Frage an Matthias Miersch von Daniel P. bezüglich Energie
Sehr geehrter Herr Miersch, die Koalition im Bundestag berät gerade über den Gesetzesentwurf der Regierung zum Kohleausstieg.
Dieser Entwurf enthält in Artikel 42 mehrere Stellen, die den Kohleausstieg bis mindestens 2035, wenn nicht sogar bis 2038 mittels eines öffentlich-rechtlichen Vertrages unabänderbar hinauszögern. Politische oder vertragliche Anpassungen an die Gegebenheiten sind damit ausgeschlossen, auch wenn sich in den nächsten Jahren herausstellen sollte, dass die Energieerzeugung aus Kohle wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr tragfähig sein wird. Mehrere Stimmen in der Fachwelt (z. B. DIW Berlin-Politikberatung kompakt 132 / 2019) gehen davon aus, dass dem schon heute so ist.
Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, wäre ebenfalls ein schneller Ausstieg bis 2025 notwendig, welcher so unmöglich gemacht wird. Verfehlen wird diese Ziele, kann dies sehr teuer für Deutschland werden.
Ferner führt das geplante Ausschreibungsverfahren schon heute dazu, dass alte Kraftwerke an ausländische Investoren verkauft werden, die sich bereits auf die Deutschen Steuergelder freuen. Abgeschaltet werden würden diese Kraftwerke mangels Wirtschaftlichkeit eh spätestens mit der zukünftigen, gesellschaftlich richtigen CO2- Steuer.
Ich fordere Sie deshalb auf, den Gesetzesentwurf zu kritisieren und diesem nicht zuzustimmen. Bitte tun Sie stattdessen alles, dass die Steuergelder statt an Kohleproduzenten und Kraftwerksbetreiber, an den Aufbau von Energiespeichern und regenerativen Energieerzeugern gezahlt werden, wo diese den hiesigen Menschen und der Zukunft dienen.
Auch um Deutschland die Technologieführerschaft in diesen Zukunftsbranchen zu ermöglichen und zigtausende Arbeitsplätze dort zu schaffen. Den dort liegt die Zukunft: in einer umweltfreundlichen, öl-, gas- und kohleunabhängigen Energieversorgung.
Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.
Danke und mit freundlichen Grüßen,. D. P.
Sehr geehrter Herr Petzold,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Das Kohleausstiegsgesetz ist gerade in der parlamentarischen Beratung. Letzte Woche führten wir eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss durch, damit Sachverständige ihre Positionen zu dem Gesetzentwurf vorbringen können. Wir werden jetzt die Anhörung auswerten und den Gesetzentwurf genau prüfen. Lassen Sie mich zu Ihren Fragen und Anmerkungen folgende Dinge darstellen:
1.
Deutschland ist das einzige hochindustrialisierte Land, das zeitgleich aus der Atomkraft und Kohleverstromung aussteigen will. Deshalb stellen sich komplexe Fragen in Zusammenhang mit Klimaschutz, Versorgungssicherheit und entstehenden Kosten.
2.
Die zu treffenden Entscheidungen müssen über Jahrzehnte beziehungsweise Legislaturperioden hinweg tragen, um Planungsunsicherheit bei den betroffenen Gruppen und in den Regionen zu vermeiden. Deshalb habe ich persönlich mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stefan Weil dafür gesorgt, dass im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD eine sogenannte Kohlekommission eingerichtet wird, die die unterschiedlichen Interessen repräsentiert. Monatelang haben deshalb Vertreter des BUND, von Greenpeace, vom Bundesverband der deutschen Industrie, von Gewerkschaften und Vertreten aus den Regionen getagt um die unterschiedlichen Interessen zu einem Kompromiss zusammenzutragen. Ich bin sehr froh, dass die Kohlekommission im vergangenen Jahr einen gemeinsamen Bericht, mit Ausnahme einer Stimme aus einer Kohleregion, verabschiedet hat.
3.
Das vorliegende Kohleausstiegsgesetz beinhaltet zahlreiche Vorschläge dieses Kommissionsergebnisses, wenn gleich aktuell auch von verschiedenen Mitgliedern der Kommission Kritik geäußert wird. Die von Ihnen angesprochenen Elemente des Ausstiegsdatums, der zu schließenden Verträge und auch der Ausschreibungsverfahren sind allerdings als Eckpunkte ausdrücklich vorgesehen, um Planungssicherheit zu garantieren. Das bedeutet nicht, dass sich Veränderungen ergeben können, da ausdrücklich auch für die Jahre 2022, 2026, 2029 und 2032 ein Monitoring vorgesehen ist. Beachten Sie aber bitte, dass ein riesiger Transformationsprozess vor uns liegt, der eine enorme Kraftanstrengung aller erfordern wird. Kommen wir beispielsweise mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht richtig voran, wird der Kohleausstieg schwierig. Sie haben vielleicht verfolgt, dass es nach langen Verhandlungen endlich gelungen ist, in den kommenden Wochen den Solardeckel abzuschaffen und das Thema Windabstandsregeln mit der CDU zu vereinbaren. Die Interessen in Deutschland sind hoch unterschiedlich, so dass ich auf der einen Seite die Ungeduld von Ihnen und Anderen nachvollziehen kann, auf der andren Seite aber zum Beispiel auch Menschen erlebe, die an Atom und Kohle festhalten wollen, weil sie keine Windräder wollen.
4.
Die EU hat sich im Paris-Abkommen verpflichtet ihre Emissionen um mindestens 40 Prozent bis 2030 zu mindern. Das bedeutet für Deutschland eine Minderung um 55 Prozent. Mit dem von der Kohlekommission vorgeschlagenen Ausstiegspfad wird im Strombereich das Klimaziel erfüllt. Schon bei Abschluss des Paris Abkommens war allen klar, dass die zugesagten Klimaziele der Staaten nicht ausreichen, um das Zwei Grad Ziel zu erreichen. Deshalb wurde in Paris ein Mechanismus zur Ambitionssteigerung vereinbart. Daher diskutieren wir gerade auf europäischer Ebene, wie die EU ihr Klimaziel erhöhen kann.
Es ist für mich wichtig Klimapolitik und die Verminderung des CO2-Ausstosses immer mit dem Strukturwandel und Hilfen für die betroffenen Regionen zusammen zu diskutieren. Daher soll gleichzeitig mit dem Kohleausstiegsgesetz auch das Strukturstärkungsgesetz verabschiedet werden, in dem Hilfen für die betroffenen Regionen und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geregelt sind.
In Diskussionen betone ich immer wieder, dass in der Klimapolitik stets die sozialen Aspekte beachtet werden müssen. Ein Preis auf CO2 kann daher stets nur ein Instrument in einem Instrumentenmix sein, der auch Investitionen, Fördermittel und Ordnungsrecht enthält. Bevor ein CO2-Preis Lenkungswirkung entfaltet, müssen - vor allem für Menschen mit wenig Geld - klimaneutrale und bezahlbare Alternativen zur Verfügung stehen. Ich sehe nicht, dass es finanzielle Anreize gibt, dass sich ausländische Investoren in deutsche Kohlekraftwerke, die abgeschaltet werden sollen, einkaufen.
Ich stimme Ihnen zu, dass die Zukunft in einer umweltfreundlichen, öl-, gas- und kohleunabhängigen Energieversorgung liegt. Um dorthin zu gelangen, ist der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien notwendig. Daher ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien seit vielen Jahren einer meiner Arbeitsschwerpunkte. Denn: All das, was Zukunft bedeutet – hierzu zählen auch die Erneuerbaren Energien – darf jetzt nicht ins Stocken geraten. Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft und Investitionen in Klima- und Umweltschutz müssen wichtige Bestandteile der Corona-bedingten Konjunkturmaßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft sein.
Die momentanen Verhandlungen, um all diese Punkte durchzusetzen, sind schwierig. Ich werde mich aber auch weiterhin mit Hochdruck für mehr Klimaschutz einsetzen und danke Ihnen nochmals für Ihr Schreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Miersch