Frage an Martin Rabanus von Sabine B. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Rabanus,
ich wüsste gerne, wie Sie sich in der Frage zum scheinbaren Eilverfahren der Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung stellen. Zum einen, ist dies Verfahren tatsächlich in der geschilderten Form mit sofortigem Inkrafttreten richtig? Wer würde Inhaber der Autobahngesellschaft und wie wäre sicher gestellt, dass Nutzung und Instandhaltung als öffentliche Aufgabe vor privatwirtschaftlichen Interessen stehen? Würde analog die Kfz-Steuer abgeschafft?
Mir scheint, dass die Niedrigzinsphase erheblichen Druck auf große Finanzpools macht, so dass alternative Geschäftsfelder vor staatlicher Lenkung stehen. Oder aber hat die dt. Rentenversicherung ein Refinanzierungsproblem? Es wäre schön, wenn Sie Aufklärung in meine Verunsicherung und Sorge bringen könnten.
Freundliche Grüße
Sabine Bierfreund
Sehr geehrte Frau Bierfreund,
vielen Dank für Ihre Nachricht bezüglich der Grundgesetzänderung mit der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sowie der Einrichtung einer Infrastrukturgesellschaft – auf letztere gingen Sie näher ein. Vorweg zu Ihren eingangs geäußerten Bedenken: Das Verfahren ist in korrekter Weise abgelaufen und es gab im Vorfeld schon lange Verhandlungen.
Leider sind die Musterschreiben von CAMPACT, auf die Sie sich in Ihrer Nachricht beziehen, nicht zutreffend und stellen den Sachverhalt bestenfalls verkürzt da. Deswegen möchte ich den Vorgang gerne noch einmal erläutern, um Ihnen die Sorgen zu nehmen oder sie wenigstens abzumildern – insbesondere hinsichtlich Ihrer Bedenken gegenüber der Privatisierung.
Tatsächlich war es so, dass es der SPD schon innerhalb der Bundesregierung gelungen ist, eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchzusetzen. Im Ergebnis haben wir diese doppelte Privatisierungsschranke sogar noch verstärkt. Im Grundgesetz selbst wird deswegen in Artikel 90 geregelt, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100-prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird. CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt wären bereit gewesen, 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Das haben wir als SPD-Fraktion verhindert – längst noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hatte.
In intensiven und schwierigen Verhandlungen mit CDU/CSU haben wir als SPD-Bundestagsfraktion im parlamentarischen Verfahren zwei weitere Grundgesetz-Änderungen durchgesetzt:
1) Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: Die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat.
2) Ausgeschlossen wird auch eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte, z. B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“ Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen.
Mit diesen Grundgesetz-Änderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen stellen wir sicher, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Dies bestätigt uns auch der Bundesrechnungshof (BRH), der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet hat. In der Diskussion werden zudem immer wieder zwei Punkte aufgegriffen, die trotz der o. g. Erfolge in den Verhandlungen vermeintlich dazu führen könnten, dass es sich mit der Gründung der Bundesfernstraßengesellschaft trotzdem um eine Privatisierung handeln solle: die Rechtsform und ÖPP.
• Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist aber grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen. Im Kern geht es darum, ob die Organisationseinheit gewinnorientiert arbeitet oder nicht. Das wird die neue Gesellschaft nicht. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert.
• Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht. Erstens: Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das Gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst) – was bei einer effizient arbeitenden neuen Gesellschaft seltener der Fall sein wird als in den jetzigen Strukturen. Außerdem haben wir bereits im letzten Jahr durchgesetzt, dass die Systematik der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei ÖPP gemeinsam mit dem BRH überabreitet wurde und die Bedenken des BRH aufgenommen wurden. Alle neuen ÖPP müssen nun nach der neuen Methodik berechnet werden. Drittens und aus meiner Sicht am Wichtigsten: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetz-Änderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekt an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes oder des Bundesstraßennetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben werden.
Zu Ihren weiteren aufgeworfenen Fragen: Zwischen der Gründung einer Infrastrukturgesellschaft und der Abschaffung der KfZ-Steuer besteht kein Zusammenhang. Die Abschaffung der KfZ-Steuer spielte eine Rolle bei der Maut, jedoch nicht bei der Reform der Auftragsverwaltung.
Es ist richtig, dass es beispielsweise Überlegungen unter der Fratzscher-Kommission des Bundeswirtschaftsministeriums gab, privates Kapital für die Infrastrukturfinanzierung zu generieren, beispielsweise mit Krediten. Die Verkehrspolitiker der SPD waren jedoch von Anfang an dagegen. Insofern kann ich Sie auch hier beruhigen, dass von unserer Seite aus keine in diese Richtung gehende Ansinnen unterstützt werden und versichere Ihnen, dass bei den von Ihnen beschriebenen Sorgen kein Zusammenhang zur Deutschen Rentenversicherung bzw. jeglichen Versicherungen vom Bund bestehen. Durch den Ausschluss der Kreditfähigkeit ist dies auch nicht möglich.
Entscheidend für mich und mein Abstimmungsverhalten waren auch die Verbesserungen, die wir im parlamentarischen Verfahren erreicht haben.
(1) Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen findet nicht statt; mit dem Gesetz errichten wir Schranken, auch im Grundgesetz.
(2) Wir haben die berechtigten Interessen der Beschäftigten geschützt und schaffen eine leistungsfähige neue Organisation, die ein attraktiver Arbeitgeber wird.
(3) Der Einfluss des demokratisch gewählten Parlaments auf die Verkehrsinvestitionen bleibt gewahrt. Die im Regierungsentwurf angelegte Reform und teilweise Beendigung der Auftragsverwaltung für die Autobahnen und weitere Bundesstraßen ist sinnvoll. Die bundeseigene Verwaltung verspricht zügigere Baumaßnahmen und einen effizienteren Mitteleinsatz. Der Bund ist künftig durch die zentrale Steuerung weniger abhängig von der Kooperationsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit von sechzehn Landesstraßenbauverwaltungen, um seine Prioritätensetzungen bei den Verkehrsinvestitionen umzusetzen.
In der Summe ergibt sich damit ein Gesetz, dem ich mit gutem Gewissen zugestimmt habe.
Ich hoffe, Ihnen meine Entscheidung angemessen erläutert zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin Rabanus, MdB
Anmerkung der Redaktion
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