dies für die westlichen Demokratien zusehends schwieriger. Mit TTIP können die EU und die USA ihre – im weltweiten Vergleich weiterhin sehr hohen – Standards z.B. beim Umwelt-, Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutz zum Maßstab für spätere internationale Abkommen oder für ein globales Freihandelsregime machen.

Im Ergebnis kann die angestrebte stärkere Integration der beiden Wirtschaftsräume erreicht werden, wenn nicht nur die Zölle dies- und jenseits des Atlantiks, sondern auch andere Handelsbarrieren wie beispielsweise unterschiedliche technische Vorschriften für bestimmte Produkte abgebaut werden. Der Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen ist für Deutschland ein Kernanliegen (etwa im Hinblick auf die Automobil-, Chemie-, Maschinenbau- und Elektroindustrie). Hierzu besteht eine enge Abstimmung mit allen Interessengruppen, Verbänden und Nicht-Regierungsorganisationen.
Ziel Deutschlands und der EU-Kommission ist es, das hohe Niveau von Produktsicherheit und Verbraucherschutz in der EU zu erhalten und auszubauen. Ein Absenken insbesondere im Lebensmittelbereich steht nicht zur Debatte. Mit der Vereinbarung von Transparenz- und Konsultationspflichten zwischen der EU und den USA soll mittel- bis langfristig ein verbessertes und vertieftes Verständnis des jeweiligen Verbraucherschutzes erreicht werden.

Deutschland setzt sich dafür ein, dass die ambitionierten Ziele des Freihandelsabkommens nicht auf Kosten der Souveränität der Staaten gehen. Das Recht, auch in Zukunft im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, darf nicht angetastet werden. Der jeweilige Gesetzgeber soll das Schutzniveau (etwa im Bereich des Umwelt- oder Verbraucherschutzes) selber festlegen. TTIP dient dazu, gemeinsame Prinzipien zu vereinbaren, damit die konkrete Ausgestaltung von Schutzstandards möglichst geringe handelsbeschränkende Auswirkungen hat. Es wird angestrebt, dass das Abkommen ein Referenzpunkt für eine auf Regeln basierende internationale Wirtschaftsordnung wird.

Zum Thema Investitionsschutz ist darauf hinzuweisen, dass die USA als OECD-Staat europäischen Investoren hinreichend Rechtsschutz vor ihren nationalen Gerichten bieten. Genauso steht US-amerikanischen Investoren ausreichender Rechtsschutz in Deutschland zu. Unter diesen Umständen besteht kein Grund, Investoren aus der EU oder den USA im Unterschied zu heimischen Investoren einen zusätzlichen Rechtsweg einzuräumen.

Bei keinem der genannten Themen steht das bestehende hohe europäische Schutzniveau zur Disposition. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder der Umwelt aufheben. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Die Gesundheit der EU-Bevölkerung und der notwendige Umweltschutz sind nicht verhandelbar. Dies sollte uns aber nicht vom Ziel abbringen, Handel und Investitionen transatlantisch möglichst weitgehend zu erleichtern und unnötige Hemmnisse, wie etwa doppelte Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren, abzuschaffen.
Eine hohe Transparenz des Verhandlungsprozesses ist für die CDU/CSU-Fraktion ein zentrales Anliegen. Die EU-Kommission informiert regelmäßig das Europäische Parlament sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (d.h. auch die Bundesregierung) über den Verhandlungsprozess. Die Bundesregierung gibt wiederum regelmäßige Informationen an den Deutschen Bundestag. Damit ist gewährleistet, dass alle demokratisch legitimierten Institutionen über aktuelle Entwicklungen bei den Verhandlungen informiert sind. Zudem tritt das Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen nur in Kraft, nachdem das Europäische Parlament, die nationalen Parlamente sowie die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Auch dadurch ist eine umfassende parlamentarische Kontrolle sichergestellt.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion führt zu TTIP einen breit angelegten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, der EU-Kommission, der Bundesregierung, der Wirtschaft, Gewerkschaften, Forschungseinrichtungen sowie Nicht-Regierungsorganisationen durch, u.a. in Fachveranstaltungen, Anhörungen, bilateralen Gesprächen usw. Überdies hat sich im September 2014 eine Arbeitsgruppe der Fraktion zu TTIP konstituiert. Die Arbeitsgruppe wird die verschiedenen Themenbereiche von TTIP unter Einbeziehung von Vertretern der relevanten gesellschaftlichen Organisationen beraten. Im Ergebnis wird TTIP nur gelingen, wenn eine breite Öffentlichkeit das Abkommen unterstützt. Dafür wird sich die CDU/CSU-Fraktion auch weiterhin einsetzen."

Ich glaube nicht, dass damit ihre Frage erschöpfend beantwortet ist, gerade was den Bereich des Investitionsschutzes und der Mediation angeht. Hier scheint mir aber, dass auch bereits ohne Investitionsschutz durch TTIP die Möglichkeiten, vor deutschen Gerichten zu klagen, ja durchaus gegeben sind (siehe Vattenfall). Die Mediation halte ich nach Gesprächen, die ich bisher geführt habe, für einen geeigneten Weg, Dinge außergerichtlich zu regeln. Das geht heute ja auch schon und ist insofern nichts Neues.

Hinsichtlich der Beschäftigung mit TTIP ersehen Sie ja aus der Antwort, dass die Dinge hier in Bewegung gekommen sind. Ich glaube aber auch, dass wir zur Beurteilung von TTIP erst einmal den Text kennen müssten (der noch verhandelt wird). Ich kann nur schwer über Regelungen urteilen, die mir nur vom Hörensagen bekannt sind.

Sie ersehen der "offiziellen" Antwort aber auch, dass die Beschäftigung mit TTIP die Fraktion erreicht hat. Vielleicht können Sie sich mit Ihren Bedenken ja hier einbringen. Das wäre allemal effektiver als eine außerparlamentarische Beschäftigung damit, die am Ende nichts bewegen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Matthias Zimmer, MdB