Frage an Matthias Bartke von Andreas S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Dr. Bartke,
mit Befremden habe ich die neue Haltung Ihres Parteivorsitzenden (und Ihrer Partei?) zum Thema Vorratsdatenspeicherung wahrgenommen. Gerade im Hinblick auf die neuerlichen Affären um Bundesnachrichtendienst und Überwachung/Spionage durch die NSA erscheint mir die offensive Befürwortung dieses doch umstrittenen Instrumentes durchaus fraglich. In Ländern wie Frankreich existiert seit Jahren eine Vorratsdatenspeicherung, welche, wie man bei dem Anschlag gegen die Charlie Hebdo-Redaktion gesehen hat, ihren eigentlichen Sinn verfehlt hat. Dazu kommt, dass die Täter sogar vorher schon unter Verdacht standen.
Man bedenke auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
"Eine weitere Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes im März 2011 kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in keinem EU-Land zu einer signifikanten Änderung der Aufklärungsquote von Straftaten geführt habe."
Naheliegend ist zudem, dass zumeist wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen und es sich selten um Straftaten handelt. Aus diversen Papieren von Konzernen geht hervor, dass gezielt eine Speicherung von Daten zu Gewinnen eingesetzt wird.
Womöglich haben Sie sich bereits mit diesem aktuellen und weitreichenden Thema beschäftigt?
Ich möchte daher gerne wissen, wie Sie persönlich zu diesem Thema stehen und warum, und wie Sie vorläufig in dieser Sache abzustimmen gedenken.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Scheffler
Sehr geehrter Herr Scheffler,
vielen Dank erstmal für Ihre Anfrage.
Das Thema Vorratsdatenspeicherung wird auch in der SPD kontrovers diskutiert. In 2011 hat es einen recht knappen Parteitagsbeschluss für die Vorratsdatenspeicherung gegeben, im darauf folgenden Jahr ein Mitgliederbegehren dagegen. Das Mitgliederbegehren scheiterte allerdings recht deutlich. Die Aufzeichnung der Konferenz mit Sigmar Gabriel zu dem Mitgliederbegehren finden Sie unter diesem Link: https://youtu.be/3A78gBm9cgc .
Ich kann Ihre Sorgen und Bedenken insbesondere nach den neusten Erkenntnissen zur BND-Affäre sehr gut nachvollziehen. Das Vertrauen in den Staat und in den Auslandsnachrichtendienst haben die bisherigen Erkenntnisse in Teilen erschüttert. Dem Bundsinnenminister und der Kanzlerin dürften demnach unruhige Zeiten ins Haus stehen.
Dennoch müssen die von Justizminister Heiko Maas vorgelegten Leitlinien getrennt von den Entwicklungen der inländischen Industriespionage betrachtet werden. Sie sollen einzig und allein der Bekämpfung und Verfolgung von Terrorismus und organisierter Kriminalität (z.B. Menschenhandel und Zwangsprostitution) dienen.
Nach meiner Überzeugung muss bei jeder Form von Vorratsdatenspeicherung sehr genau zwischen wirklich berechtigten Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und den Freiheitsinteressen des Einzelnen abgewogen werden. Dass Sicherheitsapparate gerne alle möglichen Daten haben möchten, ist bekannt - ihre Argumentation muss immer mit Vorsicht betrachtet werden.
Die Europäische Richtlinie zur „Vorratsdatenspeicherung“ wurde daher vom Europäischen Gerichtshof auch zurecht als rechtswidrig eingestuft - eine bis zu zweijährige Speicherdauer ist durch Sicherheitsinteressen nicht zu rechtfertigen. Dennoch ist nach Auffassung sowohl des EuGH als auch des Bundesverfassungsgerichts eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht grundsätzlich verboten. Die Gerichte haben dem Gesetzgeber hierfür aber sehr deutliche Restriktionen ins Stammbuch geschrieben: Die Speicherdauer muss sehr begrenzt sein und die Daten dürfen nur unter absolut strengen Voraussetzungen weitergegeben werden.
Ich muss Ihnen jedoch mitteilen, dass ich jetzt noch nicht sagen kann, wie ich bei einem entsprechenden Gesetzesentwurf abstimmen werde, denn bei einem solchen Gesetzentwurf sind gerade die Details von besonderer Bedeutung. Bisher gibt es aber noch gar keinen Gesetzentwurf, so dass ich dazu auch noch keine Stellung beziehen kann.
Ich danke Ihnen aber dafür, dass Sie an der öffentlichen Debatte teilnehmen und mir Ihre Meinung und Bedenken mitteilen. Dies ist für meinen Meinungsbildungsprozess als Volksvertreter sehr wichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Matthias Bartke