Frage an Martina Michels von Sabine M. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
In den letzten Jahren wurde das Projekt der Gemeinschaftsschule durch die Rot-rote Regierung in Berlin in Angriff genommen. Welche ersten Erfahrungen gibt es und wie soll dieses Projekt zukünftig weitergeführt werden?
Sehr geehrte Frau Müller,
Ihre Frage zu unserem Projekt der Gemeinschaftsschulen in Berlin beantworte ich sehr gern.
Den Schultyp der Gemeinschaftsschulen gibt es in Berlin seit dieser Wahlperiode, insbesondere auf Initiative der LINKEN. Im Rahmen einer Pilotphase entwickeln sich bestehende Schulen freiwillig zu Gemeinschaftsschulen. Teilweise geschieht die auch im Zusammenschluss mit anderen Schulen. Dabei sollen Wege zu einem integrativen Schulsystem, das sich nicht in unterschiedliche Schularten aufgliedert und Kinder nicht aussortiert, erprobt werden. Die neuen Gemeinschaftsschulen erfreuen sich einer hohen Akzeptanz, eines großen Engagements der beteiligten Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen, Eltern und Schüler und ebenso einer großen Nachfrage.
In diesem neuen Schultyp bleiben Schüler nach der Grundschule zusammen und werden nicht auf verschiedene Schularten aufgeteilt. Dort können sie entsprechend ihrer Leistungsniveaus alle geltenden Schulabschlüsse bis zum Abitur erreichen. Es gibt keine Probezeit und kein zwangsweises Sitzenbleiben. Alle rücken bis zur Klasse 10 in die nächsthöhere Stufe auf. In begründeten Fällen kann eine Jahrgangsstufe freiwillig wiederholt oder übersprungen werden. An Gemeinschaftsschulen kann bis zur 8. Klasse eigenständig entschieden werden, ob die Leistungen der Schülerinnen und Schüler traditionell mit Zensuren oder mit verbalen Berichten bewertet werden.
Eine neue Kultur und eine neue Atmosphäre des Lernens stehen im Mittelpunkt der Berliner Gemeinschaftsschule. Hier lernen Kinder von der Einschulung bis zum Ende ihrer Schulzeit gemeinsam und werden zugleich individuell gefördert. Ihre Unterschiedlichkeit wird angenommen und unterstützt. Gemeinschaftsschulen sind Ganztagsschulen. Sie sind leistungsfähig, weil sie die Besten nicht frühzeitig auslesen, sondern die Verschiedenheit von Kindern und Jugendlichen nutzen, um durch Zusammenarbeit Lernfortschritte bei allen zu erzielen und Spitzenleistungen hervorzubringen.
Die ersten Gemeinschaftsschulen starteten mit Beginn des Schuljahres 2008/09. Damals waren es 11 Gemeinschaftsschulprojekte, an denen 16 Schulen beteiligt waren.
Im Schuljahr 2010/11 entwickelten sich 17 Gemeinschaftsschulprojekte, darunter 6 Schulverbünde, so dass insgesamt 24 Schulen beteiligt sind.
Zum jetzt beginnenden Schuljahr 2011/12 kommen weitere 3 Gemeinschaftsschulprojekte, darunter ein Schulverbund, hinzu. In unserem Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg wird es dann mit der Ossietzky-Schule sogar die erste Europa-Schule als Gemeinschaftsschule (Deutsch-Türkisch) geben. Insgesamt werden es dann 20 Gemeinschaftsschulprojekte in Berlin sein.
Mit Ausnahme von Reinickendorf wird es 2011/12 in jedem Bezirk mindestens eine Gemeinschaftsschule geben. In Reinickendorf wollen die Hannah-Höch-Grundschule und die Greenwich-Sekundarschule zur Gemeinschaftsschule fusionieren. Die schulischen Gremien haben so beschlossen, Lehrer/innen, Eltern und Schüler/innen beider Schulen wollen dies. Der Bezirkselternausschuss sowie der Bezirksschulausschuss, der Schulausschuss der BVV und die Senatsbildungsverwaltung unterstützen die Gründung der Gemeinschaftsschule. Das Vorhaben wird zurzeit vom Bezirk als Schulträger durch die zuständige CDU-Bezirksstadträtin und die CDU-Mehrheit in der BVV verhindert.
Die Gemeinschaftsschulen erfreuen sich einer hohen Akzeptanz und eines großen Engagements der beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen, Eltern und Schülerinnen und Schüler. Für die Aufnahme in den ersten Jahrgang gibt es an allen Gemeinschaftsschulen und für die Neuaufnahme in die 7. Jahrgangsstufe an den meisten eine Übernachfrage.
Die Berliner Gemeinschaftsschulen sind Vorreiter für eine grundlegende Schulreform und Impulsgeber für die Integrierten Sekundarschulen, die es mit dem Schuljahr 2011/12 anstelle der bisherigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen flächendeckend gibt.
Die Gemeinschaftsschulen sollen als schulstufenübergreifende Regelschulform im Schulgesetz verankert werden. Die wissenschaftliche Begleitung wird fortgesetzt. An allen Gemeinschaftsschulen sollen gymnasiale Oberstufen aufgebaut werden. Dazu können sich Gemeinschaftsschulen zusammenschließen oder aber in Kooperation mit Integrierten Sekundarschulen treten. Weitere Schulen sollen sich unter den bisherigen Rahmenbedingungen an der Pilotphase beteiligen können.
Herzliche Grüße
Martina Michels, MdA