Frage an Martin Rabanus von wolfram h. bezüglich Recht
Guten Tag Herr Rabanus,
bitte, wie halten Sie es mit der Demokratie?
Werden Sie sich für die Volksabstimmung-Plebiszit in Grundsatzfragen der Menschen in diesem Lande einsetzen, wenn ja, bitte in welchem Umfang und/oder mit welchen Einschränkungen?
Sehr geehrter Herr Held,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich Plebiszite auf Bundesebene.
Die SPD ist grundsätzlich für die Aufnahme von plebiszitären Elementen auf Bundesebene. Daher hat die SPD-Bundestagsfraktion auch einen entsprechenden Gesetzentwurf im Jahre 2004 den Oppositionsfraktionen übersandt. Hierüber konnte aber aufgrund der ablehnenden Haltung insbesondere der CDU kein Einvernehmen hergestellt werden. Daher konnte die Initiative nicht erfolgreich weiter betrieben werden. Die damals verfolgte Position der Regierungsfraktionen halte ich für sinnvoll und ich würde gerne in der nächsten Wahlperiode an dieser Stelle einen neuen Anlauf machen.
Nachstehend finden Sie eine Berichterstattung aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die aus meiner Sicht die einzelnen Punkte gut zusammenfasst. Aus ihr können Sie weitere Einzelheiten entnehmen.
Mit freundlichen Grüße
Martin Rabanus
29. Oktober 2004 Die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen, Müntefering (SPD) und Krista Sager (Grüne), haben ihren Vorschlag zur Einführung von Plebisziten und Volksbefragungen an die Oppositionsfraktionen übersandt.
In einem Schreiben an die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Angela Merkel und den FDP-Fraktionsvorsitzenden Gerhardt, das der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Samstagausgabe) vorliegt, heißt es: "Wir sind für plausible Änderungsvorschläge offen." Es handele sich um "einen ersten Vorschlag".
Zeitliche Frist für eine Übereinkunft
Der Gesetzentwurf enthält die Möglichkeit eines Referendums über die EU-Verfassung, auch wenn dieses Vorhaben nicht ausdrücklich erwähnt wird. Müntefering und Frau Sager setzten eine zeitliche Frist für eine Übereinkunft mit der Opposition. "Wenn wir bis Mitte Dezember eine Entscheidung in dieser Frage erzielen können, wäre damit grundsätzlich auch die Durchführung eines Referendums zur EU-Verfassung möglich."
Falls bis dahin ein Einvernehmen nicht herzustellen sei, würden sie sich dafür einsetzen, die EU-Verfassung auf dem gewöhnlichen Verfahren in Bundestag und Bundesrat zu verabschieden. Aus dem Kontext des Gesetzentwurfes geht hervor, daß mittlerweile auch die Koalition der Auffassung ist, in diesem Falle bedürfe die EU-Verfassung einer Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat. In ihren Schreiben werben Müntefering und Frau Sager noch einmal für die Möglichkeit plebiszitärer Elemente im Grundgesetz.
"Gute Erfahrungen" in den Ländern
Der Wunsch danach wachse in der Bevölkerung und in den politischen Parteien. Viele Bundesländer hätten mittlerweile "gute Erfahrungen" damit gemacht. In dem Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes heißt es: "Gesetzesvorlagen werden beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages, durch den Bundesrat oder durch Volksinitiative eingebracht."
Im Anschluß an den Artikel 78 des Grundgesetzes (Zustandekommen der Gesetze) sollen nach den Vorstellungen der Koalition die Einzelheiten der Möglichkeiten direkter Demokratie in neuen Artikeln (78a bis 78 d) geregelt werden. Danach sollen in Plebisziten ausschließlich Gesetzesvorlagen behandelt werden können - nicht also Resolutionen oder Appelle allgemeiner Art. "Durch Volksinitiative können vierhunderttausend Wahlberechtigte beim Bundestag eine mit Gründen versehene Gesetzesvorlage einbringen."
"Wiedereinführung der Todesstrafe" ausgeschlossen
Die Vertrauensleute der Volksinitiative hätten dann das Recht auf Anhörung. Nach dem Gesetzentwurf sind "finanzwirksame Volksinitiativen" ausdrücklich zulässig. Die Beschränkungen wurden in dem Entwurf so formuliert: "Ausgeschlossen sind Volksinitiativen über das Haushaltsgesetz, über Abgabengesetze sowie über eine Wiedereinführung der Todesstrafe." Falls der Bundestag nicht innerhalb von acht Monaten den Gesetzentwurf einer Volksinitiative beschließt, kann nach dem Entwurf "ein Volksbegehren auf Durchführung eines Volksentscheids" eingeleitet werden.
Das Volksbegehren sei zustandegekommen, wenn ihm innerhalb von sechs Monaten fünf Prozent der Wahlberechtigten zugestimmt hätten. Für den Fall, daß die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages das beantragte Gesetz für verfassungswidrig hielten, sei die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Nach einem erfolgreichen Volksbegehren soll nach den Vorstellungen der Koalition innerhalb von sechs Monaten ein Volksentscheid stattfinden, es sei denn, daß zuvor das beantragte Gesetz durch Entscheidungen von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden sei.
Möglichkeit von Referenden
Im Falle eines Volksentscheids soll der Bundestag die Möglichkeit erhalten, dem Entwurf der Volksinitiative einen eigenen Gesetzentwurf zur Abstimmung entgegenzustellen. Anders als in dem - damals an der erforderlichen Zweidrittelhürde gescheiterten - Gesetzentwurf der vergangenen Legislaturperiode fügten die Spitzen der Koalitionsfraktionen nun die Möglichkeit von Volksbefragungen (Referendum) ein.
Auf Drängen des Auswärtigen Amtes wurden ursprüngliche Überlegungen vermieden, in diesem Teil des Gesetzentwurfes ausdrücklich Gegenstände mit außenpolitischem Bezug zu nennen. Die Formulierung lautet: "Der Bundestag kann auf Antrag der Bundesregierung, des Bundesrates oder aus der Mitte des Bundestages beschließen, daß über ein Gesetz, für das eine verfassungsändernde Mehrheit erforderlich ist, ein Volksentscheid stattfindet. Der Beschluß bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates."
Notwendiges Quorum
Nach dieser Formulierung sind Volksentscheide über Ratifizierungsgesetze nur dann möglich, wenn diese im anderen Falle einer Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat bedürften. Einfache Ratifizierungsgesetze - etwa solche über die Erweiterung der Europäischen Union - können danach nicht durch Volksentscheid entschieden werden. Jedoch würden künftig sämtliche Änderungen des Grundgesetzes dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden können. Im weiteren Teil des Gesetzentwurfes werden die Voraussetzungen für den Erfolg eines Volksentscheids aufgeführt, unabhängig davon, ob dieser durch ein Volksbegehren oder durch eine Entscheidung von Bundestag und Bundesrat eingeleitet wurden. "Ein Gesetz ist beschlossen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat, sofern diese Mehrheit mindestens fünfzehn vom Hundert der Wahlberechtigten umfaßt."
Dieses Quorum würde vor allem für Gesetzentwürfe von Volksinitiativen gelten, aber auch für einen Volksentscheid über die EU-Verfassung. Ein höherers Quorum wird in dem Gesetzentwurf für Verfassungsänderungen gefordert. "Ein das Grundgesetz änderndes Gesetz ist beschlossen, wenn zwei Drittel der Abstimmenden zugestimmt haben, sofern diese Mehrheit mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten umfaßt." Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates sollen in dem Gesetzentwurf mit der Formulierung berücksichtigt werden: "Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, kommen zustande, wenn die Zahl der Bundesratsstimmen jener Länder, in denen eine zustimmende Mehrheit in der Abstimmung erreicht wurde, der im Bundesrat erforderlichen Mehrheit entspricht." In dem Gesetzentwurf heißt es, das Ausführungsgesetz müsse "auch die Information der Wahlberechtigten über Inhalte und Gründe der Gesetzentwürfe" enthalten.