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Frage von Michael M. •

Frage an Matthias Ilgen von Michael M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Matthias Ilgen!

Der Parteivorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte angekündigt, dass er CETA trotz der darin enthaltenen Investorenklagen zustimmen will. Am 16.12.2014 könnte Gabriel versucht haben, die SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls auf eine Kehrtwende zu verpflichten. Ist dies geschehen?

Die Gefahr: Kommt die Paralleljustiz für Konzerne in den Handelsabkommen CETA und TTIP durch, können Investoren vor einem Dreier-Gremium aus Wirtschaftsanwälten klagen, wenn sie durch demokratische Entscheidungen ihre Profite geschmälert sehen – und Schadensersatz in unbegrenzter Höhe verlangen. Stimmt das?

Die Klage von Vattenfall gegen Deutschland auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg vor genau so einem Schiedsgremium hat viele SPD-Abgeordnete aufgeschreckt: Sie zögern, der Linie ihres Vorsitzenden zu folgen – trotz des riesigen Drucks. Zurecht fürchten sie, dass CETA für ihre Wähler/innen nicht akzeptabel ist. Nur wenn sie standhaft bleiben, handeln sie im Interesse von uns Bürger/innen. Tun sie dies nicht, drohen uns viele neue Klagen nach dem Vorbild Vattenfalls! Haben Sie sich gegen das Handelsabkommen CETA und TTIP auf der SPD-Sitzung in Berlin am 16.12.2014 ausgesprochen und stark gemacht?

Haben Sie die Anruferliste von der netten Dame aus Ihrem Büro (04841/9398349) rechtzeitig erhalten? Wieviele Person waren auf dieser Liste? Konnten wir etwas in Ihnen und auf der SPD-Sitzung in Berlin bewirken? Wie wurde abgestimmt? Und wie haben Sie abgestimmt?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Müller,

lassen Sie mich ganz direkt auf Ihre erste Frage antworten: Nein. Eine solche Abstimmung hat weder stattgefunden, noch war sie je geplant. Zudem würde eine Abstimmung über das CETA momentan noch jeglicher Grundlage entbehren.

Derzeit ist der Stand der Dinge so, dass die Verhandlungen und die Ausgestaltung des CETA der Europäischen Union obliegen. Diese wiederum hält sich im Zuge der Verhandlungen sowohl zum TTIP, als auch zum CETA an das Verhandlungsmandat, das jeweils den inhaltlichen Rahmen vorgibt. Als Grundlage für diesen Prozess gilt die, der EU mit dem Vertrag von Lissabon übertragene Aufgabe, die Handelspolitik innerhalb der EU zu vereinheitlichen (Artikel 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV).
Der vorläufig ausgehandelte Text des CETA liegt in englischer Sprache vor und wird derzeit in alle EU-Amtssprachen übersetzt. Allein dieser Prozess wird noch ein paar Monate dauern, da es sich ja im juristisch korrekte Übersetzungen handeln muss. Selbst wenn das Abkommen daraufhin, wie derzeit noch geplant, Ende 2015 unterzeichnet wird, kann dies lediglich zu einer vorläufigen Anwendung führen, da die Entscheidung darüber, ob es sich beim CETA um ein so genanntes "gemischtes Abkommen" handelt.
Gutachten, die das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat, deuten in eben diese Richtung. Sollte die EU letztlich zu dem gleichen Schluss kommen wird die Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten nötig sein.
Letztlich wird mit einem Endgültigen In-Kraft-Treten nicht vor Ende 2016 gerechnet.

Generell gilt jedoch: Gemessen an der Bedeutung wäre es wünschenswert CETA, TTIP und auch das TiSA auf eine breite Basis innerhalb der Bevölkerung fußen zu lassen. Eine glücklichere Hand bei der Informationspolitik wäre ebenso hilfreich, wie eine Versachlichung des öffentlichen Diskurses.

Hinsichtlich der Bedenken, die Sie mir gegenüber bezüglich des Freihandelsabkommens der Europäischen Union und Kanada (Comprehensive Economic Trade Agreement - CETA) geäußert haben, möchte ich noch zwei Dinge ausführen:

Zum Einen: Bereits jetzt existieren eben genau solche ISDS-Klauseln in weit über 100 Handelsabkommen, die Deutschland abgeschlossen hat. Laut den jüngst veröffentlichten Ergebnissen der EU-Kommission zur EU-weiten Konsultation bezüglich der ISDS-klauseln im TTIP hat diese bekräftigt, dass es ihr Ziel ist, diese Klauseln zu modernisieren, reformieren und sie hinsichtlich Transparenz, Fairness und Rechenschaftspflicht an hohen Standards auszurichten.

Dies ändert natürlich nichts an der generellen Fragwürdigkeit solcher ISDS-Klauseln zwischen Ländern bzw. Länderzusammenschlüssen mit derart entwickelten Rechtssystemen, wie es im Fall von CETA und TTIP der Fall ist.

Zum Anderen möchte ich Ihnen auf diesem Weg eine Pressemitteilung zukommen lassen, die ich im Dezember zum Thema CETA veröffentlich habe. In dieser wird meine Meinung zu dem geplanten Abkommen deutlich. Ich hoffe diese adressiert einige der Bedenken, die Sie wegen des CETA haben. Denn ich nehme diese nicht nur Ernst, sondern teile Ihren Missmut zum Teil auch.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Ilgen MdB

Matthias Ilgen (SPD) zum Investitionsschutz im CETA-Abkommen

Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion zu Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichten im geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada erklärt der schleswig-holsteinischen SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Ilgen: „In den letzten Tagen erreichten mich als Mitglied des Wirtschaftsausschusses eine Vielzahl von Bürgeranfragen. Bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein sind die Menschen verunsichert und misstrauen dem bisherigen Verhandlungsstil der Europäischen Kommission. Diese Sorgen muss die Politik ernst nehmen. Am Montag wurden in der der Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie erstmals verschiedene Experten zu den möglichen Folgen von Investitionsschutz und Schiedsgerichten befragt. Die potentiellen Nutzen für Unternehmen wurden ebenso diskutiert wie mögliche Nachteile durch Klagen für die Staaten. Die konkreten Auswirkungen in denkbaren Einzelfällen kann jedoch niemand vorhersagen – vielmehr handelt es sich inzwischen um eine juristische Fachdiskussion, der selbst Fachleute kaum noch folgen können. Deshalb ist es wichtig, die grundlegende Haltung der SPD zum Investorenschutz und zu Schiedsgerichten deutlich zu machen: Wir sehen diese Art der Streitschlichtung zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen kritisch, insbesondere, wenn die Verfahren intransparent und solche Gerichte mit hochbezahlten Anwälten besetzt sind, die vor allem ihre eigenen finanziellen Interessen nach möglichst hohen Honoraren verfolgen.“

Gleichzeitig warnt Ilgen allerdings vor einer Panikmache, wie sie derzeit von Organisationen wie „campact“ betrieben würde: „Wir befinden uns in einem ganz normalen demokratischen Prozess. Bis August/September kommenden Jahres wird das Abkommen in alle Sprachen übersetzt werden und danach trifft das Europäische Parlament die Entscheidung, ob es mit dem ausverhandelten Abkommen zufrieden ist oder Änderungen wünscht. Bis dahin wird der europäische Gerichtshof festgestellt haben, ob die nationalen Parlamente das Abkommen ratifizieren müssen. Dann bekäme nach Beschluss des EU-Parlaments noch der Deutsche Bundestag das letzte Wort. Wenn auch nur ein nationales Parlament in Europa das Abkommen ablehnt, kommt es nicht zustande. Deshalb sehe ich große Chancen für die Strategie von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, jetzt in einer koordinierten Aktion mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten, die dem Investitionsschutzkapitel ebenfalls ablehnend gegenüberstehen, Veränderungen zu erreichen. Bevor wir Sozialdemokraten im Bundestag zustimmen, wird sich aber abschließend ein Parteitag oder ein Parteikonvent mit der Fragestellung befassen. Ich persönlich bin der Meinung, dass bei einer innerhalb wie außerhalb der Partei so hochgradig umstrittenen Frage, die Mitglieder der SPD in einem Mitgliedervotum das letzte Wort haben sollten.