Frage an Matthias Zimmer von Alexander H. bezüglich Recht
Guten Tag Herr Dr. Zimmer,
Sie haben heute in der o.g. Abstimmung im Bundestag mit ´Nein´ gestimmt.
Welchen Schluß sollte man als Bürger Ihres Wahlkreises und Bewohner einer Stadt in der Nähe eines der ältesten Kernkraftwerke Deutschlands hieraus ziehen?
Sind Sie von den Vorkommnissen in Japan, die einige Ihrer Partei- und Fraktionsgenossen als Zäsur bezeichnen und zum Anlaß der Neubewertung ihrer Einschätzung der Risiken der nuklearen Stromerzeugung nehmen, einfach nur unbeeindruckt? Oder denken Sie, dass wir als hoch industrialisierte Gesellschaft mit allen aus diesem Umstand resultierenden Annehmlichkeiten einfach auch die Bereitschaft aufbringen sollten, mit der Möglichkeit solcher Katastrophen wie in Fukushima leben zu müssen?
Über eine aufrichtige Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichem Gruß
Alexander Hirsch
Sehr geehrter Herr Hirsch,
ich habe die letzte Novelle des Atomgesetzes mit der vereinbarten Laufzeitverlängerung unterstützt. Nicht, weil ich ein begeisterter Atomenergiefan bin, sondern weil es eine richtige Maßnahme zu sein schien, zum einen während der Restlaufzeit die Sicherheitserfordernisse dynamisch anzupassen (das hatte der rotgrüne Ausstiegsbeschluss unterlassen), zum anderen durch Gewinnabschöpfung erneuerbare Energien stärker zu fördern.
Ich habe damals zur Kenntnis genommen, dass nach derzeitigem technischen Stand auch die älteren Kernkraftwerke unbedenklich sind. An dieser Tatsache hat auch der Unfall in Japan nichts geändert, wohl aber an unserer Perspektive. Deswegen war es richtig, eine zusätzliche Sicherheitsüberprüfung durchzuführen - bei den älteren Kernkraftwerken unter vorübergehender Aussetzung des Betriebes. Hier soll nun ergebnissoffen geprüft werden. Ich meine allerdings auch: Der Unfall in Japan hat mehr am Level unserer Hysterie als an den technischen Spezifikationen der Kernkraftwerke selbst geändert. Es hilft uns allerdings nicht weiter, wenn wir aufgrund einer veränderten Einschätzung zu dem Ergebnis kommen, Kernkraft auszusetzen und dann ggf. Strom aus dem Ausland (der dort nuklear erzeugt wird) zu importieren. Ich nehme zur Kenntnis dass es im europäischen Ausland Diskussionen wie hierzulande kaum gibt. Das kann doch nicht damit zusammenhängen dass wir hier eine aufgeklärtere, fortschrittlichere Position vertreten als alle anderen Europäer? Insofern wäre es ein guter Anfang, wenn wir eine europäische Lösung finden. Alles in Europa ist genormt, aber auf gemeinsame Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke haben wir uns bislang nicht geeinigt. Wenn wir jetzt umstandslos aus der Kernenergie aussteigen, können wir eine solche europäische Diskussion kaum befruchten. Wir stehen mit unserem Beschluss, aus der Kernenergie auszusteigen, ohnehin relativ isoliert in Europa da. An anderer Stelle werden Kernkraftwerke neu gebaut oder sind in Planung. Auch das sollte man, bei aller deutscher "Angst", einmal thematisieren.
Nein, ich bin kein begeisterter Atomenergiefan. Aber ich will einen Ausstieg, der unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht über Gebühr einschränkt, die Sicherheitsstandards dynamisiert und eine wirkliche Brücke in die regenerativen Energien ist. Angst ist, denke ich, immer ein schlechter Ratgeber. Wir alle wissen, dass es immer Restrisiken gibt; die gibt es bei jeder Technologie. Entscheidend ist aber die Frage, ob wir uns zutrauen, diese Restrisiken einzudämmen und zu beherrschen - und darin unterscheiden sich offensichtlich unsere Perspektiven.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Zimmer