Frage an Matthias Zimmer von Anke K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter dr. Zimmer,
Die AfD nimmt Fragen auf, die von den etablierten Parteien nicht aufgegriffen werden. Sogar die ehemaligen Stadtkämmerer von Frankfurt (beide CDU) sind der AfD beigetreten. Wie beurteilen Sie diese Konkurrenz? Welche Aussichten hat die AfD in der Wahl? Und wie werden sie den Menschen die Eurorettung erklären?
Liebe gruesse
Anke Knabe
Verehrte Frau Knabe,
ich halte die AfD für gefährlich -- weil hier die europäische Idee auf eine betriebswirtschaftliche Größe reduziert wird. Die großartige Idee eines einheitlichen Europa, das Grenzen überwindet und Frieden schafft, wird hier zu einer Rechengröße für Buchhalter. Damit wird nationalistischen Ressentiments Vorschub geleistet. Mit der visionären Idee Europas, wie sie seit Konrad Adenauer zum Kernbestand christlich demokratischer Identität gehört, hat dies nichts mehr zu tun.
Die AfD ist ein Sammelbecken von Gelangweilten und Unzufriedenen. Die haben allerdings auch kein vertretbares Programm. Zurück zur DM? Experten sagen: Das wird die Arbeitslosigkeit extrem erhöhen und einen massiven Einbruch der deutschen Wirtschaft verursachen. Nord- und Südeuro? Wir können laut europäischen Verträgen kein Land zum Austritt aus dem Euro zwingen. Aber viel wichtiger scheint mir: Das würde die deutsch-französische Achse, die für Europa immer eine zentrale Bedeutung hatte, zerstören. Natürlich gibt es zu allen Dingen im Leben Alternativen, im Übrigen auch zum Älterwerden. Die sind aber in der Regel weniger erfreulich. Und dann ist es doch klug die Alternative zu wählen, die am wenigsten Schaden anrichten kann.
Und damit komme ich zum eigentlichen Punkt, der mich bei der AfD nervt. Es ist nicht die aufgeblasene Wichtigkeit, mit der sich einige Professoren dort umgeben. Es ist auch nicht die charakterlose Verabschiedung der politischen Heimat, der man alles verdankt, ohne jemals das Gespräch gesucht zu haben -- das zeichnet einige ehemalige Amts- und Mandatsträger der CDU aus. Nein, was mich wirklich stört ist der Wille, auch katastrophale Konsequenzen billigend in Kauf zu nehmen. Was mich stört ist der dabei zugrunde liegende Ennui, der fatal an die Haltung einiger Eliten im Jahr 1913 erinnert. Was mich stört ist die Wurstigkeit, mit der Politrentner der Randale wegen mit der Zukunft unseres Gemeinwesens zündeln.
Und ja: Die Eurorettung muss besser erklärt werden. Aber nicht als betriebswirtschaftliches Oberseminar, sondern im Zusammenhang mit der deutschen und europäischen Geschichte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Zimmer MdB