Frage an Matthias Bartke von Monique S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Bartke,
zunächst hoffe ich, Sie hatten schöne und erholsame Weihnachten und Sie und Ihre Familie sind gesund.
Ich arbeite seit 27 Jahren im AK Altona, seit vielen Jahren in der Anästhesieabteilung. Das Besondere an dieser Arbeit ist, dass wir im 24-Stundendienst rund um die Uhr mit allen anderen Abteilungen zusammenarbeiten. Narkosen werden immer benötigt, egal ob Verkehrsunfall, Hirntumor, Knochenbruch, Magenprobleme oder Kaiserschnitt etc.
Sie können sich sicher vorstellen, dass die körperlichen und psychischen Belastungen durch Corona nochmals gestiegen sind. Verunfallte Patienten haben in der Regel keinen aktuellen Coronatest dabei, so dass bis zum Vorliegen eines Testergebnisses zu unserem eigenen Schutz komplette Schutzkleidung zu tragen ist. Nach monatelangen Engpässen ist zumindest diese nun durchgängig verfügbar.
Ich arbeite in Teilzeit und war seit März 2020 unterschiedlich oft im Dienst. Im Dezember zum Beispiel 10 Tage (je Dienst 7,7 bis 12 Stunden). Mein Dienst ist direkt am Patienten, ich laufe also zwischen den Operationssälen hin und her und gebe und überwache die Anästhesien. Ich habe keinen Bürojob oder Ähnliches.
Ich habe nunmehr von meinem Arbeitgeber eine Coronazulage für die Arbeit in 2020 also März bis Dezember in Höhe von EUR 29,93 (Neunundzwanzig Euro, dreiundneunzig Cent ) netto einmalig erhalten.
Ich erinnere mich noch gut an Klatschparaden für medizinisches Personal im Sommer und zahlreiche Aussagen verschiedener Politiker, dass einfache aber wichtige Berufe fair entlohnt werden sollten.
Auch wenn Sie vielleicht kein intimer Kenner des Krankenhauswesens sind, würde mich interessieren, ob Sie persönlich vor dem Hintergrund Ihrer menschlichen und politischen Lebenserfahrung eine solche Zulage für angemessen oder vielleicht zu niedrig ansehen und was Sie und Ihre Partei für eine bessere Bezahlung tun wollen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Ihnen einen guten Start in ein gesundes neues Jahr.
Sehr geehrte Frau Schreiber,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre guten Wünsche. Auch Ihnen wünsche ich ein gesundes und gutes neues Jahr 2021.
Ich kann Ihren Unmut über die Corona-Zulage Ihres Arbeitgebers sehr gut verstehen. Wenn Sie Ihre Mehrbelastungen bei Ihrer sowieso schon anspruchsvollen Tätigkeit schildern, müssen sich die 29,93 Euro wie ein schlechter Witz anfühlen. Ich finde, man muss bei der Wertschätzung von systemrelevanten Berufen zwei Aspekte in den Blick nehmen: Einmal die einmalige Zulage aufgrund der Mehrbelastung durch Corona, aber andererseits vor allem die reguläre Bezahlung.
Im Bundestag haben wir durch das Krankenhauszukunftsgesetz eine Grundlage für eine Prämie als Sonderleistung geschaffen, wenn Krankenhäuser im Zeitraum von Januar bis Mai durch die Behandlung von mit dem Coronavirus infizierten Patientinnen und Patienten besonders belastet waren. Das Gesetz regelt die genaue Voraussetzung. Für Hamburg bedeutet das, dass zwölf Plankrankenhäuser einen Anspruch auf die Corona-Prämie haben. Auch das AK Altona ist dabei. Das Gesamtvolumen der Corona-Prämien ist für jedes dieser Krankenhäuser vom Bund genau berechnet worden. Die Hamburger Krankenhäuser erhalten insgesamt rund 3,2 Millionen Euro aus Bundesmitteln. Diese Prämie wird zusätzlich um 50 Prozent aus Haushaltsmitteln der Freien und Hansestadt Hamburg aufgestockt. Der politische Wille, den Krankenhausbeschäftigten eine Anerkennung für ihre Tätigkeit in diesem Pandemiejahr zu zahlen, ist also da.
Wie immer liegen die Herausforderungen nun in den Details: Allen Arbeitgebern steht frei, eine steuerfreie Prämie von bis zu 1.500 Euro auszuzahlen. Die Bundes- und Landesmittel allein reichen dafür leider nicht. Wer in den Krankenhäusern wieviel Geld erhält, entscheiden die Krankenhausträger im Einvernehmen mit der Arbeitnehmervertretung. Es kann daher durchaus sein, dass viele, die meiner Meinung nach eine hohe Prämie verdient hätten, leer ausgehen. Auf diese Gerechtigkeits-Diskussion mussten wir Politiker gefasst sein, wenn wir Mittel zur Verfügung stellen, die nicht reichen können. Denn in der Corona-Krise wurde die Systemrelevanz von so vielen Berufen deutlich: Beschäftigte im Rettungsdienst, in der Gebäudereinigung, in der Behindertenhilfe, in den Laboren und anderswo im Gesundheits- und Sozialwesen. Sie alle hätten eine finanzielle Wertschätzung verdient. Wir wären mit der Diskussion, wer eine Einmalzahlung aus Steuermitteln erhält, wohl nie fertig geworden. Ich halte es aber meistens für besser, lieber etwas als gar nichts zu beschließen.
Die wichtigere Stellschraube ist die reguläre Bezahlung von Personal im Gesundheitswesen: Ich und die SPD setzen sich für eine dauerhafte finanzielle Aufwertung und bessere Arbeitsbedingungen der Berufe im Gesundheitswesen ein. Wir brauchen eine faire Bezahlung und wir brauchen genügend Fachkräfte. Denn der aktuelle Fachkräftemangel führt dazu, dass zu viel Arbeit auf zu wenig Schultern verteilt ist. Dieser Mangel lässt sich nicht von heute auf morgen beheben, aber wir ändern Gesetze Stück für Stück: Seit 2020 werden z. B. in den Krankenhäusern die Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen herausgelöst und einschließlich Tarifsteigerungen direkt erstattet. Damit entfällt zukünftig der Anreiz, Pflegekosten zulasten des Personals einzusparen.
Die faire Bezahlung erreichen wir durch ein finanziell gut ausgestattetes Gesundheitssystem. Die Corona-Pandemie hat uns aufgezeigt, dass uns Sparen an dieser Stelle am Ende teuer zu stehen bekommt. Ich setze mich daher weiterhin für einen starken Sozialstaat und eine gute öffentliche Daseinsvorsorge ein. Daneben brauchen wir Tarifverträge. Denn wo es Tarifverträge gibt, sind nicht nur die Löhne höher, sondern auch die Arbeitsbedingungen besser. Wir haben in dieser Legislatur die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, einen Tarifvertrag in der Pflege als bundesweit verbindlich erklären zu können.
Sehr geehrte Frau Schreiber, ich danke Ihnen für Ihre wertvolle Arbeit in Altona und versichere Ihnen, dass auch ich mich im Rahmen meiner Arbeit für ein gutes Gesundheitssystem einsetzen werde.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Bartke