Martina Pöser
PIRATEN
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Frage von Georg M. •

Frage an Martina Pöser von Georg M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Pöser,

wie will ihre Partei das Demokratiedefizit in der EU beheben?
Dass es dieses offensichtlich gibt, können Sie an diesem Wikipedia-Eintrag sehen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratiedefizit_der_Europ%C3%A4ischen_Union

Ist die EU-Kommission Ihrer Meinung nach ausreichend legitimiert?
Warum dürfen die Bürger_innen nicht mehr mitentscheiden?- zumal sie von den Auswirkungen häufig betroffen sind?

Warum dürfen die Bürger_innen nicht darüber mitentscheiden, ob sie noch mehr Länder in der EU oder im Euroraum haben wollen oder nicht?
Aus meiner Sicht hat z.B. die Personenfreizügigkeit für Kranke, für Geringqualifizierte, für Ältere usw. dramatische Auswirkungen. Teilen Sie meine Einschätzung? Ein Kranker, Armer oder Gering-und Mittelqualifizierter kann nicht unbedingt aus Deutschland weg, ist aber von der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt ggf. betroffen. Von 240.000 neuen Jobs sollen laut diesem Bericht in 2014 gerade einmal 37.000 an Erwerbslose gehen: http://www.rp-online.de/wirtschaft/auch-2014-wird-es-keinen-job-boom-geben-aid-1.3708096

Die Arbeitgeber müssten meines Erachtens Kompromisse machen, wenn die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer geringer wäre und dann würde mehr der o.g. Personen eine Stelle bekommen. Können Sie meinem Argument folgen?

Wird Ihre Partei weitere Genpflanzen- bzw. nahrungsmittel ablehnen?

Mit freundlichen Grüßen
Georg Mayer

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Mayer,

die Piratenpartei setzt sich für eine umfassende demokratische Reform der EU ein, da wir genauso wie Sie sehen, dass es ein eklatantes Demokratiedefizit in der EU gibt, dass zu einem Legitimationsproblem führt, da mittlerweile 80% aller nationalen Gesetze auf Regelungen der EU zurückgehen.

Wir PIRATEN fordern, dass die existierenden EU-Verträge durch eine neue Regelung ersetzt werden, die Unklarheiten beseitigt und die notwendige demokratische Reform in der Europäischen Union umsetzt. Eine solche Neuregelung muss zwingend von den Bürgern der Union in einer Volksabstimmung angenommen werden. Änderungen des EU-Primärrechts sollen nur in Kraft treten dürfen, wenn eine Mehrheit aller EU-Bürger ihnen bei einer gleichzeitigen Abstimmung in ganz Europa zustimmt. Allein eine Vereinbarung auf Regierungsebene soll hierzu nicht mehr ausreichen. Die EU-Kommission bzw. die jeweilige Exekutive muss dafür sorgen, dass solche Abstimmungen auch kurzfristig durchgeführt werden können.

Die Bürger sollen in EU-weiten Abstimmungen direkt über die europäische Gesetzgebung entscheiden können dürfen. Zum einem sollen die Bürger mittels einer modifizierten und erweiterten Europäischen Bürgerinitiative eigene Legislativvorschläge unterbreiten, sowie im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses EU-Gesetze stoppen können. Die Europäische Bürgerinitiative soll in der Praxis leicht anwendbar und gebührenfrei sein. Zum anderen sollen Änderungen der EU-Verträge nur dann in Kraft treten, wenn die Bürger sie in europaweiten, zeitgleichen Abstimmungen befürworten. Diese sollen kurzfristig durchgeführt werden. Die aktuelle Gesetzgebung der EU wird von der Exekutive, der Europäischen Kommission, zu Lasten der eigentlichen Legislative, dem Europäischen Parlament, dominiert. Deshalb fordern wir die Gewaltenteilung zugunsten der Legislative neu zu gewichten. Hierfür sollen die Initiativ- und Beschlussrechte des Europäischen Parlaments als parlamentarischer Gesetzgeber der EU ausgeweitet werden.

Generell fordern wir auch die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung (Verfassungskonvent) für die Europäische Union. Ziel des Verfassungskonvents ist es, das politische System der EU und ihre Beziehung zu den Mitgliedstaaten und Regionen neu zu strukturieren und auf eine demokratische Basis zu heben. Der Prozess der Ausarbeitung einer europäischen Verfassung muss transparent geschehen und die europäischen Bürgerinnen und Bürger umfassend beteiligen. Die Mitglieder dieser Versammlung sollen demokratisch gewählt werden und gleichzeitig die Vielfalt innerhalb der Union repräsentieren. Über den erarbeiteten Verfassungsentwurf sollen die Bürger unionsweit und zeitgleich abstimmen.

Der europäische Gesetzgebungsprozess ist weiterhin geprägt von Intransparenz, Partikularinteressen und Hinterzimmer-Deals. Das gilt insbesondere für die Entwicklung von Legislativvorschlägen in der Kommission sowie im Rat. Wir fordern daher die Offenlegung jeglicher Korrespondenz mit und Einflussnahme von Interessenverbänden und Lobbyisten auf den europäischen Gesetzgebungsprozess. Ziel ist es, somit den demokratischen Prozess zu schützen und die Grundlagen von Entscheidungen transparent zu machen.

Leider lässt sich eine demokratische Reform aus dem Europaparlament heraus alleine nicht umsetzen, sondern die Intitiative hierzu muss von den Mitgliedsstaaten ausgehen. Wir werden aber versuchen, auch im Parlament bei anderen Parteien dafür zu werben, dass möglichst viele unserer Reformideen dort unterstützt werden, so dass die Chance zu einer Demokratisierung der EU steigt. Auch auf nationaler Ebene werden wir uns natürlich weiterhin hierfür stark machen.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit wollen wir nicht einschränken, da unsere Vision ein grenzenloses Europa ist. Hier wird von vielen anderen Parteien ungerechtfertigt Angst vor einem Zustrom von Arbeitnehmern oder einer "Zuwanderung in unsere Sozialsysteme" geweckt. Auch bei jeder bisherigen Erweiterung der EU wurde hier Stimmung gemacht, die sich später nicht bewahrheitet hat. Wir PIRATEN fordern aber das Ziel der Europapolitik sein muss, die Lebensbedingungen in allen europäischen Ländern anzugleichen, so dass überall in Europa ein menschenwürdiges und erfülltes Leben möglich ist. Dafür wollen wir prüfen lassen, ob ein europaweiters bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden kann und der Aufbau der Wirtschaft in den von der Finanzkrise gebeutelten Ländern und den generell wirtschaftsschwachen Ländern soll durch eine Art Länderfinanzausgleich vorangetrieben werden, der nicht den Banken, sondern der realen Wirtschaft zugute kommt. Nur so können langfristig Lebensqualität und (sozialer) Frieden in Europa gesichert werden. Wir müssen weg von der nationalen Perspektive und Europa ganzheitlich denken. Deutschland darf sich weder auf Kosten anderer Länder sanieren (z.B. durch das Abwerben von Fachkräften aus dem EU-Ausland statt der Aus- und Weiterbildung der in Deutschland lebenden Arbeitnehmer), noch anderen Europäer deswegen Zuflucht und Arbeitsplätze anbieten müssen, weil in deren Heimatländern keine gesicherten Lebens- und Arbeitsbedingungen bestehen. Dafür brauchen wir eine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik.

In der Charta von Florenz bekennen sich Regionen verschiedener europäischer Staaten dazu, gentechnisch veränderte Pflanzen nicht für den Anbau im Freiland zuzulassen und für die Landwirtschaft insgesamt abzulehnen.

Wir wollen, dass Deutschland der Charta von Florenz beitritt und gentechnikfreie Region wird. Beeinträchtigungen der natürlichen Umwelt durch gentechnisch veränderte Organismen sind – einmal im Freiland ausgebracht – irreversibel und unvermeidbar.

Es ist erwiesen, dass die Erträge durch konventionelle Zuchtverfahren stärker gesteigert werden konnten als durch die Gentechnik, dies bestätigt auch regelmäßig der Weltagrarbericht. Niemand müsste hungern, wenn Ressourcen, Wissen und die Möglichkeiten Lebensmittel zu erzeugen, gerecht verteilt würde.

Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Lebensmittel, die gentechnisch-veränderte Organismen enthalten oder bei tierischen Bestandteilen durch die Fütterung mit gentechnisch-veränderten Organismen gewonnen wurden, entsprechend zu kennzeichnen sind, damit der Verbraucher hier eine informierte Wahl treffen kann.

Wir bekennen uns zu einer Landwirtschaft, die langfristig die natürlichen Ressourcen schont. Saatgut, ob gentechnisch oder konventionell resistent gegen Pflanzenschutzmittel gezüchtet, kann durch Auskreuzung in bestehende Ökosysteme eine besondere Gefährdung der Umwelt darstellen. Resistent gezüchtete Pflanzen funktionieren in der Landwirtschaft nur durch den gleichzeitigen Einsatz von speziell darauf abgestimmten Pflanzenschutzmitteln. Hierdurch wird die Landwirtschaft gezwungen, spezifische Mittel bestimmter Hersteller zum Einsatz zu bringen. Dieser Produktionszwang führt die Landwirtschaft in die direkte Abhängigkeit von den Rechteinhabern an Saatgut und Pflanzenschutzmitteln. Eine Kombination von Saatgut mit Pflanzenschutzmitteln und deren Schutz durch Patente lehnen wir ab.

Ich hoffe, das beantwortet Ihre Fragen. Für Nachfragen stehe ich hier auch weiterhin jederzeit gerne zur Verfügung.

Liebe Grüße,
Martina Pöser