Frage an Matthias Bartke von Melanie B. bezüglich Energie
Wie werden Sie am 3.7. im Bundestag stimmen, wenn das neue Kohleausstiegsgesetz verabschiedet werden soll? Die Mitglieder der Kohlekommission kritisieren, dass es in seiner jetzigen Version signifikant hinter dem ausgehandelten Mindestkompromiss zurückbleibt. Die nun vorgesehenen Fördermengen liegen deutlich höher als im Entwurf vereinbart.
Zudem zementiert es Kohleverstromung für 18 weitere Jahre, obgleich sie schon jetzt nur durch Subventionen von Steuerzahlenden wirtschaftlich ist. Durch öffentlich-rechtliche Verträge mit RWE und LEAG würde ein früherer Ausstieg (und er wird kommen) die Steuerzahlenden > 4 Milliarden Euro kosten, Geld welches wir dringend für den sozialverträglichen ökologischen Wandel brauchen werden, insbesondere, weil wir schon jetzt die Mittel künftiger Generationen für Konjunkturhilfen ausgeben.
Bitte denken Sie an unsere Kinder und Enkel !
Sehr geehrte Frau Dr. Bergmann,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zum Kohleausstiegsgesetz. Ich kann Ihre Skepsis gut nachvollziehen. Als ich selbst das erste Mal vom Kohlekompromiss und dem Ausstiegsdatum 2035/38 hörte, war auch meine spontane Reaktion: Das ist zu spät. Aber zuweilen lohnt es sich, in die Details einzusteigen.
Das Kohleausstiegsgesetz basiert auf den Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Die Kommission war sehr hochkarätig besetzt. Mitglieder waren sowohl Vertreter der Kohlereviere und der -kraftwerke als auch Kohlekritiker wie der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland und der Vorsitzende des Bunds für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland (BUND). Die 28 Mitglieder der Kommission tagten knapp neun Monate und legten dann ein Ergebnis vor, das von 27 Mitgliedern getragen wurde. Lediglich die Vertreterin der Lausitzer Tagebaubetroffenen stimmte am Ende dagegen. Ihr war der Ausstieg deutlich zu schnell.
Der Kohlekompromiss ist auch deshalb hoch zu werten, weil die Kohlekraftwerksbetreiber Rechtsansprüche auf eine deutlich längere Weiterbetreibung ihrer Meiler haben, die sie gerichtlich hätten durchsetzen können. An den Kompromiss halten sich aber nun alle.
Das Gesetz sieht einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung vor. In 2035/2038 werden nicht erst alle Kohlemeiler abgeschaltet, sondern es ist der Endpunkt und es wird nur noch der allerletzte Meiler abgeschaltet. Im Gesetz ist vorgesehen, dass in den Jahren 2026, 2029 und 2032 jeweils überprüft wird, ob eine frühere Abschaltung möglich ist.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass wir deutlich früher aus der Kohleverstromung aussteigen. So sollte das seinerzeit von schwarz-grün in Hamburg gebaute Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg als modernstes Kohlekraftwerk eigentlich das letzte sein, das beim Kohleausstieg vom Netz geht. Der Hamburger Senat unter Bürgermeister Tschentscher hat nun aber beschlossen, den Kohleausstieg für Moorburg bis 2025 zu vollziehen. Und Vattenfall zieht mit. In Moorburg wird die größte Wasserstoff-Elektrolyse-Anlage der Welt gebaut und das Kraftwerk wird auf Gas und Dampf umgestellt.
Deutschland ist das einzige Land, das gleichzeitig einen Atomausstieg und einen Kohleausstieg praktiziert. Ich halte diesen Kurs für richtig. Er ist aber nicht leicht. Die Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl haben uns gezeigt, dass auch die Atomenergie Gefahren birgt, die unseren Planeten für Jahrtausende schädigen können. Die Kohleverstromung war ebenfalls ein Irrweg, den wir verlassen müssen. Und die Lösung unserer Energieprobleme darf auch nicht darin bestehen, dass wir polnischen Kohlestrom oder ukrainischen oder französischen Atomstrom kaufen.
Gleichwohl hätte auch ich mich zweifellos gefreut, wenn die Kohlekommission einvernehmlich einen früheren Ausstiegszeitpunkt für die Kohlemeiler benannt und einen entsprechenden Ausstiegspfad aufgezeigt hätte. Dennoch habe ich Ihren Rat nicht beherzigt, gegen das Kohleausstiegsgesetz zu stimmen. Ich habe letzte Woche dafür gestimmt. Und dafür gab es am Ende einen zentralen Grund.
Hätte ich nämlich gegen das Gesetz gestimmt, so hätte die Kohlelobby jubiliert. Denn dann wäre der Kohleausstieg erst einmal ad acta gelegt worden. Und dann hätte es natürlich erst mal keine neue Kommission gegeben und man hätte frühestens nach der Bundestagswahl 2021 mit einer Neuformierung rechnen können. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass die Verhandlungspartner bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen (Jamaika), seinerzeit nicht in der Lage waren, sich in dieser Frage zu einigen.
Und so wären auch nach den Bundestagwahlen 2021 die Jahre ins Land gegangen und die Kohlekraftwerke hätten weiter das Klima geschädigt. Ein neues Kohleausstiegsgesetz, wenn es denn überhaupt zustande kommen würde, würde es dann realistischerweise nicht vor 2024 geben – eher später. Das Ausstiegsdatum 2035 wäre dann auf keinen Fall mehr realisierbar gewesen.
Sehr geehrte Frau Dr. Bergmann, dass die Opposition im Bundestag nicht für unser Kohleausstiegsgesetz gestimmt hat, verstehe ich. Es ist nicht Aufgabe der Opposition, für Gesetze der Regierungskoalition zu stimmen. Als Vertreter einer Regierungskoalition habe ich aber Verantwortung für die Geschicke unseres Landes insgesamt. Hätte ich gegen das Gesetz gestimmt, so wäre der Kohleausstieg damit nicht schneller gekommen. Ganz im Gegenteil.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Bartke