Frage an Matthias Zimmer von Heinz O. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Zimmer,
Ihr "Hauptargument" in der Debatte vom 06.06.2014 die Sanktionen seien im Interesse der Steuerzahler notwendig, halte ich für falsch (damit Sie sich nicht einer Lüge bezichtigt fühlen!)
Zum einen sind auch die Leistungsberechtigten Steuerzahler, was leider von Ihrer
Partei und der SPD offenbar nicht anerkannt wird, zum anderen sollten Sie sich
mal mit den konkreten Zahlen beschäftigen. Allein die Verwaltungskosten in Zusammenhang mit den Sanktionen stehen in keinem Verhältnis zum angeblichen Nutzen. Auch die Tatsache, dass rund 50% der Sanktionen von den Sozialgerichten als rechtswidrig beurteilt werden und somit auch hierfür(unnötige) Kosten produzieren, zu denen auch noch die Anwaltskosten der Leistungsberechtigten zählen (allein in 2013 rund 10. Mio. Euro!).
D.h. allein aus kaufmännischer Sicht sind die Sanktionen ein Minusgeschäft, welches kein Nutzen und erhebliche Kosten mit sich bringt, zu denen als Folge auch die steigenden Gesundheitskosten gehören.
Auch die diversen Rügen des Bundesrechnungshofes, zeigen sehr deutlich, dass erhebliche Steuergelder von diesen "Institutionen" sinnlos verschwendet werden, wogegen von der "GroKo" nicht im Geringsten Einhalt geboten wird.
Am schlimmsten ist jedoch dabei, dass das Urteil des Bundesverfassungsgericht
vom 09.02.2010, welches von einem unverfügbaren Existenzminimum ausgeht, welches aus welchen (fadenscheinigen) Gründen auch immer, NICHT UNTERSCHRITTEN werden darf, nach wie vor missachtet wird!
Daher meine Frage:
Wie können Sie es verantworten dass auch nur einem Menschen die komplette Existenzgrundlage, der Krankenversicherungsschutz und sein Obdach entzogen werden, nur weil er sich nicht von den Jobcentern und den, nicht zu unrecht als verfassungswidrig geltenden Gesetzen des SGB II nötigen lässt?
Ein Straftäter genießt dagegen besseren Schutz und verursacht zudem wesentlich höhere Kosten!
Übrigens: Auch Jesus war "arbeitslos" und hat sich von anderen unterstützen lassen!
Sehr geehrter Herr Onasch,
deus numquam otiosus, heisst es: Gott ist niemals müßig. Das gilt auch für Jesus, der ein Handwerk gelernt hat und für seine Jünger. Wie kommen Sie denn darauf, dass er "arbeitslos" war?? Nein, Paulus hat zu Recht einmal gesagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Das bezog sich darauf, dass die Wanderprediger ihren Lebensunterhalt verdienen mussten und sich nicht von den Gemeinden aushalten lassen sollten. Soviel zum Biblischen.
Sie schreiben, dass viele Sanktionen vor Gericht keinen Bestand haben. Das ist richtig. Häufig sind es rein formale Fehler. Und wahr ist auch, dass sich eine Rechtsanwaltsindustrie entwickelt hat, die von solchen Klagen gut lebt -- vgl. hierzu den Artikel in der WELT vom 17. Juni ( http://www.welt.de/politik/deutschland/article129101481/Erfolgreiche-Klagen-gegen-Hartz-IV-Sanktionen.html ). Und trotzdem: Die Sanktionsbewehrung ist richtig. Die Zahlung von Hartz IV ist keine voraussetzungslose Rechtspflicht.
Deswegen ist es auch unstreitig zulässig, jemandem, der sich der Mitwirkung entzieht, Leistungen zu kürzen. Wenn er seine Mitwirkung im Wissen um die Konsequenzen verweigert, liegt eben kein Fall des Verstoßes gegen die Menschenwürde vor, wenn ihm dann Leistungen gekürzt werden. Er hat auf Leistungen verzichtet. Gegen die Würde verstieße es aber, ihm gegen seinen Willen die Leistungen aufzudrängen.
Nun mag es Menschen geben, die sagen: "Ich habe aber doch nicht verzichtet. Aber mitwirken will ich trotzdem nicht, auch nicht arbeiten." Dem kann ich nur entgegen halten: Das darf er. Es gibt aber kein Recht, sich von der Gemeinschaft aushalten zu lassen. Im Gegenteil: Eine solche Überzeugung wäre zutiefst gemeinwohlschädlich.
Und deshalb: Ja, ich verteidige auch die Sanktionen, die den Anspruch im extremen Fall auf Null reduzieren. Woher Sie im Übrigen die Rechtsauffassung hernehmen, das alles sei verfassungswidrig, erschließt sich mir nicht. Auch das Bundesverfassungsgericht sieht das nicht so. Aber wir sind ein freies Land, und jeder kann sich natürlich seine eigene verfassungspolitische Privatmeinung erlauben.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Matthias Zimmer MdB